3/26/2003 Ost-Jerusalem
Hoffe nicht ohne Zweifel und zweifle nicht ohne Hoffnung / Seneca
Ein Tag vor Bildschirmen
(Harald und Renata) Den Tag verbringe ich vornehmlich im Netcafe, waehrend Renata die Bescheinigung der israelischen Behoerde besorgt. Dabei kommt sie am Viertel der orthodoxen Juden, dem Mea Shearim ("hundert Tore") vorbei. Hier herrschen strenge Sitten: Kein Radio, kein Fernsehen, kein Kino, keine Zeitungen. Jeder Mann traegt hier die langen Schlaefenlocken, jede Frau schwarze Struempfe und Schals. Hinweistafeln verwehren Touristen den Zugang, um das Leben der Glaeubigen nicht zu stoeren. Den Juden ist am Sabbat jegliche Arbeit verboten. Was Arbeit bedeutet, wird im Talmud definiert, wobei an Auslegungsdetails staendig gearbeitet wird. Jegliche Entzuendung von Feuer gilt z.B. als Arbeit und ist daher verboten. Das bedeutet, dass auch elektrische Funken und Benzinverbrennung untersagt sind, ebenso das Einschalten von Licht. Man kann aber das Licht am Vortag einschalten und ueber Nacht brennen lassen. Es gibt jede Menge kurioser Auswuechse dieser Regeln. Ein Jude erzaehlte uns z.B. schmunzelnd, dass ein Rabbi oeffentlich erklaert habe, dass das Bohren in der Nase am Sabbat verboten sein muesse, weil dabei ein Haar ausfallen koenne- was als Arbeit anzusehen sei. Renata kauft zudem Stoff, um ein Leibchen fuer Kari zu naehen. Unser Hund ist nun mal schwarz und deshalb erhitzt sich das Fell besonders stark. Daher soll Kari als Sonnenschutz eine Art weissen Umhang bekommen. Auch ist offen, wie sie die Hitze des Sandes vertragen wird. Da wuerden dann nur neue Mokassins nutzen. Abends sitzen wir mit Pater Bernhardt aus Helgoland zusammen vor dem Fernseher. Er ist 83 Jahre alt, geborener Krefelder und war in den 50er Jahren Priester in Sankt Gertrudis in Krefeld. Mittlerweile ist klar, dass alle Appelle an die USA, den Krieg sofort zu stoppen, vergeblich sein werden. Bleibt zu hoffen, dass er schnell zu Ende sein und nicht so viele Opfer fordern wird. Geschrieben am 29.3. in Jerusalem
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