6/21/2003 Aegypten / Kairo
Renata im Regenbogen
Besuch des Suks und einer Moschee / Kinderarbeit
(Harald und Renata) Wir besuchen die El-Azhar-Moschee in der Altstadt. Hier halten viele Touristenbusse und die Guides treten sich auf die Fuesse. Auch diese Moschee besticht durch ihre Symmetrie und feine Pracht. 970 erbaut, z.Zt. der Fatimiden (aus Tunesien). Sie ist eine der einflussreichsten Moscheen Aegyptens, weil hier eine Universitaet eingegliedert ist, deren Oberhaupt grossen Einfluss auf die Politik hat. U.a. von hier gingen die studentischen Proteste gegen den Irakkrieg im Maerz aus. Auch hier machen viele muede Haendler ein Siestaschlaefchen. Dann laeuft der Muezzin durch die Reihen der Schlaefer und weckt zum Gebet. In einem Nebenraum steht der Steinsarg eines Heiligen, dessen Silber-Metall-Glasumbau die Glaeubigen kuessen- obwohl solche Verehrung einer Anbetung gleichkommt und lt. Islam nicht vorgesehen ist. Gleiche Anbetung erfahren auch der Prophet Mohammed und seine Familienmitglieder und Nachfolger. Aber auch die Christen umgehen ja mit der Marien- und Heiligenverehrung die Ausschliesslichkeit einer Gottesanbetung. Renata wartet vor der Moschee. Eine alte Strassenhaendlerin hat ihr ein paar Koerner angeboten, die man in der Hand walzt, um die duenne Schale abzupellen. Wie in der Tuerkei und Syrien werden hier allerorten und zu fast jeder Zeit Koerner gekaut. Geschickt wirft man sich gleich ein paar in den Mund und mit der Zunge werden diese dann hochkant zwischen die Vorderzaehne geschoben, geknackt und die Schale ausgespuckt. Die Schalen zieren dann die Fussboeden und Gehsteige. Die Haendlerin isst den Rest der Koerner, obwohl Renata sie endlos in den Handflaechen gerollt hat- hier ist man Schlimmeres gewohnt. In der naechsten Moschee muss Renata sich "covern"- ein weiter Umhang verbirgt Haare und Koerperumrisse und freie Hautpartien. Ausserhalb der Gebetszeiten kann sie sich frei in der Moschee bewegen. Am Eingang gibt man die Schuhe ab- fuer die dort taetigen Maenner eine schoene Geldquelle, denn die neuangekommenen Touristen zahlen irrtuemlicherweise dafuer, obwohl es fuer Moscheen weder Eintrittsgelder noch Gebuehren fuer abgestellte Schuhe gibt. Das Geld fliesst auch nicht den Moscheen zu, wie behauptet wird. Frech verlangt der Schuhannehmer von uns fuenf Pfund- ein halbes Tagesgehalt fuer Aushilfskraefte! Wir geben 50 Piaster, also ein halbes Pfund. Ein Guide, der sich stets als Mitarbeiter der Moschee ausgibt, zeigt uns dann, was wir selbst sehen koennen. Aber er singt schoen, um die Akustik zu demonstrieren. Seine Eile, sein Aermelgezupfe nerven. Am Ende verlangt auch er natuerlich zuviel Geld. Renata und ich geniessen es, auf den Teppichen in den Moscheen zu sitzen, waehrend die Ventilatoren ueber uns surren. Durch die kleinen Oberlichter faellt durch das bunte Glas Licht wie aus einem Prisma auf Renata- mystisch schoen. Die tiefe Religioesitaet beeindruckt mich immer wieder. Fuenfmal taeglich zur Moschee zu gehen, nachts um vier Uhr aufzustehen, die Gemeinschaft der vielen Betenden- all das macht einen nachhaltigen Eindruck auf mich. Wir streifen weiter durch den Suk und kaufen einen Holzkasten, der mit Perlmutt verziert ist. Nach und nach finden wir die kleinen bis kleinsten Fabriken, in denen diese aufwaendig gemachten Kunstwerke entstehen: Eine Schreinerei, eine Lackiererei. Hier arbeiten viele Kinder, ca. 10 Jahre alte Jungs, voller Kleber und Staub, zehn Stunden am Tag fuer etwa einen Euro. Maenner kosten das Doppelte. Nur durch solche Hungerloehne sind aber die Spottpreise dieser Kaesten zu erklaeren, denn die hunderte winziger Perlmuttstueckchen werden von Hand einzeln aufgeklebt. Wir zahlen fuer das gute Stueck 40 Pfund- ca. 6 Euro! Kinderarbeit ist hier weit verbreitet: Keine Autowerkstatt ohne Jungs, kaum ein Restaurant, Tankstelle ohne die, meist in Lumpen gekleideten, Buerschchen. Nur so kommen die Familien ueber die Runden. Weniger Arbeitslose, hoehere Loehne fuer die Maenner, mehr Bruttosozialprodukt wuerden die Kinderarbeit ueberfluessig machen. Und natuerlich weniger Kinder- aber wer versorgt in diesem Land dann die Alten? geschrieben am 29.6. in Kairo
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