5/24/2003 Aegypten / Kairo
Schutzgeld
Am Abend in der Metropole
(Harald und Renata) Wir sind in der dritten Etage untergebracht, trotzdem finden die Muecken den Weg zu uns. Und keine Chance die Biester alle zu erwischen, bei den hohen Decken. Es gehoert schon eine gewisse Gelassenheit dazu, sich im Wissen, spaeter wieder durch juckende Stiche aufzuwachen, diese mit einem Mittelchen einzureiben und dann wieder weiterzuschlafen, in der Hoffnung, dass die fliegenden Minidraculas jetzt satt sind. Als wir morgens vor die Haustuere treten, verkuendet uns einer der beiden Tuersteher, ich solle diesem Mann- er deutet auf seinen Kumpel- ab heute jeden Tag 3 Pfund bezahlen, weil er auf unsere Fahrraeder aufpasst. Erst denke ich, ich verstehe ihn falsch, zu dreist um wahr zu sein. Dann verstaendige ich den Inhaber unseres bescheidenen Etablissements und der klaert das kurzerhand. Auf dem kurzen Weg von der Pension zum Internetcafe liegt eine Baeckerei mit koestlicher Auslage. Eine grosse Auswahl von Aniszwieback, Sesamstuetchen, Schokoladencroissants, Sandplaetzchen u.ae. macht einem die Wahl zur Qual. So viel unserem Geschmack Entsprechendes haben wir seit Monaten nicht mehr auf einmal gesehen. Im Netcafe arbeitet ein Suedsudanese, eindeutig kein Araber, dunkelbraun und ein ruhiger, freundlicher und humorvoller Bursche aus der Stadt Rokon. Er dementiert die aelteren Meldungen ueber Buergerkriegszustaende dort. Aber- wir fahren sowieso nicht in den Sueden, sondern von Khartoum aus nach Addis Abeba, also nach Westen. Ich verbringe viele Stunden im Netcafe, schreibe Eintraege, brenne Foto-CDs. Am Abend ist hier auf den Strassen der Teufel los! Bis tief in die Nacht flanieren die Menschen ueber die Gehsteige der City der 15-Millionen-Einwohner-Stadt, die Geschaefte sind lange geoeffnet, ueberall Strassenverkaeufer, die alles moegliche anbieten, von Kleidung, Lederguerteln, Schuhen ueber Telefonen, Brillen, Feuerzeugen und Buersten, bis zu allem moeglichen Essbarem. Dazwischen sammeln Kinder und Maenner mit Handkarren Abfall, sitzen auch Bettler und ueberall ist eine Menge Polizei praesent, mehr noch als in Damaskus. Wir haben es in Aegypten jetzt schon mehrfach gehoert und es stets bestaetigt gefunden: Touristen haben hier hoechste Prioritaet. Wer hier einem Touristen Schwierigkeiten macht, wird sofort von anderen Passanten aufs Korn genommen und auch Kinder, die uns sonst so energisch anbetteln, haelt man uns vom Leib. Die Menschen erschrecken sich hier oft genauso ueber unseren Hund, wie z.B. in Syrien, aber wir werden deswegen nicht belaestigt wie dort. Nur zweimal flog ein Stein wg. des Hundes- einmal in St. Cathrine und einmal auf dem Weg an der Westkueste. Wir fuehlen uns hier geradezu privilegiert und sehr sicher. Von einer Anti-Touristen-Stimmung ist nichts zu spueren. Aber wir wissen: Unter der Oberflaeche brodelt es- gegen Israel, gegen Amerika, gegen England. Und trotzdem wird den zahlreichen Touristen aus diesen Laendern, denen wir hier im Netcafe und auf der Strasse begegnen, freundlich und korrekt entgegengekommen. Die Maenner begruessen sich hier sehr herzlich, man umarmt sich, klatscht sich die flachen Haende, kuesst sich auf die Wangen. Hoeflichkeit allerorten, immer ein Laecheln auch fuer uns, wenn wir ein paar Worte Arabisch einstreuen, stets ein "wellcome in Egypt". Die Innenstadt wird sehr sauber gehalten, wenn man auch nicht in die Hinterhoefe schauen darf. Renata hat bzgl. der Sauberkeit ihre eigene Theorie. Sie meint, das sei Folge der maennerdominierten Kultur. Formel: mehr Macht den Frauen= mehr Sauberkeit. Ich habe mir angewoehnt, einfach nicht immer so scharf hinzusehen, alles andere frustet sonst nur. Die gleiche Toleranz ist angeraten, wenn man sich durch den Verkehr bewegt. Saemtliche Taxis sind voellig verbeult und zerkratzt, auch kaum ein Privatwagen, der keine Karambolageschaeden aufwiese. Nimmt man die staendigen Angriffe auf Leib und Leben persoenlich, kommt man aus dem Aergern nicht mehr heraus. Der Mann, der die Bezahlung fuers Aufpassen bekommen sollte, laesst uns nicht mit Hund im Aufzug fahren- weil er Angst vor dem Hund hat, oder aus Revange, bleibt offen. Auch egal, wir sind fit genug. Im Zimmer spendet uns der Ventilator dann etwas Kuehle und die schwarzen Blutsauger warten schon auf ihr Abendessen... geschrieben am 26.5. in Kairo
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