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Reisetagebuch

5/13/2003   Aegypten / Bir Thal- ca. 25 km hinter Abu Zenima

Der kleine Steinewerfer

Entlang der Kueste und in die Berge

(Harald und Renata) Wir stehen vor Sonnenaufgang auf und bauen ab. Im Golf sehen wir eine Bohrinsel und am gegenueberliegenden Ufer brennen Gasfackeln, auf dem Meer stehen Tanker.

Der Wind bleibt unser treuester Begleiter- stets aus 10 bis 12 Uhr blasend, zwingt er uns, grosse Teile der Strecke zu schieben. Kaum auf der Strasse, geht auch das Hupen wieder los. Radfahren aehnelt, vor allem bei Belastung, einer Meditationsuebung. Man senkt den Blick auf die Fahrbahn, konzentriert sich auf die Trittfrequenz und beginnt zu sinnieren. Wenn dann eines der Signalhoerner direkt neben einem losgeht, liegt man fast im Graben. So mancher Fluch entfleucht da unseren Lippen...

Troestlich ist, dass der Wind den Schweiss trocknet und kuehlt. So registriert man allerdings auch kaum, dass man viel Fluessigkeit verliert. Nachdem man dann den Tag ueber ca. 5- 7 Liter getrunken hat, ohne die Blase zu entleeren, wird einem klar, das man trotzdem zu wenig trinkt.

Mit flotten 8-10 km/h flitzen wir nur so dahin. Die Berge der Wueste sind hier nur noch Erhebungen, weite Sandflaechen erstrecken sich nun rechts von uns. Kommt man den Felsen nahe, so strahlen sie eine gluehende Hitze aus.

Wir erreichen Abu Rudeis, einen kleinen verschlafenen Ort, der seine Existenz den Raffinerien und dem Militaer verdankt. Hier machen wir Fruehstueckspause im Schatten und kaufen Brot und Saft und Wasser. Dazu gibt es eine Tuete lauhwarmer Pommes Frites und Falafel, die oelgebackenen Gemuesebaellchen.

Dann wieder auf in die Hitze, in den Wind. 25 km weiter, die Beine werden schwer, Schmerzen stellen sich ein. Jede Pause ein Genuss, heisses Trinkwasser ein Retter.

So auch am naechsten Checkpoint der Polizei. Zwar werden die Ausweise kontrolliert, aber letztlich ist es muede Routine und wir schlaengeln uns durch die betongefuellten Oelfaesser und fahren ueber die Einbahnkrallen in der Fahrbahn.

Naechster Halt: Abu Zenima. Renata ist mir voraus und sitzt schon auf einer Terrasse. Eine Kindergruppe bettelt sie an, vorallem ein kleiner, aermlicher Bengel, seine Schwester steht dabei. Der Restaurantmitarbeiter will die Kinder verscheuchen, aber sie sind frech, lachen ihn aus und setzen die Quengelei fort, bis Renata etwas deutlicher wird. Als auch das nichts fruchtet, versucht sie, die Kinder zu ignorieren und dafuer fliegt ein dicker Stein, hinter ihrem Kopf prallt er an die Wand. Renata springt auf und faengt den schuldigen Bengel am Arm, gerade als ich eintreffe. Die Schwester tut ebenfalls mit, versucht ihren Bruder zu befreien. Der Bengel schreit hysterisch und weint, wirft sich zu Boden, so dass Renata ihn laufen laesst. Ich folge dem Duo um die Ecke. Hier, in einer engen Gasse, leben ein paar Beduinenfamilien unter erbaermlichen Umstaenden. Zwei Maenner amuesieren sich gerade ueber unsere Story, aber ich hebe einen Stein auf und erklaere, als den Beiden das Grinsen im Gesicht einfriert, so fuehle man sich, wenn jemand mit einem Stein vor einem stehe.

Dann sehe ich das Duo in einer Tuere verschwinden, das Maedchen hysterisch kreischend, als ob der Teufel selbst erschienen sei. Mehrere Maenner erscheinen; sie erklaeren mir die stets gleiche Story: "... just a lttle boy." Nein, sage ich, ein Stein ist kein Spass und der Junge macht nur, was er gelernt hat und ich entschuldige nicht!

Als ich bei Renata wieder auf der Terrasse sitze, erscheinen zwei Muetter mit Soehnen. Der eine war zwar dabei, hat aber keinen Stein geworfen. Er weint vor Angst, als er vor uns stehen muss. Der Zweite ist der Uebeltaeter und seine Mutter setzt vor unseren Augen ein paar Backpfeifen, bringt den Jungen weg und kommt noch einmal zurueck, um sich ausdruecklich zu entschuldigen. Das Aufeinandertreffen unserer so unterschiedlicher Welten kann nie reibungslos vonstatten gehen.

Erst um 16.30 Uhr erlaubt uns die Hitze weiter zu fahren. Es geht in die Berge und eigentlich wollen wir Hammam Faraun erreichen, eine kleine Strandoase, die uns Richard und Petra empfohlen haben. Es geht bergauf, schieben, sich dem Wind entgegenstemmen, die Felsen strahlen uns die Hitze ins Gesicht, der Schweiss rinnt uns den Koerper herunter.

Ueber die Strasse kriecht flink eine Schlange. Ich lasse das Rad fallen und versuche das Reptil zu fangen, indem ich den Schwanz mit dem Hut fasse. Aber es ist zu schnell, verschwindet in Bodengewaechsen. Ich finde es wieder, erfasse den Schwanz mit blosser Hand, denn die uni-sandfarbene Haut und der natternartige Kopf, der ansatzlos in den Koerper uebergeht, kennzeichnet eine ungiftige Art. Trotzdem versucht mich das etwa 60 cm lange Tier zu beissen und ich lasse es gehen. Zu gerne haette ich eine Aufnahme gemacht.

Wir passieren eine Wasserstelle, Bir genannt. Unsere Kraft ist zu Ende, weshalb wir einen Zeltplatz ca. 50 Meter rechts der Strasse in einer ca. 2 Meter tiefen Rinne suchen.

So einen heftigen Wind wie heute, hatten wir beim Zeltaufbau noch nie. Schon einmal hat uns der Wind ein Glied der zwei Zeltspannstangen verbogen, braeche eine solche Stange, koennten wir das Zelt nicht mehr aufbauen. Kaum sind wir mit dem Aufbau fertig, laesst der Wind nach- herzlichen Glueckwunsch!

Wir falten unsere Decke und sitzen auf dem Rand der Rinne und essen unser karges Abendmahl. Dann beziehen wir Quartier im Stoffhaus, voellig erschoepft.

geschrieben am 24.5. in Kairo


 

 

 

 

 

 


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