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Reisetagebuch

4/1/2003   Israel / Ein Gedi

Salz auf meiner Haut

Lir-Pa, Lir-Pa!

(Harald und Renata) Zugegebenermassen war in unserem Eintrag vom 1.4. die Bestechungsgeschichte gelogen, auch Lir-Pas Forderung von 50 Dollar entsprach nicht der Wahrheit. Und Banga-Banga-Baeume und Kirpus-Straeucher gibt es auch nicht.

Eigentlich stimmt ja die ganze Story nicht, denn mein Rahmen ist nicht gebrochen und wir sind nicht in Kairo. Lir-Pa, Lir-Pa! Oder rueckwaerts gelesen: April-April!

Tatsaechlich sind wir am 1.4. noch in Ein Gedi und geniessen diesen traumhaften Platz.

Morgens gehe ich schwimmen. Leider vergesse ich bei meinem Hechtsprung Nase und Augen gruendlich zu schliessen. In normalem Meerwasser ist Tauchen mit offenen Augen moeglich, hier brauche ich Minuten, um das Salz auszutraenen. Der hohe Mineraliengehalt macht das Wasser gelig und schwer, so dass es kaum Wellen gibt.

Am Ufer finden sich harte Klumpen schwarzer, schweflig- stinkender Erde, die sich die Besucher, mit Wasser zu Schlamm verduennt, auf den Koerper schmieren. Das soll gesund sein, aber für die meisten Badenden ist es einfach ein Spass, auszusehen wie angemalte amerikanische Dixieland- Musiker der 20er Jahre.

Das gewohnte Gefuehl im Wasser ist das des Untergehens. Hier aber kann man nicht untergehen! Zu Tauchen ist wegen des schweren Wassers nahezu unmoeglich. Beim Brustschwimmen tritt man mit den Fuessen in die Luft und auf dem Ruecken schwimmt man selbst noch oben, wenn man Arme und Beine aus dem Wasser streckt. Man liegt wie in wabbeligem Schaumstoff.

Auf der Haut bilden sich beim Trocknen Salzkraenze. Ohne verfuegbare Dusche sollte man tunlichst nicht ins Wasser gehen. Die Haare stehen nachher wie mit Zuckerwasser getraenkt vom Kopf ab. Ich habe allerdings keine Zeitung beim Rueckenschwimmen gelesen (DER Fotoklassiker!).

Wir fruehstuecken unter Palmen. Einmal mehr schmecken die kuriosesten Zutaten wie ein First-class-Menue: Gelierte Datteln zu Oelsardinen, Joghurt aufs Brot mit Kaesescheiben, Limonade zum Satzkaffee.

Wir wollen etwas bleiben, denn hier gibt es alles, um eine gute Zeit zu haben- ausser billigen Lebensmitteln und Internetzugang. Nachts brauchen wir keine Decke mehr, der Sommer ist endgueltig angebrochen. Morgens fällt der erste Blick auf Berge und Meer und die aufgehende Sonne. Ein paar Muecken machen die Sache spannend und Kari klaefft uns durchschnittlich sechsmal pro Nacht wach (vorwurfsvoller Blick!).

Unsere Zeltnachbarn sind ungewoehnliche Zeitgenossen: Da ist Moses, ein hagerer, kahlkoepfiger Gitarrenmusiker und Komponist unbestimmbaren Alters, in weissem Sweatshirt und schwarz-orangefarbener Flammenmotivhose, ein eher stiller Mensch, der hier seit vier Jahren campiert und lebt.

Und da ist Ronni, eine meditierende Juedin um die Fuenfzig, mit taeglich wechselnden Aufklebermotiven auf der Stirn- mal ein Sternchen, mal ein Aeffchen, hinduistische Symbole. Sie versucht seit Laengerem das Mysterium "Mann" zu ergruenden und ist eine aufmerksame und lebenserfahrene Beobachterin, mit der wir uns viele Stunden austauschen. Sie weiss schoene und kluge Dinge zu sagen und gewinnt Essenz aus unserem "Maerchen", wie sie unser Abenteuer nennt. Und in unseren langen Gespraechen unter einer Kiefernkrone werden mir manche Aspekte unserer Reise klar. Uns selbst erscheint Vieles unscheinbar, was Andere erstaunt und bewundern.

Am Nachmittag fahren wir bergauf zum Kibbuz, der diese touristischen Einrichtungen betreut, um einzukaufen. Reihen verfallender Viehscheunen zeigen, womit hier vordem Geld verdient wurde. Jetzt ist es ein Touristen-Kibbuz, unglaublich schoen, voller exotischer Pflanzen und Baeume, bluehender Straeucher, ein botanischer Garten, eine bewohnte Parklandschaft inmitten der judaeischen Wueste. Und voller gutgenaehrter Hunde aller Rassen, meist Rueden, die fuer unsere laeufige Huendin gluehende Verehrung empfinden.

Gegruesst wird hier nicht, mancher gruesst nicht einmal zurueck. Die uebliche freundlich-respektvolle Zurueckhaltung Fremden gegenueber ist hier einer Hausherrenmentalitaet gewichen. Der Eingangsposten, die Fuesse auf dem Tisch, telefoniert sein Privattelefonat erst zu Ende, dann will er auch noch ein Zweites beginnen und uns noch laenger vor sich stehen lassen. Vor dem Laden verwickelt mich eine Frau in ein Frage-Antwort-Spiel: Wer wir seien, was wir wollten, wo wir wohnten. Nun, gute Frau, wir sind palaestinensische Terroristen und wollen den Laden sprengen, weil er ein solch mageres Angebot mit solchen Preisen hat! Wir werden Israel hoffentlich nicht verlassen, ohne einen freundlichen Kibbuz zu finden. Denn wir haben laengst nicht alle unerfreulichen Erfahrungen mit den Kibbuzim aufgeschrieben.

Es weht ein kuehlender Wind, als wir mit Kari zurueckfahren, die einen besonders verliebten Verehrer hat. Der zottelige Ruede verfolgt uns bis zum Zeltplatz.

Wir dinieren mit Teelichten und Ronni bis in die Nacht.

Weil Kari staendig bellt, wenn der Ruede nahe kommt und der freche Hund sogar unsere Packtaschen wegzieht, jage ich ihn zweimal weit die Strasse hoch, aber er kommt immer wieder zurueck. Es wird eine unruhige Nacht.

Geschrieben am 7.4. in Tamar/ Ir Ovot


 


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