3/27/2003 Ost-Jerusalem
Aegyptische Visa
Wir fahren nach Tel Aviv zurueck und beantragen Visa fuer Aegypten und treffen Dorit Ballin
(Harald und Renata) Gestern haben wir nach langen und reiflichen Ueberlegungen entschieden, wie wir weiter verfahren wollen: Wir fahren alsbald Richtung Osten zum Toten Meer, dann im Tal des Jordan bis nach Eilat und werden dort entscheiden, ob wir dort nochmals nach Jordanien einreisen, um nach Petra und Wadi Rum zu fahren, oder in Taba die Grenze nach Aegypten ueberqueren. Ab da wollen wir entlang der Kueste die Sinaihalbinsel umfahren. Dies ist zwar eine viel laengere Strecke, als von hier aus nach Gaza zu fahren, dort die Grenze zu ueberschreiten und entlang der Kueste nach Kairo zu fahren. Aber die Schoenheit der Sinai ist sprichwoertlich und Zeit haben wir jetzt. Denn was sonst koennen wir angesichts der Kriegssituation tun? Wenn man uns z.Zt. nicht Radfahren laesst, wird sich das vielleicht erst nach Kriegsende aendern. Also brauchen wir Visa und die muessen wir, entgegen aller bisherigen Auskuenfte, doch vorab beantragen. Telefonisch widersprach ein Botschaftsmitarbeiter dem anderen und wir wollen nicht riskieren, mit Fahrraedern an der Grenze haengenzubleiben, um dann mit dem ganzen Zeug per Bus bis nach Tel Aviv zurueckreisen zu muessen. Wir haben ausserdem beschlossen, unsere Helme bei Dorit Ballin zurueckzulassen, weil wir sie in der Hitze eh nicht tragen werden/koennen und dies in den letzten Monaten auch kaum getan haben. Wir brechen frueh auf, laufen in die Neustadt und besteigen dort ein Sammeltaxi (keinen Bus, der billiger gewesen waere). Aber in Tel Aviv herrscht morgendliche Rushhour. Als wir schliesslich am Busbahnhof ankommen und ein weiteres Sammeltaxi suchen, draengt uns die Zeit schon arg. Ein strammer Fussmarsch fuehrt uns zur Botschaft, die wir ja schon einmal besucht haben (nochmals herzlichen Dank an die gut informierten Mitarbeiter dort). Dort muss man draussen warten. Stuehle oder Tische, um die Formulare auszufuellen, gibt es nicht. Und hinein kommt man auch nicht. Es gibt einen briefkastenschlitzgrossen Fensterspalt, durch den man in gebueckter Haltung sehen und sprechen kann und durch den die Formulare gereicht werden. Man will unsere Konfession wissen. Nun, wir sind konfessionslos. Ob wir verheiratet sind? Besser ja- aber was soll man schreiben? Ich trage Renata als Ehefrau ein, sage das meiner Liebsten. Aber Renata streicht die Stelle durch (ohne dass ich das weiss). Ab 13 Uhr sollen die Visa schon bereit sein. Wir schlendern mit unserem Hund zur Cinemathek. Bei einem Imbiss versuchen wir Dorit zu erreichen, aber nur die Mailbox antwortet. An der Cinemathek ist richtig was los. Schulklassen treffen mit Bussen ein, der Tuersteher erkennt uns natuerlich gleich wieder (die verrueckten Deutschen mit dem Hund...), ebenso der Mann an der Rezeption, der uns den Kontakt mit Delano vermittelt hatte. Wir versuchen erneut Dorit zu erreichen. Aber wie es der Zufall will, steht sie ploetzlich vor uns, weil sie heute hier zu tun hat. Heute werden sechs Kurzfilme gezeigt, die nach Ideen von juedischen Schulkindern gedreht wurden und Dorit hat diese mit einer Jury zusammen aus vielen hunderten ausgewaehlt. Diese Filme sollen nun im Fernsehen gezeigt und dann einer ausgewaehlt werden, um an einem internationalen Wettbewerb teilzunehmen. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Aber die Visa muessen auch abgeholt werden und so erbarmt sich Renata meiner und macht sich alleine auf den Weg. Die Kinder im Vorfuehrraum tragen alle Kartons mit Gasmasken. Erstaunlich, dass so viele, trotz der Gefahr, hierher gekommen sind. Die Filme sind von Profis gemacht worden: Drehbuch, Kamera, Regie, Schnitt- alles perfekt. Die jungen Ideengeber spielen jeweils selbst die Hauptrollen, deren Freunde die Nebenrollen. Und die schauspielerische Leistung ist erstaunlich. Die Geschichten drehen sich um Freundschaft, Liebe, Trauer. Im ersten Film schaut ein Junge durch ein Fernglas zu einem palaestinensischen Dorf hinter dem neu errichteten Zaun herueber. Sein Bruder ist als Soldat von Palaestinensern erschossen worden und die zweite Hauptrolle stellt ein Soldat. Aber es geht nicht um die Araber. Die anderen Filme sparen das Thema komplett aus. Palaestinenser selbst kommen nicht vor. Ich hatte angenommen, eine Liebesgeschichte zwischen Juden und Arabern sei dabei, es draengt sich als Thema fast auf. Es tut gut, soviel laermende Froehlichkeit um sich zu haben und ich bin hernach ganz aufgetankt. Draussen wartet Renata schon in der prallen Sonne (heute sind es 25 Grad). Das Abholen der Visa im aegyptischen Konsulat gestaltete sich fuer Renata schwierig. Denn man erwartete wohl den Mann als Abholer und wollte die Visa nicht herausruecken. Renata wollte den Generalkonsul sprechen. Der gab sich zunaechst baerbeissig. Wieso wir keine Religion haetten. Ob wir nun verheiratet seien, oder nicht. Renata sagt die Wahrheit. Mein Antrag war somit nicht wahrheitsgemaess ausgefuellt und koennte abgelehnt werden. Dann will der Hauskoenig wissen, was Renata um den Hals traegt und warum. Es ist ein Gluecksbringer, den ihr ein Freund geschenkt hat- was sie als aberglaeubig erweist und somit als doch glaeubig! Renata will ihre Fragen loswerden, aber- schwai-schwai... Dann ordert der Herr Botschafter zwei Tee und ist ploetzlich ganz freundlich. Ob wir mit den Raedern durch Aegypten fahren koennten? "Aber natuerlich! Kein Problem, sie werden sehen!" Ob es denn nicht gefaehrlich sei, wegen des Krieges und der Demonstrationen? "Sehe ich gefaehrlich aus?" fragt der wohlbeleibte Herr. Nun, am Ende bekommt Renata die Visa. Gueltig fuer einen Monat und innerhalb von zwei Monaten muessen wir einreisen. Und eine aegyptische Flagge gibts auch, die uns als Freunde des Landes ausweist, nur leider viel zu gross fuer unsere Zwecke. Dorit hat keine Zeit und so wird es ein kurzer Abschied. Wir wollen ein Blitzlicht kaufen, aber der Preis verschlaegt uns den Atem und wir entscheiden schweren Herzens, darauf zu verzichten und fahren zum Busbahnhof zurueck. Aber dort will uns kein Sammeltaxifahrer mit dem Hund mitnehmen (vorwurfsvoller Blick nach unten rechts!). Schliesslich will dann doch einer der Fahrer ein Geschaeft machen und wir sollen fuer Kari wie fuer einen fremden Fahrgast zusaetzlich zahlen. Wir einigen uns schliesslich auf den halben Fahrpreis fuer den Hund. Aber sein Auto komme erst in "fuenf Minuten". Nach anderthalb Stunden werden wir etwas ungeduldig. "In fuenf Minuten!" Ja, das wissen wir schon. Schliesslich wird es dunkel. "In fuenf Minuten"- ich koennte den Kerl wuergen. Wir haetten uns laengst um ein anderes Taxi bemueht haben koennen. Neben uns sitzt eine geblondete, junge Russin. Ihre Alkoholfahne verraet ihre Liebe zum Wodka und ruehrselig tatschert sie an uns beiden herum, nett und begeistert ueber unsere Reiseplaene. Ihr Bruder wohnt in Krefeld, so ein Zufall. Das Taxi rast halsbrecherisch zurueck nach Jerusalem und zu Fuss kommen wir muede und erfolgreich "zu Hause" an. Der kurze Blick auf die Mattscheibe zeigt uns, dass der Vormarsch der Alliierten stockt, angesichts des nicht erwarteten Widerstandes und eines Sandsturmes. Das irakische Fernsehen sendet mal, mal nicht. In Amerika werden Friedensaktivisten verhaftet, weil sie den Verkehr behindern. Uebermorgen wollen wir weiter fahren. Endlich wieder weiter. Geschrieben am 29.3. in Jerusalem
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