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Reisetagebuch

6/25/2003   Aegypten / White Desert

White Desert

Ein seltsamer Zufall und die Weisse Wueste

(Harald und Renata) Um 8 Uhr frueh: Osama am Fenster! Dreist schaut er sich die schlafende Renata an, er suche Sayeds Walkman. Als ich aufstehen will, flitzt Renata nach draussen und beruhigt den Irren. Der muss Extasy genommen haben, ansonsten waere er doch todmuede!

Als wir nach einem, sagen wir mal, schlichten Fruehstueck aufbrechen, will Osama wieder mit. Wieder Diskussionen, erneute Abfahrt unter Geschimpfe des zurueckbleibenden Terroristen.

Es geht durch die Wueste, die Stimmung ist gedrueckt. Einerseits tut er einem leid, andererseits moechte man ihn am liebsten mit einem nassen Handtuch erschlagen.

Aber als wir die Schoenheit der Wueste nach und nach in uns aufnehmen, kommen wir zur Ruhe.

Diese Wueste nennt sich Black Desert, weil hier auf dem hellbraunen Sand schwarze Lavastuecke liegen, wie Mohnstreusel. Und die wellige Ebene ist uebersaet mit hunderten kleiner Bergkegel, alter Krater, deren Spitzen meist mit schwarzem Basalt bedeckt sind.

Wir halten an einem der groesseren Kegel und besteigen in der Mittagshitze den steilen Huegel. Ein herrlicher Rundblick belohnt uns fuer die Muehe. Endlich Ruhe!

Weiter geht es Richtung Suedwesten, tiefer in die Wueste. Wir halten an einem kleinen Restaurant. "Salem aleikum"! Kaum sitzen wir, faellt mir ein junger Beduine auf, der auf dem teppichbedeckten Boden sitzt und einen maladen Eindruck macht. Sein Vater erklaert, er sei von einem Skorpion gestochen worden, als er draussen auf dem Boden seinen Mittagsschlaf gehalten habe. Der Skorpion ist ihm in die Armbeuge gekrabbelt und als der junge Mann aufschreckte, stach das Tier zu.

Ich greife mir meinen Rucksack, denn ich habe die Giftpumpe wohlweislich mitgenommen. Ich erfrage Details: Vor zwei Stunden, ein mittelgrosses Tier, gruenlich. Das ist schlecht! Denn diese Art ist relativ giftig und zwei Stunden eine zu lange Zeit, um noch viel absaugen zu koennen. Die Innenseite des Oberarms ist roetlich verfaerbt, schwillt an, der junge Mann hat Schmerzen, schwitzt in Stroemen, aber der Puls ist noch normal. Renata zieht mit unserer Pinzette die abgebrochene Spitze des Stachels aus der Wunde. Wahrscheinlich hat sich der Junge auf den Skorpion gedreht und dabei den Stachel abgebrochen. Skorpiongifte wirken meist langsam, im Gegensatz zu vielen Schlangenbissen.

Ich sauge dreimal ab, nur wenig Gift ist noch unter der Einstichstelle, der Rest im Gewebe.

Warum man ihn nicht laengst ins Krankenhaus gebracht habe, frage ich. Kein Auto vorhanden. Warum kein Auto angehalten wurde? Seit zwei Stunden keines in diese Richtung gefahren. Wir sind in der Wueste, hier stirbt man aus solchen Gruenden. Ich draenge zum sofortigen Aufbruch mit unserem Auto. Unser Fahrer und Sayed wenden ein, dann wuerden wir nicht weiterfahren koennen. Ich bin ungehalten- wen interessiert jetzt noch der Ausflug? Wenn der Junge Kreislaufprobleme bekommt, ist mein Latein am Ende und bis zum Krankenhaus nach Bahariya sind es ueber 100 km, bis zum naechsten Serum in Kairo fuenf Stunden Autofahrt! Im Camp hat man uns erzaehlt, dass im letzten Jahr ein Sudanese an einem Kobrabiss gestorben ist, trotz Wundversorgung und Ambulanz.

Nach einer Stunde sind wir im kleinen Hospital in Baharya. Eine verschleierte Aerztin findet sich ein. Der Puls des Jungen hat sich beschleunigt, er sieht nicht gut aus. Die Aerztin fuehlt weder den Puls, noch schaut sie sich den Arm an, setzt eine Spritze zur Imunisierung. Erst auf mein Draengen gibt sie eine Spritze zur Kreislaufstaerkung.

Ich lege dem Jungen die Beine hoeher, hier bin ich der Einzige, der sich schneller bewegt. Nach einer Stunde geht es dem Jungen nicht schlechter und wir koennen ihn zurueckfahren. Aber unser Fahrer will die Tour beenden. Gut sage ich, dann gib das Geld fuer den Teil der Tour zurueck, den du nicht leistest. Aber der Mann sagt, ich haette ja nicht weiterfahren wollen. Ich bin erst sprachlos. Ich frage den Mann, ob er an meiner Stelle denn nicht geholfen haette und Sayed sagt ihm, ich haette schliesslich seinem Landsmann geholfen.

Schliesslich klatschen wir uns die Haende-Einigkeit, es geht weiter. Wir tanken auf und wir zahlen das Benzin, denn der Vater hat kein Geld, kauft uns aber allen eine Cola als Dank.

Auf dem Rueckweg sehen wir einen Wagen am Strassenrand. In der Wueste muss Jeder Jedem stets helfen. Wie gross das Erstaunen - Osama sitzt am Steuer! Der Mann macht seinem Vornamensvetter alle Ehre. Wieder Diskussionen zwischen Osama und dem Autobesitzer.

Wir aber fahren weiter. Ich denke noch: Der gibt nicht auf, das war noch nicht alles. Beim Rueckblicken sehe ich, wie Osama sein Gepaeck wuetend auf die Strasse schmeisst.

Wir setzen die beiden Beduinen am Restaurant ab, der Fahrer sammelt Holz und dann gehts weiter. Die Sonne geht schon unter, als wir in die zunehmend heller gefaerbte Wueste abbiegen. Hier stehen fantastische, skurile Kalksteingebilde inmitten des hellen Wuestensandes. Eine Szenerie wie auf dem einem fremden Planeten, unsere Herzen schlagen hoeher. Ja, es hat sich gelohnt, der weite Weg!

Wir rumpeln schaukelnd ueber viele Reifenspuren- wir sind nicht die einzigen Besucher, die hierherkommen. Aber heute sind wir alleine.

Zwischen drei fast weissen Huegeln schlagen Sayed und der Beduine das Lager auf: Eine Art Spanische Wand aus Holzstaeben und einer Decke wird als Wind- und Sonnenschutz am Auto festgezurrt, zwei Baumwollteppiche ausgerollt, vier Schlafmatten samt dicker Zudecken draufgeworfen, dann wird Feuer entzuendet, ein Rost darauf gestellt.

Der Beduine schaelt Kartoffeln, schneidet Tomaten in Blechkessel, waehrend ich die Gegend erkunde und Sayed und Renata eingeschlafen sind.

Ich finde eine Menge Spuren, aber keine von Schlangen: Fuechse, Maeuse, Geckos, grosse Kaefer muessen hier nachts verkehren.

Gegen Mitternacht hat Renata ein paar mitgebrachte Kerzen mit unseren Packtaschen so umgeben, dass der Wind sie nicht gleich wieder ausblaest, denn Sayed hat gestern Geburtstag gehabt. Und wir singen auf Deutsch "Alles Gute zum Geburtstag".

Dann essen wir mit Heisshunger gegrilltes Wuestenhuhn a la Beduin, samt Reis und Gemuesesosse.

Der Beduine schlaeft auf seinem Auto, vielleicht auch, weil man da oben vor dem Getier sicherer ist.

Als wir uns alle hingelegt haben, huscht in der Dunkelheit eine Maus um unsere Essensreste. Im Licht meiner Kopflampe erkenne ich eine Wuestenspringmaus, mit ueberlangem, behaartem Schwanz und kaenguruartigen Beinen, mit denen sie lustige Spruenge macht, als habe man sie in den Allerwertesten gepiekst. Und wie erstaunt sind wir, als das Tier nach und nach keine Angst mehr vor mir hat, immer naeher kommt, ich mich schliesslich mit meinem Gesicht bis auf wenige Zentimeter dem possierlichen Tier naehern kann. Und ich kann es mit Reis fuettern. Schliesslich aber packt sich die Maus die ganze Verschlusskappe der Wasserflasche voller Reis, der Doktor-Doolittle-Nummer ueberdruessig huepft sie davon.

Und wir denken an Seven.

geschrieben am 30.6. in Kairo


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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