Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

4/20/2003   Jordanien / Wadi Rum

Verstiegen

Mit Auto und zu Fuss in der Wueste

(Harald und Renata) Vor Sonnenaufgang stehe ich wieder auf der naechsten Anhoehe im Sand. Die Nacht war kuehl, aber das Beduinenpaaerchen schlaeft unter freiem Himmel unter einer Decke auf dem Metallgestell.

Ich habe nur ein T-Shirt und die Windjacke mit und muss mich daher bewegen.

Leider ist mir die Mahlzeit am gestrigen Nachmittag im Restaurant nicht bekommen. Da Renata keine Probleme hat, muss es die Mayonnaise gewesen sein, die nur ich gegessen habe. Jetzt heisst es tapfer sein, denn die Zeit ist kostbar.

Ich stapfe durch den Sand, ueber flache Duenen. Der Sand ist jetzt mit tausenden frischer Spuren durchzogen. Hier haben Fuechse, Raben, Geckos, Kaefer, Eidechsen, Steinboecke und auch Schlangen typische Eindruecke gezeichnet.

Ich versuche eine Schlangenspur zu verfolgen, aber erstens weiss ich nicht, wo Anfang und Ende sind und zweitens kreuzen sich die Spuren oder verlieren sich auf haerterem Grund. Aber die chrakteristische Hakenform der Spur deutet auf eine Sandviper hin. Diese Schlange ist aeusserst giftig, kann sich auch unter dem Sand fortbewegen und verbirgt sich oft, bis zu den vorstehenden Augen im Untergrund eingegraben, um aufzulauern. Erkennt man die Signatur im Sand nicht, z.B. bei starkem Wind, und tritt auf das Reptil, so beisst es zu. Dann hat man nicht viel Zeit, um sein Leben zu retten. Jede Anstrengung beschleunigt den Vergiftungsprozess und ohne Serum tritt, je nach Konstitution und Bedingung, binnen einer bis mehreren Stunden der Tod ein.

Ich kann das schaetzungsweise 60 cm lange Exemplar nicht finden und beginne den Aufstieg auf einen Berg aus Sandstein. Die Erosion hat hier tolle Skulpturen geschaffen, alles ist gerundet, organisch. Der Sandstein ist weich und leicht wie Bimsstein. Von unten sah dass alles nicht hoch und ganz unproblematisch aus. Ich habe die Haende frei, die Digitalkamera ist in der Guerteltasche. Aber wiederholt muss ich umkehren, weil die gedachte Route nicht weiterfuehrt.

Schliesslich geht es nicht ohne groesseres Risiko weiter. Ich habe eigentlich extreme Hoehenangst, versuche aber dagegen anzugehen (Motto: mir bricht der Schweiss aus, wenn ich auf einem Stuhl stehe). Als sich ploetzlich ein grosser Brocken unter meinem Fuss loest, wird mir schlagartig klar, dass der Sandstein zwar ueberall gute Griffmoeglichkeiten hat, aber gefaehrlich bruechig ist. Und Angst stellt sich ein, denn ich bin alleine und niemand weiss, wo ich bin, auch wenn zwischen mir und dem Camp weniger als ein Kilometer liegt.

"Ganz ruhig! Hier gehts jedenfalls nicht weiter, hier auch nicht..." rede ich mit mir selbst. Dummkopf! Aber hadern hindert jetzt nur. Ich habe Zeit und Kraft, also: Schwai-schwai.

Ich suche eine Alternative, setze mehrfach an, versuche mal den einen, mal den anderen Fuss vorzusetzen, bis es sicher erscheint. Ein Griff bricht mir ab, Angstschweiss naesst meine Haende. Tief durchatmen jetzt, warten, bis der Kopf wieder klar ist.

Der Aufstieg dauerte 15 Minuten, der Abstieg eine Stunde. Und ich bin um eine Erfahrung reicher. Im schlimmsten Fall haette ich noch warten koennen, bis meine Truppe aufgewacht ist und rufen koennen.

Die Sonne scheint jetzt kraeftig, der Sand wird heiss. Erst hoere, dann sehe ich einen Jeep durch die Wueste fahren. Am Lager angekommen, hat Renata das Zelt bereits abgebaut und das Fruehstueck ist im Wellblechverschlag vorbereitet.

Hier steht eine Gasflasche und auf dem Herd hat die junge Beduinin Eier gebraten. Mit Brotfladen, Salat und Laebbaen wird kraeftig zugelangt. Der Jeep, den ich gehoert hatte, gehoerte dem Oberaufseher, der unserem Fuehrer eine Strafe abverlangt hat, weil er keine gebuehrenpflichtige Erlaubnis hatte, uns mitzunehmen.

Dann beginnt der Ausflug in den Wadi. Noch ziehen Wolkenfetzen ueber den Himmel, zeichnen wandernde Lichtteppiche auf die Wueste. Der Wind ist kuehl- ein herrlicher Tag.

Wir fahren durch die Taeler zwischen den Bergbloecken, vorbei an immer neuen Formen. Wulstiger, heller Granit mit gewaltigen Ueberhaengen, ueber 100 Meter und hoeher tuermt er sich auf. Dazwischen berghohe, tiefe, dunkle Spalten, oben gekroent von Zapfen und Kuppeln. Grossflaechige, glatte Abbrueche haben Halbkreise und gotische Boegen in den senkrechten Haengen hinterlassen. Auf einem finden sich uralte Felszeichnungen, von den Kopien, die fleissige Touristen hier erst vor kurzem hinterlassen haben, kaum zu unterscheiden.

Wir stehen am Fusse eines gelben Massives in dessen Kamm Wind, Regen und Temperaturunterschiede einen gewaltigen Bogen gemeisselt haben. Und wir passieren Berghaenge, die halb von Sandverwehungen/ Duenen verkleidet sind, jetzt, am Morgen, noch jungfraeulich, ohne Fussspuren, die Kaemme geschweift und die Flanken gewellt, wie ein Watt bei Ebbe. Wasser und Wind formen Sand ganz aehnlich.

Die Fahrt fuehrt zu Lawrence Haus, in dem sich der beruehmteste Besucher des Rum seinerzeit (1917/18) aufgehalten hat- heute nur noch Grundmauern ohne Sehenswert.

Die meisten vorgeschlagenen Anfahrtziele sind fuer uns nicht so sehenswert, wie die Wueste selbst. Interessant ist die Quelle, die natuerlich bereits vor Lawrence existierte, aber heute seinen Namen traegt. Hier wachsen Feigenbaeume und oben im Hang stehen tatsaechlich zwei grosse Dattelpalmen.

Gegen Mittag ist der Ausflug zu Ende und wir essen bei den Beduinen zu Mittag. Dann gehen wir zum Restaurant und ich beschwere mich ueber die verdorbene Mayonnaise, aber der Manager ist aalglatt und gesteht nichts ein. Wenigstens werden sie jetzt die verdorbene Ware wegwerfen und nicht weitere Gaeste verseuchen.

Auf dem Parkplatz steht ein Dutzend Caravans mit deutschen Kennzeichen. Wir wollen heute nach Petra weiterfahren, aber der Bus faehrt um 12.30 Uhr in entgegengesetzte Richtung nach Aqaba. Wann wir dort ankommen, wann wir einen Bus nach Petra bekommen und dann dort ankommen, macht diese Entscheidung unsinnig. Also entschliessen wir uns, am Abend die Deutschen um Mitfahrt zu bitten, die am naechsten Morgen ebenfalls nach Petra weiterfahren und den Rest des Tages in der Wueste zu verbringen.

Wir lassen das Gepaeck bei der Beduinenfamilie zurueck und wandern durch die Wueste. Ich entdecke ein Loch im festen Sand und darin eine Schlange und im Fluchtloch zwei Meter weiter einen Gecko und beginne, die Reptilien auszugraben. Renata findet das nicht so spannend, aber meine Magenschmerzen machen das Laufen im Sand fast unmoeglich. Waehrend ich weitergrabe, um zu jagen und ein paar gute Fotos zu machen, laeuft Renata weiter zur Schlucht, die wir gestern nur noch im Halbdunkeln sehen konnten.

Erst kommt ein Aufseher, der wissen will, was ich mache, denn es ist ein Schutzgebiet. Ich sage ihm, dass ich nichts toete oder mitnehme und so geht das in Ordnung. Er gibt mir einen Holzstab, damit ich besser vorankomme.

Ein zweiter Aufseher hat eine Stunde spaeter auch nichts dagegen und zuletzt gibt mir ein Beduine noch eine Eisenstange zum Graben. Er gehoert, wie unser Fahrer, zum Stamm der Howeitat und laedt mich zum Tee im Zelt ein. Aber der Rueckweg von dort waere zu lang.

Die Schlange hat den Bau einer Wuestenmaus bezogen und der ist weitverzweigt. Nach zwei Stunden gebe ich auf und gehe zu den Felsen, in denen Renata sich wohlig in der Sonne rekelt, um den Sonnenuntergang zu geniessen.

Aber Eile ist geboten, denn der Rueckweg ist weit und die Temperaturen fallen. Renata hat sich beim Schwimmen im Delfinarium erkaeltet und ich bin auch nicht gut zurecht.

Wir marschieren strammen Schrittes nach Rum zurueck. Es wird kaelter, wir sind zu duenn bekleidet, Renata friert bald, ihre Haende werden blau vor Kaelte. Wir laufen engumschlungen, um uns zu waermen und erreichen nach anderthalb Stunden das Dorf und holen unser Gepaeck ab.

Wir essen und der Manager bietet uns fertig aufgebaute Zelte, samt heisser Dusche fuer einen Wiedergutmachungspreis an. Wir gehen zu den Caravans, klopfen vorsichtig an. Ganz unkompliziert schnell heisst es: Kein Problem, Abfahrt nach Petra um neun Uhr morgen frueh! Super!

Das runde, weisse Leinwandzelt flattert mangels Boden heftig im Wind, alles ist voller Sand und die Betten haengen derart durch, dass man nur auf dem Ruecken liegen kann. Trotzdem: Wir sind todmuede und beide krank.

Als in der Nacht der Wind nachlaesst, kommen die Muecken. Und wie immer, kommen sie zu mir. Ich ziehe deshalb in ein kleineres Zelt gegenueber um. Der Himmel ist ungewohnt sternenklar.

Im kleinen Zelt kann ich auf dem Boden schlafen und es ist komplett geschlossen, in ein Loch stopfe ich meine Windjacke und schlafe dann besser.

geschrieben am 23.4. in Eilat


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope