5/12/2003 Aegypten / Wadi Sidri, ca. 15 km vor Abu Rudeis
Noch ein totes Meer
Weiterfahrt zur Kueste
(Harald und Renata) Es ist morgens kuehl und die schoenste Zeit des Tages. Ich sitze mit Kari an einer der vielen Dattelpalmen, die hier in allen Groessen und Formen, auch in buschartigen Gruppen wachsen. Viele Voegel zwitschern, u.a. mein Lieblingsvogel, dessen Namen ich nicht kenne. Sein klares, einfaches Floeten, seine eindeutige Silhoette, vor allem seine bunten, schillernden Farben heben ihn deutlich von seinen Artgenossen ab. Ein Ameisenloewe hat einen Trichter vor dem Zelt gegraben. Dieses Raubinsekt graebt einen ca. drei, vier Zentimeter tiefen Trichter in den Sand und wartet unter demselben darauf, selbst voellig eingegraben, dass ihm Vibrationen am Rande des Trichters ein Opfer verkuenden. Dann graebt er blitzschnell Sand unter sich, so dass die Trichterwaende anfangen einzufliessen und das Opfer in den Trichter gleitet. Dort unten erwarten es dann die grossen Zangen des unsichtbaren Tieres. Ich habe das Tier am Toten Meer bereits ausgegraben und fotografiert. Ringsum ragen fast senkrecht die Felswaende des Wadicanyons fast 100 m empor, die braunen Steine werden gerade durch die ersten Sonnenstrahlen rostfarben getoent. Jetzt ist Wachabloesung von Muecken und Fliegen. Letztere sind eine nervende Plage in der Wueste. Mitten im Nowhere sind sie praesent, selbst bei 25 km/h kann man ihnen nicht davonfahren. Dann fuchteln wir mit einer Hand vor dem Gesicht herum, weil sie sich auf Lippen und in die Augenwinkel setzen. Sie saugen derart stark mit ihre Ruesseln, dass man sich gestochen glaubt. Seit dem Grenzuebertritt in Taba hat sich zu den stubenfliegenartigen noch die einzeln angreifende Kamelfliege gesellt, ein braun-olivfarbenes Tier, aehnlich einer fliegende Spinne, enorm schlagresistent, selbst nach zweimaligem Klatschen fliegt es munter und geraeuschlos weiter. Kari spielt in Ermangelung anderweitigen Spielzeuges mit einer der nur nachts krabbelnden, ca. zwei cm grossen, schwarzen Ameisen. Sie laufen langsam und einzeln. Die fast genauso grosse, aber schlankere Art, schwarz und aesserst schnell, die tagsueber unterwegs ist, hebt bei Hitze den Hinterleib empor. Kurios ist eine metallfarbene Ameise, die wie mit Silber uebergossen aussieht und unglaublich schnell laeuft oder sich vom Wind weiterkullern laesst- eine Fortbewegungsart, von der ich noch nie gehoert habe. Beim Fruehstueck sind wir weiteren Versuchen ausgesetzt, uns irgendwie Geld aus der Tasche zu ziehen. Wir fahren weiter bergab, erst eine kleine Bodenwelle beendet diese laengste, wenn auch sehr flache Abfahrt unserer Reise: ca. 80 km lang ging es seit St. Katharina abwaerts! Leider haben wir nicht viel davon, denn auch heute presst uns ein Gegenwind auf die Saettel und wir treten mit aller Kraft vorwaerts, den Wadi Feiran Richtung Kueste. An einem Laden neben einer Schule machen wir kurz Halt. Wie ueblich gefaellt den Leuten, dass wir Deutsche sind und man bittet uns, dass wir uns die Schule ansehen. Ca. 180 Kinder jeden Alters werden hier unterrichtet. Es gibt auch ein paar Computer, besonders benutzt sehen sie und der Raum allerdings nicht aus. Im Flur haengen Agitationsbilder von Praesident Bush jun. und Ariel Sharon, die mit Affen verglichen werden, Bilder vom Leiden der Palaestinenser und Bin Laden, der Mr. Bush sucht, "tot oder lebend". Mein Einwand, dass sowetwas nicht in deutschen Grundschulen auf dem Flur aufgehaengt wird, scheint niemanden sonderlich aufzuregen. Wir erreichen am Mittag den Checkpoint an der Strasse nach Sharm El Sheik. Ab hier wird wieder gehupt, vorbei ist es mit der freundlichen, gruessenden Beschaulichkeit der Beduinenfahrer. Zu den weissen Toyotas, Datsuns und Chevrolets gesellen sich jetzt viele Grossbusse und LKWs mit ihren infernalischen Tankerhoernern und man faehrt uns wieder ganz nah auf die Pelle. Im Resthouse an der Abzweigung machen wir Pause. Kari eilt uns voraus, direkt in den klimatisierten Raum hinein und auf den Gebetsteppich eines der Gaeste: Sakrileg!- und mir ueberaus peinlich, denn eigentlich muesste der Mann seinen Ritus jetzt komplett neu beginnen. Auf der Terrasse rauft sich Kari dann mit ein paar Wuestenhunden, die wie australische Dingos aussehen- mit dem Hund wird es nie langweilig. Am Abend erreichen wir dann endlich die Kueste des Golf von Suez, der zum Roten Meer gehoert. Hier stehen Oelpumpen, Foerdertuerme und eine Raffenerie, die von der Polizei in Wachtuermen abgesichert wird. Wir suchen einen Zugang zum Strand, der ueber und ueber mit Abfall verschmutzt ist, raeumen uns ein paar Quadratmeter frei davon, schaffen eine ebene, waagerechte Flaeche und bauen im heftigen Wind das Zelt auf. Ich gehe schwimmen, obwohl das Wasser irgendwie faulig riecht und alle Steine unter Wasser gruenlich ueberzogen sind. Hier lebt nichts mehr, tote Korallenstuecke liegen im Sand und kein Fisch schwimmt im flachen Wasser. Renata und ich sammeln jedoch wunderschoene Muscheln und Schnecken und es ist auch in der Nacht sehr ruhig. Spaeter erfahren wir vom Anschlag in Riad, der saudischen Hauptstadt. Das wird weitergehen, solange wir beharrlich die Probleme ignorieren, die sich aufgetuermt haben. geschrieben am 23.5. in Kairo
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