7/12/2003 Aegypten / Kairo
Erstens kommt es anders...
Ein Traum geht in teilweise Erfuellung: Unser Zelt steht vor den Pyramiden.
(Harald und Renata) Wir brechen erst abends auf, denn wir wollen die Lightshow sehen. Diesmal wissen wir, wos langgeht und verfehlen den richtigen Weg zu den Pyramiden nicht. Gizeh unterscheidet sich nicht sehr von Kairo. Es fehlen die schoenen, grossen Plaetze, die riesigen Hotels, aber der Verkehr ist genauso moerderisch. Waere nicht jede Kreuzung Staugebiet, wir waeren schon laengst da. Aber so brauchen wir fuer die etwa 17 Kilometer fast anderthalb Stunden. Ich fuehle mich erneut erleichtert: Was fuer ein Unterschied zu dem klebrigen Geziehe mit dem Haenger! Wir naehern uns den Pyramiden aus der Innenstadt heraus- wie fast alle anderen Touristen auch. Die grossen Pyramiden lagen einst weit ausserhalb aller Siedlungen, sind aber vorallem in den letzten Jahrzehnten nahezu umbaut worden. Von drei Seiten sind sie von Strassen, Hotels und Wohnhaeusern umstellt. Schon weit vor dem Gelaende sprechen uns die Werber an: "Ride a camel? Wanna horse?" Auch hier bewacht die Touristenpolizei, die ja gleichzeitig die Polizei fuer Antiquitaeten ist, alle Zugaenge zum Gelaende und sorgt dafuer, dass kaum ein Tourist ohne "Fuehrer", d.h. auch nicht ohne Kamel oder Pferd ins Gelaende kommt. Dem des Reitens faehigen Besucher wird klargemacht, dass er ohne Reittier nicht zu den Pyramiden kommt. Das ist natuerlich Unsinn, denn sonst wuerde eine gebrechliche 80-jaehrige Dame die Pyramiden nur von Ferne sehen. Aber mit den Raedern duerfen wir am Haupteingang nicht hinein. Hier stehen die riesigen Dreiecke vor uns und zu ihren Fuessen die Sphinx. Ich bin noch nicht hier, kann es noch nicht ganz glauben. Auch am naechsten Zugang dieselbe, negative Auskunft. Hier ist der Eingang zur Lightshow- leider heute nur in Englisch, Spanisch und Italienisch kommentiert. Wir fahren zum letzten Zugang. Hier hat ein junger Oberleutnant das Kommando und er fragt und wir erzaehlen unsere Geschichte in kurzen Worten und er lacht noch mehr. Seinen Hinweis auf Skorpione und Schlangen quittieren wir mit: Haben wir selbst zu Hause (was ja stimmt, denn auf uns wartet, in Duesseldorf in guter Pflege, unsere Mitbewohnerin Pepe, eine kinderhandgrosse, sri-lankische Baumvogelspinne. Und spanische Skorpione habe ich auch schon gehalten). Wir sagen, dass wir die Raeder durch den Sand schieben und in der Wueste im Zelt schlafen werden. Der nette Kerl laesst uns passieren. Freudig erregt sind wir, denn es ist uns tatsaechlich gelungen, diesen Traum wahr werden zu lassen: Zelt vor Pyramiden. Wir muessen tatsaechlich bald schieben, der Weg ist versandet und fuehrt an einem Friedhof vorbei, durch eine uralte Mauer hindurch, dessen Durchgang mit einem kolossalen, viele Tonnen schweren Stein ueberdacht ist. Es geht rechts um die Friedhofsmauer herum und dann leicht aufwaerts, an einem kleinen Steinhuegel entlang. Als wir schliesslich parallel zu Standortachse der Pyramiden unter den steilen Felsen einen sandigen, ebenen Zeltplatz ausmachen, geht die Sonne hinter den Pyramiden unter. Mensch, was fuer ein Moment! So weit gereist, so lange unterwegs, angekommen. Wie oft haben wir von diesem Moment geredet, getraeumt, wieviele Reisen hatten dieses Ziel, ueber die vielen Jahrhunderte hinweg? Wenn es je ein erstes Touristenziel gab, dann dieses. Ueber 4600 Jahre stehen diese Denkmaeler, Grabbauten hier, trotzen der Sonne, der Hitze, dem Wind und dem Sand und den Menschen, die ihre Steine abtrugen und sich Zugang verschafften. Den Grabraeubereingang der Cheopspyramide sieht man deutlich schon von der Strasse aus. Bei Sonnenuntergang sitzen wir auf einem der neuen Betongraeber. Renata meint einen leicht suesslichen Geruch nach Verwesung auszumachen, was angesichts der kleinen Metalltuerchen, die einen Zugang zu den vielen groesseren Gruften ermoeglichen, jedenfalls erklaerbar waere. Scheu empfinden wir nicht, mit den tausenden von Toten zu unseren Fuessen. Die englischsprachige Lightshow sehen wir uns an, dann essen wir auf einem Stein (ich wollte auf dem Grab essen, aber Renata empfand dann doch vermehrt Pietaet). Im Halbdunkel tauchen zwei Polizisten auf Kamelen auf. Sie fragen, wir antworten, machen ein, zwei Scherze und dann fragt einer:"Backschisch?" Das zweite Mal, dass wir seit gestern von Polizisten nach Bestechungsgeld gefragt werden. Wir zoegern nicht lange, kramen 10 Pfund heraus. Aber der Eine hat dem Anderen die Annahme bereits ausgeredet und der lehnt dann ab und die Beiden reiten ihrer Wege. Wir ebnen den Standplatz, fegen trockenen Kameldung- und Pferdeaepfel zur Seite und bauen das Innenzelt auf. Vom Zeltfenster aus haben wir einen grandiosen Ausblick auf vier Pyramiden, sowie die Sphinx und eine der drei kleineren Pyramidenruinen vor der Cheops. Das wird ein Erwachen, ein Sonnenaufgang werden! Als wir zur Ruhe kommen, steht ein einzelner Polizist vor dem Zelt, ein junger Kerl, unfreundlich fordert er uns auf zu verschwinden. Wir weigern uns, der Mann kann sich nicht ausweisen und zwei beturbante Beduinen in schmutzigen Galabyas, die hinter ihm stehen, versucht er uns als seine Polizistenkollegen zu verkaufen. Wir argumentieren, Renata wird laut, ich mache "Schwai-schwai"- aber alles hilft nichts. Wir sollen, muede wie wir sind, abbauen, den Weg im Dunkeln zurueckschieben und, egal wo, unterkommen, nur nicht hier. Wir weigern uns und der Mann verschwindet, waehrend Renata den jungen Leutnant von Eingang holt. Am Ende erscheint ein voellig ausser sich geratener Polizeioffizier, ein hoher Dienstgrad, der stinkesauer ist, dass wir ihn zwingen, hier zu erscheinen. Ihm umringen-kein Witz!- 18 Polizisten. Der junge Leutnant bittet uns instaendig, ihn nicht zu "verraten", also auf ihn zu zeigen, als wir gefragt werden, wer uns den Zutritt erlaubt habe. Und wer uns kontrolliert habe. Wir schuetzen den jungen Offizier, genauso, wie wir nicht sagen, dass wir nach Backschisch gefragt wurden. Wir machen dem Herrn Leutenant-Colonel(Oberstleutnant) jedoch klar, dass wir rechtmaessig hier sind und uns ueberhaupt nichts vorzuwerfen haben. Aber wir muessen trotzdem abbauen und mit der ganzen Polizistenbagage geht es zurueck zum Eingang. (Verdammt kurze Nacht gewesen!) Dort erwarten uns nochmals 20 Polizisten. Was fuer eine Ehre, wir fuehlen uns wie Terroristen, Schwerverbrecher, sehr gefaehrliche Individuen. Waren wir nicht so muede, wir haetten noch mehr gelacht ueber diesen Affenzirkus. Ein Mann in Zivil faehrt uns zur Polizeistation voraus. Dort entwickelt sich, im Angesicht aller niedrigen Chargen und uns, ein Streit zwischen diesem Mann, offensichtlich ein hoher Dienstgrad, und dem Colonel. Wir gehen einfach raus, dass ist uns zu bloede, schaemen sich garnicht die Beiden. Der Zivilist haut dem Colonel auf die Tischplatte, gleich, so scheints, gehen sie sich an die Gurgel. Unwillkuerlich denke ich an die Szene aus "Midnightexpress", als der junge Amerikaner am Anfang des Films in Istanbul auf der Polizeistation war und eine aehnliche Szene mitansah. Am Ende schlug der Vorgesetzte sogar die Untergebenen- das zumindest, bleibt uns hier erspart. Nach Hin- und Her entschuldigt man sich bei uns mehrfach und ich soll ein Protokoll unterschreiben. Aber ich weigere mich, denn ich kann das Arabische nicht lesen. Der Colonel fragt mich, ob ich ihm unterstelle, er wuerde mich anluegen, wenn ich bezweifle, seine grobe Uebersetzung sei falsch. Niemals, natuerlich nicht, wie kommt er nur darauf? Aber -sorry- ich schreibe in Englisch meine eigene Version und unterschreibe diese. Am Ende bekommen wir die Paesse zurueck. Und jetzt? Wo, bitte schoen, sollen wir um 2.30 Uhr in der Nacht, jetzt schlafen? Ich will um die Pyramiden herum in die Wueste fahren und zelten, Renata nicht. Die Polizisten telefonieren, um uns ein preiswertes Hotel zu suchen. Vergeblich- unter 100 Pfund nichts zu machen (15 EU). Wir lassen die Raeder auf dem Hof der Polizei zurueck und fahren mit dem Taxi nach Down Town ins Tulip-Hotel zurueck. Als wir endlich schlafen gehen, ist es vier Uhr. Es ist vermalmedeit, zum Haareausreissen, verflixt und zugenaeht: Warum laesst uns Kairo nicht fahren? geschrieben am 13.7. in Kairo
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