4/3/2003 Israel / En Boqeq
Mickey und Itschak
Weiterfahrt entlang des Toten Meeres und Begegnung mit einer aussergewoehnlichen Frau
(Harald und Renata) Im Morgengrauen gehe ich mit Kari zum kleinsten Meer der Welt hinunter und sehe mir den Sonnenaufgang ueber den jordanischen Bergen am anderen Ufer an. Dann guerten wir uns zur Weiterfahrt. Der Abschied von Ronni ist herzlich. Schalom! Frieden (mit dir)! , oder arabisch “Salem”, ist in Israel bei Arabern und Israelis der gaengigste Gruss, ein Fingerzeig auf die Wichtigkeit dieses Aspekts hiesigen Lebens. Man stelle sich vor, man wuenschte in Deutschland jemandem “Frieden”- das Erstaunen waere gross. Die Sonne scheint, aber ein milchiger Schleier aus Dunst oder Staub verdeckt die Bergkette auf der jordanischen Seite des Sees. Die Strasse Nr. 90 schlaengelt sich zwischen den ca. 400 Meter hohen Bergen zur Rechten und der still und grau daliegenden Wasserflaeche zur Linken durch die Wueste. Hier wachsen jetzt, im hiesigen Fruehling, nach den Niederschlaegen, die vor allem im Februar und Anfang Maerz fallen, ueberall Blumen. Es gibt keine Wiesen, die Kraeuter wachsen einzeln oder in kleinen Gruppen. Die ueberwiegenden Farben sind aber Erdtoene von Felsen und Boeden. Dazwischen stehen einzelne Akazien, mit ihren schirmartigen Kronen. Diese Ueberlebenskuenstler unter den Baeumen kommen mit Temperaturen von 50 Grad im Schatten, den sie ihren Wurzeln und Stamm selbst spenden muessen, und monatelangem Wassermangel und steinigen Boeden zurecht. Diese Baumart wird uns durch ganz Afrika begleiten. Unter einem alten Exemplar lassen wir uns Huehnchenschnitzel mit Pitta schmecken. Die Strasse fuehrt auf und ab, manch weiter Ausblick zeigt uns, wo wir in einer halben Stunde sein werden. Die Strasse fuehrt teilweise in die Berghaenge hinauf, wenn das nahe Meer kein bebaubares Ufer uebrig liess. Hier wird das Meer schmaler, bis nur noch zwei schmale Kanaele uebrig sind, die sich zwischen den Felssaeulen hindurchwinden und den groesseren Teil des Toten Meeres, der bis zu 200 Meter tief ist und den kleineren im Sueden verbinden. Die Grenze zu Jordanien ist hier nur noch ein paar hundert Meter entfernt. Karis Fell glueht foermlich in der Sonne, sie springt staendig in den Haenger, dessen Fenster wir in Sonnenrichtung mit den neuen Folien verklebt haben, um ihr Schatten zu spenden. In der Hitze und bei Gegenwind kommen wir nicht zuegig voran. Hupende Autofahrer, manche strecken den Daumen anerkennend aus dem Fenster, fahren an uns vorbei. Nur wenige Autos begegnen uns hier. Rechts taucht der Tafelberg von Massada auf. Wenn wir jetzt hier abbiegen, kommen wir heute nicht weiter und wir brauchen Wasser und Lebensmittel. Alles um uns herum ist ehemaliger Meeresgrund. Die sandigen Steinformationen, hell wie Segeltuch, stehen in grotesken Saeulen und kleinen Tafelhuegeln in Dunst unter uns, getrennt durch zahllose kleine Wadis. Vor uns tauchen die Hotelburgen von En Boqeq auf, einer Reissbrett-Touristenstaette, keine Ortschaft, sondern moderne Hochhaeuser mit Leuchtschriften: Golden Tulip, Hyatt, Maritim etc. Mittendrin ein paar Palmen, ein kleines Einkaufszentrum namens “Patra”, ein Hinweis auf die hinter den Bergen liegende antike Staette. Allerdings heisst das Gebaeude 50 Meter weiter lt. Aufschrift ploetzlich “Petra”. Diese Beliebigkeit von Schreibweisen findet sich in Israel ueberall und haeufig. Selbst die Staedtenamen werden unterschiedlich geschrieben. Das kennen wir schon aus Syrien und hat dort wie hier die gleichen Ursachen. Einerseits lassen Uebersetzungen von arabischen und hebraeischen Buchstaben Spielraum, andererseits sind die Sprechweisen unterschiedlich. Die Zufahrt zum Hotelkomplex wird durch Strassensperren, Schranken und Wachposten erschwert. Wir werden aber unbefragt durchgewunken. Wir steuern McDonalds an, denn dort wird es auch Wasser geben. Vom Strassenrand gruesst uns ein Paerchen. Als wir die Raeder abstellen, stehen die Beiden vor uns und laden uns zu kalten Getraenken ein. Im Komplex erzeugt eine Klimaanlage (die erste unserer Reise) angenehme Kuehle. Die Frau hinter meinem Riesenbecher Cola heisst Mickey, ihr Mann Itschak (oder Ytshak oder Itzak, s.o.). Sie ist 56 Jahre alt und hier um abzunehmen und stellt viele Fragen, weil sie eine Radtour durch Skandinavien plant. Sie hat in den letzten zwei Jahren Extremwanderungen gemacht: In vier Tagen über 220 km von Beer Sheva nach Elat und 120 km um den See Genezareth herum nonstop in 25 Stunden. Anfaenglich waehnte Itschak, seine Frau wuerde wunderlich, aber mittlerweile ist er stolz auf sie. Wir verstehen uns gut und wir werden auch noch mit riesigen Hamburgern verwoehnt. Mickey will morgen frueh nach Massada radeln und ich moechte mir diese historische Staette gerne ansehen. Also beschliessen Renata und ich einen Tag hier zu bleiben. Wir muessen unser Zelt alsbald aufstellen, denn es wird dunkel. Draussen vor dem Komplex ist ein neuer Baugrund vorbereitet worden und dort, nahe am Wasser, ebnen wir uns eine Flaeche und zelten. Hier gibt es keine Hunde und so wird es (endlich mal) eine ungestoerte Nacht. Geschrieben am 8.4. in Ir Ovot / Tamar
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