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Reisetagebuch

4/19/2003   Jordanien / Wadi Rum

Wadi Rum / 2. Teil

Zweiter Teil

(Harald und Renata) Wir sind aufgeregt wie die Kinder, verbiegen uns, um alles durch die Autofenster zu sehen. Sieh mal da und sieh mal dort!

Es ist ein schoener, sonniger Tag, aber der Wind hat wieder den staubfeinen Sand hochgewirbelt und so entsteht ein hellblauer Himmel und die Farben der Berge verwischen ebenfalls pastellig, wie mit Weichzeichner gefilmt, ein stimmungsvoller Ausblick. Ich habe das Gefuehl, nicht aussteigen zu koennen, weil dann der Film endet, nicht eintreten zu koennen in diesen Traum. Aber wir bitten um Halt. Es ist ueberraschend kuehl im Wind, als wir fotografieren. Und die Fata Morgana ist Wirklichkeit (jede Fata Morgana ist uebrigens gespiegelte Wirklichkeit und nicht eingebildet).

Die Farben der Wueste sind die gleichen wie im Timna-Tal. Auch hier haben die verschiedenen Gesteine der Erosion unterschiedlich standgehalten und bizarre Formen geschaffen. Wie in Wolken, kann man ueberall Gesichter erkennen, Tierkoepfe, Gestalten.

Es gibt einen Eingang zum Wadi Rum, aber schon zwanzig Kilometer zuvor ist die Szenerie sehenswert. Die sog. "Sieben Saeulen der Weisheit", die T.E. Lawrence (Lawrence von Arabien) in seiner Autobiografie beschreibt, stehen vor dem offiziellen Eingang, eine Gebirgsformation aus hellem Sandstein mit wulstigen, halbrunden Abhaengen ueber siennafarbenem Sand.

Im Wadi liegt das Beduinendorf Rum. Die hiesigen Beduinen sind erst seit kurzem halb- oder ganz sesshaft, denn Wadi Rum wurde erst 1998 unter Naturschutz gestellt und sie leben heute vom Tourismus.

Der Eintritt betraegt jetzt, wegen des eingebrochenen Tourismus, nur noch 2 jordanische Dinare, etwa 3 Euro pro Person. Aber die Krux ist, dass man weder mit PKW noch Fahrraedern fahren kann, weil es nur Sandpisten gibt. Also muss ein Jeep der Beduinen gemietet werden.

Im einzig jetzt noch geoeffneten Restaurant essen wir und checken die Lage. Schnell haben wir raus, dass man viel Geld sparen kann, wenn man direkt mit den Beduinen verhandelt.

Dann mieten wir Kamele fuer einen halbstuendigen Ausritt zu einer Tempelruine der Nabataeer, die auch Petra gebaut haben.

Die Kamlele sind Wunderwerke der Natur, mit riesigen, ganz weichen Polsterpfoten, mit harten, hitzeunempfindlichen Polstern fuer die Knie und das Brustbein.

Wir machen uns zu Fuss in die Wueste auf, aber ein junger Mann im hellgruenen Toyota-Jeep haelt an und offeriert einen unschlagbaren Preis, incl. privatem Dinner und Zelten in der Wueste.

In seinem Haus trinken wir erstmal Tschai und geben Geld, damit der Mann tanken kann. Seine Frau kocht Reis und Huehnchen, waehrend uns der juengere Bruder, vielleicht 15 Jahre alt, mit dem Jeep in die Wueste bringt.

Hier wird der Wadi von zwei hohen und steilen Bergzuegen begrenzt, vom Jebel Rum, mit etwa 1750 Metern Jordaniens zweithoechster Berg und dem Jebel Um Ishrin.

Es ist bereits etwa 17 Uhr, als wir durch den roten, feinen Sand fahren. Die Karte zeigt hier eine Strasse, die aber kaum als solche zu erkennen ist. Dann bleibt der Jeep im Sand stecken. Der junge Beduine sagt, wir sollten ihn machen lassen. Also gehen wir zu Fuss weiter, besteigen einen kleinen Berg und geniessen das letzte Tageslicht und eine Kulisse- ach, was soll man sagen? So etwas Schoenes haben wir noch nie gesehen. Kommt und seht es Euch an...

50 Meter unter uns winkt der Beduinenjunge Bescheid- Aufbruch! Es faellt schwer, sich von dieser Aussicht zu loesen. Die Wueste ist durchsetzt mit kleinen, flachen Straeuchern und kleineren Gesteinsbrocken, ansonsten nur Sand, der bis an die Geroellhaenge oder die steilen Felsen reicht. Rum ist heute kein Wadi mehr, denn es fliesst auch zur Regenzeit kein Wasser hindurch. Die Optik erinnert an Australiens Ayers Rock.

Die Farben vergrauen in der Daemmerung, jetzt faellt der orangefarbene Sonnenschein nur noch auf die hohen Gipfel, deren Koepfe z.T. gerundet wie Kuppeln sind, hellbraun oder grau.

Der alte, fast schrottreife Jeep rappelt ueber Wellblechspuren, rumpelt ueber kleine Sandverwehungen, kratzt ueber Straeucher. Mehrmals muss der Junge zuruecksetzen, neue Anlaeufe nehmen. Wir halten vor einer Schlucht, sicher hundert Meter hoch, jedoch nur mannsbreit. Davor stehen hier unwirklich-sattgruene Feigenbaeume und es zwitschern Stare und Spatzen, hoch oben kreisen kraechzend zwei Raben.

Die Besichtigung macht keinen Sinn mehr, weil es dunkel wird. Wir koennen jedoch noch sehen, dass zahlreiche Besucher ihrer unsaeglichen Kreativitaet freien Lauf gelassen haben und die Waende mit nachgemachten Felsritzereien verziert haben. Der Beduinenjunge erklaert sie erstmal als praehistorisch, auf Nachfrage grinst er.

Wir fahren weiter in die Wueste, obwohl es bereits dunkel ist. Der Junge haelt vor einem kleinen zerkluefteten Berg an und will uns dort absetzen. Wir sollen hier ein Feuer machen und warten, bis sein Bruder uns abholt. Tolle Idee! Wir sitzen in der Wueste, zwei Fussstunden vom naechsten Dorf entfernt und warten, ob jemand kommt. Es ist kalt geworden, wir frieren, denn straeflicherweise haben wir angenommen, dass es hier heiss waere. Aber wir sind hier auf 900 Meter ueber Meereshoehe und es ist 10 Grad kuehler, als in Eilat.

Wir lehnen den Vorschlag ab und fahren mit zurueck. Der groessere Bruder, 20 Jahre alt, mit weisser Hose und weisser Dschelabba, dem bodenlangen Hemd bekleidet, sagt mir, ich solle einen zweiten Jeep fahren. Interessanter Vorschlag, meine erste Jeepfahrt und die gleich in die Sandwueste!

Wir laden zusammen mit seiner Frau, die mit braunem Kleid und lose umgelegtem, schwarzen Kopftuch bekleidet ist, alles fuer die Nacht in der Wueste ein. Wir haben unser Zelt und die Schlafmatten und -saecke mitgenommen. Dann wird das heisse Essen eingeladen und duftet koestlich zu unseren Fuessen, als es durch die Dunkelheit in den Wadi hinausgeht.

Zwischen den riesigen Bergbloecken misst die Breite des Wadis etwa ein bis zwei Kilometer. Die Sterne leuchten und der Mond zeichnet die Berge als schwarze Masse vor dem Horizont.

Wir erreichen bald "Lawrence Quelle", die einzige im Wadi Rum, die ganzjaehrig Wasser spendet. Hier stehen grosse, schwarze Beduinenzelte und wir stellen einen der Jeeps ab. Dann geht es weiter, stockfinster ist es jetzt und wir wundern uns, wie der Mann den Weg ohne Strasse finden kann. Bei genauerem Hinsehen fallen aber kleine Markierungen auf, ein paar aufgehaeufte Steine dort, wo die Topografie nicht mehr hilft.

Der Jeep haelt direkt an einem kleinen Berg. Wir stehen unter einer Art Halbhoehle. Hier hat die Familie fuer die Touristen einen Verschlag und einen Wassertank und eine Metalliege aufgestellt. Aber wir bauen unser eigenes Zelt auf.

Der Mann muss unter den Augen seiner Frau die Felsen absuchen. Als ich sehe, dass Geckos gemeint sind, deren Erscheinen im Licht der Taschenlampe die Frau voller Schrecken schreiend quittiert, fange ich einen Gecko und lasse ihn in meinen Finger beissen, was das Kerlchen voller luftpumpender Angst auch gleich macht, um den beiden Beduinen zu zeigen, wie absolut harmlos die Viecher sind. Der Mann lacht, die Frau laesst sich, so scheints, ihre Abneigung nicht gerne nehmen. Wahrscheinlich haette der Mann den Gecko sonst zerquetscht.

Wir essen auf einer Flechtmatte im kuehlen Nachtwind Reis und Huehnchen, dass der Mann mit den Fingern von den Knochen knibbelt und auf unsere Seite der gemeinsamen Schale wirft. Der Salat wird ebenfalls einfach auf den Reis geloeffelt und dazu gibt es Laebbaene, Sauermilch. Dann wird noch gewuerzter, stark gesuesster Tee getrunken.

Die Frau ist 17, im vierten Monat schwanger und ihr Redefluss ist nicht zu stoppen. Wir versuchen eine Unterhaltung zuwege zu bringen, da der Mann etwas Englisch spricht. Aber die Beiden sind nicht interessiert, sie reden, als ob wir garnicht da waeren.

Renatas Augen werden immer schmaler, es wird Zeit Schlafen zu gehen. Ich gehe nochmal in die Wueste hinaus, meine Stirnlampe gibt Licht genug. Es ist so still hier, nur der Wind in meinen Ohren ist zu hoeren. Kein Auto in der Ferne, kein Flugzeug, kein Hundebellen. Und ich denke: Wo, um Himmels Willen sind wir hier eigentlich? Noch garnicht angekommen, innerlich.

Am lautesten ist aber der Ruf meiner Liegestatt: "Komm Harald, komm schlafen!"

geschrieben am 22.4. in Eilat


 

 

 

 

 

 

 

 

 


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