5/28/2003 Aegypten / Kairo
Menschgemachte Berge
Im Diplomatenviertel / Auf dem Kairotower / You need a guide?
(Harald und Renata) In der Nacht ist es im Zimmer stickig und heiss, wir schlafen ohne Decke. Nachts "kuehlt" es sich auf etwa 25 Grad ab, aber die erreichen uns nicht, denn bei offenem Fenster wachen wir durch die Mueckenstiche staendig auf. Unser Zimmer liegt neben der Rezeption und bis 3 Uhr morgens diskutieren hier die Maenner ueber Politik. Zwischen diesen lebhaften Gespraechen und uns liegen nur duenne, weiss-lackierte Glasscheiben in einer Tuere. Deshalb wechseln wir das Zimmer und haben als Dreingabe auch eine Klimaanlage, was gerade mal 80 Cent mehr kostet. In der Baeckerei neben dem Hotel kaufen wir Gebaeck ein und setzen uns dann zum Fruehstueck in eines der Strassencafes. Die Gassen sind so eng, dass hier staendig Schatten herrscht. Fuer kleines Geld kann man hier Tee oder Lemon trinken. Dieses Getraenk wird hier auch auf Tabletts von fliegenden Haendlern auf der Strasse angeboten: Gruene Limonen mit Zucker und Wasser schaumig geruehrt- herrlich erfrischend. Wir fahren mit dem Taxi ueber eine der zahlreichen Bruecken auf die grosse Nilinsel El-Gezira, ins Diplomatenviertel. Hier ist alles gruen und weitraeumig. Aber der Verkehr stockt und wir steigen aus und gehen zu Fuss weiter. Die deutsche Botschaft hat, entgegen einer uns gegebenen Auskunft, schon geschlossen. Und morgen ist Feiertag, dann ist Freitag, hiesiger Feiertag und dann folgt Samstag, da ist sowieso zu. Na, herzlichen Glueckwunsch! Wir steuern den Kairotower an. 1961 von Aegypten gebaut, 187 Meter hoch, samt rotierendem Restaurant. Und fuer hiesige Verhaeltnisse teuer. Aber eben einmalig, ein Muss. Nur Kari darf mal wieder nicht hinein- zu gefaehrlich heisst es. An einen Tisch im schattigen Gartenlokal am Fusse des Turms angebunden, muss sie ausharren. Die Aussichtsplattform in etwa 160 Metern Hoehe bietet einen weiten Blick ueber Kairo und Gizeh, die Stadt auf der anderen Nilseite. Die beiden Staedte sind lueckenlos zusammengewachsen, nur der Fluss markiert noch eine Grenze. Und unerwartet sehen wir sie, im Schleier der Abgase, in der Ferne im Suedwesten, am Rande der Stadt und der Wueste stehen, wie ein Traumbild: Die groessten Pyramiden der Welt, ca. 4500 Jahre lang die groessten Gebaeude, die Menschen je geschaffen haben. Mir stehen die Haare zu Berge. Die beiden grossen, die Chefren- und die Cheopspyramide, sind heute noch ca. 140 Meter hoch. Schauen wir vergleichend vom Turm hinunter, wird uns die gigantische Dimension klar. Am Nilufer stehen Hochhaeuser, am Fusse des Turms sehen wir grosse Gruenanlagen mit einem Dutzend Fussballplaetzen, mehrere Schwimmbaeder, seltsamerweise alles fast leer. In den Parkanlagen kaum ein Mensch. Soviel Platz hier, soviel Enge dort. In der Ferne liegt die Zitadelle am Hang von Huegeln, darunter stehen die beiden grossen Moscheen der Stadt, El-Hassan und El-Hakim. Der Nil ist kaum befahren, am Ufer liegen ein paar Ausflugsschiffe und einige nicht fahrtuechtige Schiffsimitationen, die Restaurants beherrbergen. Wir gehen ueber die grosse Bruecke, zwischen zwei Loewenstatuen hindurch zurueck. Hier liegt ein grosser Verkehrskreisel und mittendrin eine riesige Grasflaeche- Kariparadies! Sie sprintet los, schlaegt Haken, waelzt sich, reibt die Wangen und Seiten im Gras und setzt sich in eine kuehle Pfuetze voller braunem Schlamm. Meine Kaempfe mit ihr unterhalten einmal mehr dutzende Zuschauer, die fasziniert und unglaeubig sehen, wie ein Hund einen Menschen zigmal in Arme, Haende und Beine beisst, ohne das es wehtut. Hier, im Herzen der Stadt, lauern die "guides", junge Maenner, die Touristen in Englisch oder auch Deutsch ansprechen, ganz freundlich, Komplimente machen, etwas erklaeren, auch vor hohen Preisen warnen und irgendwann mal auf den Punkt kommen, dass man einen Guide brauche, einen Fuehrer, der einem alles zeigt und alles erklaert, Ausfluege organisiert und vor zu hohen Ausgaben bewahrt. Natuerlich alles kostenlos, "money no! No problem". Sie haben zufaelligerweise samt und sonders eine deutsche Freundin (die halt gerade nie da ist, lebt ja in Deutschland, wie auch ein Onkel/Cousin/Bruder etc.), und alle waren sie in Deutschland. Studiert haben sie auch alle und frech sind sie, sehr freundlich natuerlich, aber immer etwas dreist-unverschaemt, ruecken sie einem immer naeher auf die Pelle und stellen alsbald Fragen, erzaehlen Dinge, die man nicht hoeren will, benutzen Worte, die man nicht mag. Stets gibt es Komplimente fuer Renata (kann ich ja verstehen), dann nehmen sie sich etwas heraus, was hier gesellschaftlich streng verboten ist, aber es sind ja Touristen. Und nie hoeren sie zu, wenn man selber etwas erzaehlt, auch nicht, wenn sie danach gefragt haben. Was nicht dem Buisness dient, faellt durch den Interessefilter. Wie auch die vielen Animierer auf der Strasse, nutzen sie die Scheu der Touristen, die im Ausland freundlich sein moechten (vielleicht hat man ja etwas missverstanden!), die einer Freundlichkeit nicht unfreundlich begegnen wollen, sich immer laenger verstricken. Je laenger ein solches Gespraech dauert, desto schwerer faellt es, es zu beenden, der Mann hat ja schon soviel erklaert und Zeit investiert... Ich habe mir deshalb angewoehnt, zwar freundlich ein oder zwei Fragen zu beantworten, dabei aber einfach immer weiter zu gehen. Folgen sie einem beharrlich, ist eine Lawine von "Schukran" (Danke) faellig, immer weitergehen, "La"(Nein), Schukran. Wir haben Reisende getroffen, die damit nicht klarkommen, boese werden oder den Kopf senken und so tun, als ob sie nichts gehoert oder verstanden haetten. Die Maenner bedienen in 95 % aller Faelle in den Geschaeften, auch bei Damenunterwaesche und Reizwaesche, die hier in zahlreichen Auslagen gezeigt wird. Es gibt nur vereinzelt mal eine verschleierte Frau, wie in Damaskus. Allerdings tragen fast alle Frauen Kopftuch, wenn auch oft enge Kleidung, Hosen, hohe Schuhe, deftige Schminke. Ausschnitte und blosse Arme sind allerdings verpoent, Haendchenhalten sehr selten, Arm in Arm geht niemand, ausser Maenner untereinander, einen Kuss haben wir nie gesehen. Am Abend gehen wir in einen Imbiss, essen Sandwiches mit Curryhuhn und French Fries=Pommes de frites. Die Klimaanlage ist herrlich, eine lohnende Investition. Die daumengrossen Kakerlaken treten wir tot, da wird nicht viel Aufhebens drum gemacht. geschrieben am 31.5. in Kairo
|