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Reisetagebuch

3/22/2003   Ost-Jerusalem

Jetzt ist aber Sabbath!

Im armenischen Museum / rund um die Altstadt im Regen

(Harald und Renata) Heute ist Samstag, der juedische Sabbath, Feiertag der Juden ("Am siebten Tage sollst Du ruhn...")

Das jede Religion einen anderen freien Tag hat, verlaengert das Wochenende nur theoretisch, denn nur die orthodoxen Juden arbeiten tatsaechlich nicht. Wer ein Geschaeft machen will, macht es auch.

So findet vor dem Damaskustor, das wir von den Fenstern des Paulus-Haus aus sehen koennen, heute ein grosser Markt statt. Hier werden Gemuese, Obst, Kleidung, Schuhe, Kunst und Kitsch angeboten. Da es fast keine Touristen gibt, bevoelkern vornehmlich Araber den Markt.

Oben an der Strasse beschwert sich ein arabischer Haendler gerade bei einer blutjungen Polizistin (sie sieht aus wie eine 16-jaehrige)- worueber, warum, koennen wir nicht erkennen. Aber er schreit nicht und greift sie nicht an. Sie geht zum Einsatzwagen und der einzige, etwas aeltere Polizist geht zu dem Haendler, stellt sich Nase an Nase vor ihn, droht und provoziert ihn. Der Haendler hat Angst, man sieht es, er versucht auszuweichen, keine falsche Antwort zu geben. Ich denke: Hoer doch endlich auf, Mann! Was soll das? Das entlarvende Spiel dauert ca. zwei lange Minuten an - in Deutschland wuerde man sich jetzt den Namen und die Dienstnummer dieses Polizisten geben lassen. Ich unterdruecke den Impuls einzugreifen, ich weiss von mehreren Israelis, was dann passiert: Die Polizei laesst ihre Authoritaet nicht oeffentlich antasten und schikaniert auch Touristen. Eine Hemmung, Auslaender nicht zu belaestigen, hat man hier nicht, weil viele Friedensaktivisten aus dem Ausland hier sind, vornehmlich auf Seiten der Palaestinenser stehen und somit als Feinde betrachtet werden. Man laesst sich nicht ins Handwerk pfuschen, wird befragt und ggf. vorlaeufig festgenommen.

Als der Polizist mit vorgeruecktem Kinn endlich ablaesst, kommen die juengeren Soldaten, die Augen hinter reflektierenden Sonnenbrillen versteckt, treten die Gemuesekartons auf die Strasse, ziehen die Obstkoerbe zu Boden, die Fruechte kollern ueber den Asphalt und die vielen umstehenden Araber sehen still zu. Alltag hier. Eine Polizei ohne Gesetzeskontrolle. Offensichtlich frei von moralischen Bedenken. Wo sind die Beamten darunter, die auch in diesen Zeiten Zeichen fuer Menschlichkeit setzen? Keiner der ca. 20 Polizisten sagt ein beschwichtigendes Wort.

Wir streifen durch die Altstadt, ueber das helle Pflaster, innerhalb der engen Gassen, ueber die kleinen Plaetze voller fantasievoller Treppen, vorbei an feinsten Geschaeften mit modernem Schmuck und Kunsthandwerk.

Unser Weg fuehrt uns ins armenische Viertel zum Museum. Auf dem Gelaende steht eine armenische Kirche und Kari muss draussen bleiben.

Drinnen sind wir die einzigen Besucher. Wir betreten einen wunderschoenen, romantischen Innenhof voller alter Efeuranken und Arkadengaengen. Innen, in kleinen, kuehlen Raeumen, werden Gegenstaende der armenischen Geschichte gezeigt. Selbst dem interessierten Besucher wird es nicht leicht sein, die Geschichte dieses Volkes hier zu rekonstruieren. Es ist ein armes Museum. Uns beeindruckt der Zeitabschnitt am Ende des Ersten Weltkrieges, als die Osmanen/Tuerken einen systematischen Genozid am armenischen Volk betrieben haben. Am Ende dieses Massenmordes an ca. 1.500.000 Armeniern waren auch hunderttausende Fluechtlinge aus der Tuerkei vertrieben. Die Tuerkei leugnet bis heute, dass dies ein Voelkermord war und hat ihre Geschichte somit nicht aufgearbeitet. Der hochverehrte Atatuerk war in den zwanziger Jahren noch in die Vertreibungen involviert.

Wir gehen zum "Neuen Tor", dass erst 1889 geoeffnet wurde, vorbei an weiteren schoenen Beispielen gelungener Architektur. Hier in der Altstadt ist bewundernswuerdig gut Alt und Neu kombiniert worden. Ich habe niemals zuvor eine solch schoene Altstadt gesehen - allein sie ist eine Reise wert.

Wir haben viele Fotos gemacht und fuegen daher eine Fotoseite ein.

Abends telefonieren wir jetzt taeglich mit Daheim, um die verstaendlichen Aengste zu minimieren. Und im Fernsehen wird erkennbar, dass ein schnelles Ende des Krieges nicht absehbar ist.

Unsere Gedanken sind bei den Unschuldigen- den Kindern im Irak.

Geschrieben am 26.3. in Jerusalem


 

 

 

 

 

 

 

 

 


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