Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

5/8/2003   Aegypten / St. Catherine

Die Beduinenhochzeit

Wir sehen den Sonnenaufgang auf dem Gipfel, steigen in einer steilen Schlucht bergab und besuchen eine Hochzeit der Beduinen

(Harald und Renata) Um 5.45 Uhr weckt uns der Beduine, der uns den Schlafplatz zugewiesen hat: Die Sonne wird bald aufgehen und die Touristenhorden fallen ein.

Weiter unten am Berg muessen die Kamele halten, weil sie die Stufen nicht bewaeltigen koennen, nur noch die kleinen Esel schaffen es hier hinauf. So treffen nun ca. hundert Fussgaenger ein, denen wir, so gut es geht, aus dem Wege gehen.

Die meisten sprechen Russisch, ein paar Franzosen sind dabei, sowie Deutsche und Oesterreicher. Der Aufstieg dauerte bei uns etwa zwei Stunden, manche brauchen auch eine Stunde laenger. So wundert es, dass einige, kaum ist die Sonne hinter den Bergen erschienen, schon kehrtmachen und wieder bergab steigen, denn die Farbenpracht entfaltet sich erst spaeter, wenn die Sonne orangefarben aus den morgengrauen Wolken aufsteigt.

Wir sind die letzten Gipfelstuermer, die absteigen, nicht ohne mit dem Beduinen, der uns die Decken vermietet hat, noch eine heisse Schokolade getrunken zu haben.

Fuer den Abstieg waehlen wir die steilere, aber auch spektakulaerere Route zwischen zwei kleineren Gipfeln hindurch. Die Felsen sind hier gewaltig und gerundet, in den Senken stehen Palmen, Pappeln und Feigenbaeume, es ist absolut still hier oben. An zwei sehr steilen Stellen, die einen Blick in die Tiefe erlauben, verlaesst Kari der Mut. Junkend und fiepend, fast auf dem Bauch kriechend, zitternd vor Angst, macht sie mehrere Anlaeufe. Ich koennte sie tragen, aber mit Vertrauen geht es auch. Wir stellen uns als lebendes Spalier vor die Abgruende, breiten die Arme wie Gelaender aus und Kari schafft es alleine.

"Schwai-schwai" ist unsere Devise, deshalb sind wir die Letzten hier, alleine, aber auch die Einzigen, denen ein Anblick vergoennt ist, um den uns spaeter selbst hier lebende Dauertouristen beneiden: Ein Sinai-Steinbock blickt auf uns herab, ein junges Tier mit kleinem Gehoern, neugierig, was dieses Junken wohl bedeuten soll. Und ein Hund in den Bergen ist sicher auch nicht alltaeglich. Lange schauen wir uns gegenseitig an, bis das Boecklein mit traumwandlerischer Sicherheit ueber den glatten Fels aufwaerts springt und ueber dem Kamm entschwindet.

Die Touristen wollen sich hier alle verewigen und viele haben den Fels mit Herzchen und Namen geritzt. Die passendere Variante ist das Auftuermen von Steinbrocken, wie es die Beduinen ueberall in der Wueste machen, um die Wege zu markieren. Da stehen dann auch an einem sanften Hang hunderte solcher "Denkmaeler" aus drei, vier oder mehr Steinen, wie ein Kunstwerk sieht es aus.

Ueber mehr als 3000 Stufen geht es bergab und ploetzlich schmerzt mein linkes Knie, ein normales Auftreten ist nicht mehr moeglich. Und ich hatte doch vorsorglich langsam und auf Fussspitzen aufgesetzt, damit mir das nicht passiert! Es hilft nichts, ich humple weiter, setze nur noch rechts auf und ziehe links nach. Schiete! Immer die Knie!

Dann taucht unten im Tal das Kloster auf und wir sehen den grossen Felsen, auf dem wir die erste Nacht hier verbracht haben.

Der freundliche Beduine, der uns den Wasserkanister gegeben hatte, kommt uns entgegen, moechte eine Tour auf seinen Kamelen durch die Bergwueste mit uns machen, was wir aber dankend ablehnen- zu teuer.

Muede, groggy, treffen wir im Desert-Fox-Camp ein und setzen uns in den Schatten und trinken Tee. Der Inhaber fragt uns, ob wir eine Beduinenhochzeit besuchen wollen, er wolle uns dorthin mitnehmen, alles sei umsonst, Essen, Trinken, Musik. Diese einmalige Gelegenheit wollen wir uns nicht entgehen lassen und sagen zu. Vielleicht hat der Mann nicht damit gerechnet, das wir zusagen, jedenfalls gibt es ploetzlich diverse Probleme. Am Ende sitzt Renata hinter ihm auf seinem Motorrad Marke "Jawa" und ich auf meinem Rad, und Kari unter einem Auto im Schatten.

Es ist heiss und windig, aber ohne Gepaeck sind die fuenf Kilometer bis vor den Ort eine Lachplatte. Das Knie macht die andere Belastung beim Radfahren gluecklicherweise problemlos mit.

Vor einem hunderte Meter hohen, steilen Berg stehen zwei schwarze Zelte, ein paar hundert Menschen feiern ueber zwei Tage die Hochzeit, streng nach Maennern und Frauen getrennt, jeweils ein Zelt fuer jedes Geschlecht. Aus dem Frauenzelt klingt das trillernde, zungenschnalzende Indianerheulen der Beduinenfrauen. Die Frauen sind ausnahmslos verschleiert, in Schwarz gekleidet, bunte Schmuckapplikationen saeumen die Aermel und Raender der Tuecher.

Die Maenner beten in Reih und Glied, viele tragen die hier so haeufig zu sehenden fliederfarbenen Kopftuecher, Imma genannt und Hemdenkleider, Gallabija genannt, andere das Tahagya, ein rundes, etwa 10 cm hohes Kaeppchen. Die Kinder laufen unbetreut umher, kommen neugierig zu uns. Renata darf mit uns an einer Ecke des Zeltes bei den Maennern sitzen. Hinter unserem Ruecken reiten die feingekleideten Maenner stolz auf ihren besten Kamelen auf und ab, in allen Gangarten praesentieren sie sich, die Saettel sind bunt geschmueckt, die Kamele mit bunten Bommeln und Pom-Poms behaengt.

Der Braeutigam ist in Braun und Weiss gekleidet, 27 Jahre alt, seine Braut ist 18. Wie fast alle Beduinen spricht auch er Englisch.

Unser Begleiter fragt, was wir trinken wollen- Cola? Ja, gut. Er zueckt Geld und bezahlt. Wir fragen nach: Sollte nicht alles umsonst sein? Ja- aber Cola und Suessigkeiten seien nicht frei. Wann gibt es denn Essen? fragen wir nach. In vier, fuenf Stunden. Aha, interessant...

Leider verlaesst uns -unueblicherweise- unser Begleiter und ueberlaesst uns einem Freund. Als ich ihm sage, dass ich fuer uns etwas Suesses kaufen wolle, aber nur einen grossen Geldschein habe, nimmt er diesen, steht auf und ruft den Kindern etwas zu, worauf sie alle wie eine Wolke zusammenlaufen. Mir wird anders- was bedeutet das? Renata mutmasst richtig: Der junge Kerl hat den Kindern angekuendigt, ich wuerde fuer alle Suessigkeiten kaufen. Ich nehme erstmal mein Geld wieder an mich und man haelt mir einen Karton voller Riegel hin, er koste nur 4,5 Pfund (etwa 1 Euro). Das ist sehr billig, ich sage also zu und man meint, es seien so viele Kinder, ich solle doch einen zweiten Karton kaufen. So haben wir nicht gewettet! Ich lehne ab und reklamiere, wir seien schliesslich eingeladen, was man sichtlich indigniert zur Kenntnis nimmt.

Die Kinder packen die Riegel aus den Aluminiunfolien aus und werfen die Verpackungen sofort zu Boden, ohne Scham und ohne zu Zoegern.

Dann sehe ich einen Knaben an meinem Fahrrad hantieren und will es holen, aber unser Zugeteilter springt auf, nein!, das werde er holen. Wie verduzt bin ich, als er sich einfach in den Sattel schwingt und faehrt, dann die Ruecktrittbremse sucht und fast auf die Zeltstange faehrt, nur der weiche Sand bremst ihn. Waere das Rad jetzt beschaedigt, er koennte mir den Schaden nie bezahlen. So langsam wird uns das alles zu bunt.

Die Kinder umlagern uns wie eine Traube, ich mache Bilder und zeige sie ihnen auf dem LCD-Schirm der Digi, was grosse Freude ausloest. Aber jetzt fangen die Kleinen an zu nerven: Mister! One pound! Mister ! Give me ten pound! betteln sie unverfroren und kein Erwachsener Mann greift ein.

Von hinten nervt der Radbefummler, ich solle ihn doch fahren lassen. Ich sage mehrmals freundlich und klar nein, aber der Dreiste faehrt fort, bis ich ihn frage, ob er etwas in den Ohren hat, oder er ein "No" nicht verstuende. Nach mehr als zwanzigmaligem Fragen (unser Zugeteilter ist verschwunden), reicht es uns und wir gehen, etwas sauer, ziemlich genervt und auch enttaeuscht, dass wir selbst auf einer Hochzeit hauptsaechlich als Money-Maschine angesehen werden. Wie gerne waeren wir bis zum grossen Essen geblieben und haetten etwas mehr von der Tradition mitbekommen, z.B. Renata bei den Frauen.

Renata haelt ein Auto an und ich fahre mit dem Rad zum Camp zurueck. Unser Hausherr entschuldigt sich fuer die Umstaende.

Wir gehen zum Camp Sheik Musa und ich schreibe Eintraege und dann sehen wir den Aufbruch des Brautkorsos. Die junge Frau darf nicht fotografiert werden und huscht von der Haustuere ungesehen in ein buntgeschmuecktes Auto, waehrend dutzende lauthupender Autos (wie in Deutschland) sich gegenseitig wegdraengelnd hinter dem Wagen herfahren.

Wir wollen die naechste Nacht nicht mehr im stickigen und mueckenverseuchten Zimmer schlafen und bauen unser Zelt unter einem Runddach hinten im Garten bei den jungen Olivenbaeumen auf.

Waere da nicht der stundenlage Disput zwischen Kari und ein paar Fuechsen in der Nacht, wir haetten gut geschlafen.

geschrieben am 10.5. in St. Catherine und am 17.5. in Suez


 


  Team Login

© biketour4goodhope