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Reisetagebuch

7/25/2003   Aegypten / Kairo

Ein Jahr unterwegs

Was laesst sich sagen nach einem Jahr Dauerreise? Ein Revue-Passieren-Lassen:

(Harald und Renata) Jubilaeum! Wir sind ein Jahr von zu Hause fort, ein Jahr ohne festen Wohnsitz, Arbeit, Familie, gewohnte Umgebung. Es war ein Jahr mit vielen Hoehen und Tiefen, sicher das ungewoehnlichste Jahr unseres Lebens. Es mag seltsam klingen, aber wir haben uns daran gewoehnt, es ist unser Alltag geworden.

Als wir am 25.7.2002 losfuhren, hatten wir einen groben Zeitplan, der vorsah, Weihnachten in Jerusalem zu sein und noch im Winter durch den Sudan zu fahren. Das waere machbar gewesen, aber im Oktober haben wir uns in der Tuerkei eines Besseren besonnen. Besser, weil wir nicht mehr jeden Tag um die 100 Kilometer fuhren und somit zwangslaeufig an den schoensten Orten nur vorbeieilten. Auch war es bei dem Tempo nicht moeglich, wenigstens ein paar intensivere Kontakte zu knuepfen. Und wir sind beide kontaktfreudige Menschen, die ohne Freunde austrocknen wuerden. Da huelfen dann auch nicht mehr die schoenen Mails von Zuhause.

Wir durcheilten Deutschland. In Bingen letztes Treffen mit unserem Freund Thomas aus Duesseldorf, der Mann im Hintergrund,der Architekt unserer Webseite und dauernder technischer und freundschaftlicher Begleiter. Danke fuer die vielen Stunden!

Aber wir nahmen uns Zeit fuer schoene Strecken, auf Kosten des kuerzesten Weges. Sowieso ist es an den Fluessen am schoensten und dort ists Radfahren auch meist einfacher, weil es nicht so anstrengend auf und ab geht.

Begegnung mit Thomas, einem Radfahrer, der uns beim ersten Zeltaufbau hilft.

Wir schliessen uns der Tour-de-Fair an. Manche aus dieser Gruppe schreiben uns heute noch Mails.

Aber das Hochwasser im August machte uns einen Strich durch die Rechnung: Passau- Land unter! hiess es. Abgesehen von der Faehre zwischen Krefeld und Duesseldorf, wo wir gleich zu Anfang unserem Prinzip untreu wurden, alle Wege nur mit dem Rad zu fahren, war das eine weitere Gelegenheit, ein alternatives Verkehrsmittel zu waehlen, um unser Hotel verlassen zu koennen : das Evakuierungsboot des Technischen Hilfsdienstes. Die Sandsaecke, die wir mit der Bundeswehr aufgeschichtet haben, halten das Wasser nicht auf.

Entlang der Donau war kein Durchkommen, weshalb wir in die Berge fuhren. Was haben wir gefroren und geschwitzt!

And der Grenze paeppelten wir eine voellig entkraeftete Maus auf, die vor Erschoepfung beim Fressen umfaellt.

Oesterreich, oh so reich! Ein wunderschoenes Land, Wien, die alte Frau in Lumpen in der Fussgaengerzone im Eingang eines Schuh-Luxusladens- krasser konnte der Unterschied dort nicht sein.Die kuenstliche Perle, die sie uns "verkaufte", haben wir noch.

Wien war einer meiner Traeume, die Stadt mit den vielen grossen, schoenen Strassen, Haeusern, Denkmaelern. Manchmal sissierte es etwas arg. Die Strassenmusiker. Die Kutschen. Das Schloss. Der Zoo. In den Donauauen fange ich eine Schlange auf dem Weg, die sich mit Gestank und Zischen wehrt- meine Handschuhe kann ich danach wegwerfen.

Weiter gings nach Bratislava, Hauptstadt der Slowakei. Ankunft spaetabends, es ist noch warm. Eine Disko unter freiem Himmel, wir mit Raedern unter den Gaesten. Dann das Hotel- eine Absteige. Heute wuerde uns das nicht mehr erschuettern.

Ungarn: Wir wollen nach Siofok, haben umgeplant, um einen Freund zu treffen, der am Balatonsee Urlaub macht. In Siofok mehrere Tage Aufenthalt, Erholung, Zelten im Garten. Eine kleine Katze freundet sich mit uns an und besteigt das Zelt. Ihre Krallenspuren haben sie dabei verewigt.

Ungarische Doerfer, wie gemalt, aber auch Armut, Pferdefuhrwerke, eine wunderschoene Landschaft, Radwege. Dann, an einem sonnigen Tag, mitten in der Landschaft, Anruf auf Renatas Mobiltelefon: Euer Kater Kitusch ist tot, wahrscheinlich vergiftet. Unser geliebtes Katerchen. Waeren wir zu Hause geblieben... man kennt die Gedankenspiele.

Kroatien: Direkt hinter der Grenze wilde Tiere, riesige Schmetterlinge. Wir denken, das wir davon noch viele sehen werden. Aber es kommt anders und wir lernen: Sieh es dir sofort an, hier und jetzt, mach das Foto sofort.

Wir sind in Slawonien, ein paar Jahre vorher war hier Krieg. Uberall zerschossene Haeuser, verlassene Ruinen. Ossijek, Provinshauptstadt. Spaetsommertage, das zerstoerte Hotel voller MP-Garben in den Waenden. Vukovar! Ich wusste es vorher, hatte Renata gewarnt. Aber die Wirklichkeit entsetzt uns trotzdem. Eine Stadt in Truemmern, mir kommen die entsetzlichen Bilder des Krieges in Erinnerung. Mitten in Europa, Barberei, Voelkermord, Kriegsverbrechen. Und wozu das alles? Die "Kriegshelden" Karadjiz und der Massenmoerder Mladic bis heute nicht im Gefaengnis...

In einem Zelt am Strassenrand wird, wie vielerorts in Kroatien, Bosnien, Serbien, Kosovo getrauert und gefragt: "Wo sind unsere Toten verscharrt?"

Grenzuebergang zwischen den Kriegsparteien, wir sind in Serbien/ Jugoslawien. Sonnenschein. Ueberhaupt: wir haben viel Glueck mit dem Wetter, trotz des Hochwassers.

Eine tolle Landschaft, viel Natur entlang der Donau. Auf einem Bergruecken kann ich nicht mehr weiterfahren, so atemberaubend ist es dort. Mitten zwischen den Schafen zelten wir. Die Familie ist sehr arm, Bergbauern ohne Strom und fliessendes Wasser, aber gluecklich, scheint uns. Auf der Wiese eine fingergrosse, gruene Gottesanbeterin.

Wir sind in einem Land, mit dem "wir" bis vor 3 Jahren Krieg gefuehrt haben. In Novi Sad und Belgrad sehen wir die Spuren des Krieges: zerbombte Verwaltungsgebaeude und Bruecken, aber, wie es scheint, ein massvoller Krieg (wenn es soetwas gibt). Man hat, soweit wir das fuehlen koennen, keinen Hass gesaet, uns begegnet keine Feindschaft.

An einem wunderschoenen Abschnitt der Donau finden wir Seven, eine halbtote Haselmaus, die wenige Zentimeter vor einem Gully liegt, in dem sie fast ertrunken waere. Wir pflegen den Zwerg, bis er bei Kraeften ist. Als wir sie beim Zelten nachts laufenlassen, kehrt sie mystischerweise zu uns zurueck und schlaeft an meinem Koerper ein.

Das Tier begleitet uns tagelang, aber wir muessen es, so schwer es uns faellt, wegschicken. Bevor uns das gelingt, ertrinkt das Tier nachts in einem WC, weil es sich zwischen Klodeckel und Keramik zwaengt. Als ob es ihre Bestimmung gewesen waere zu ertrinken...

Bulgarien. Gleich an der Grenze ein freundlicher Tankwart, der uns unbewacht in seinem Haus schlafen laesst. Ueberall begegnen uns hilfsbereite Menschen. Das ist die schoenste Erfahrung, die wir machen koennen.

Und der Wind stemmt sich uns entgegen, es geht auf und ab, wir fahren in der Dunkelheit, quaelen uns ab. 126 km an einem Tag, Rekord.

Sofia: Gleich bei Ankunft der erste Diebstahl- eine Lampe weniger. Eine unvergessliche Bergstrecke bei gutem Wetter durch eine herbstliche Berglandschaft. Ein klares Fluesschen, alte Steinbruecken, eine gewundene Passstrasse. Hinter diesen Bergen wird es waermer, es geht hinab zum Mittelmeer. Die ersten Zikaden. Sehen wir spaeter noch jede Menge,denken wir und verschieben das Anschauen. Aber das waren die einzigen Zikaden (...alle siebzehn Jahre Krach!=Vermehrungszyklus), die wir zu hoeren bekommen.

Pazardjik: Wir sind zu Gast bei Maria und Ivan, mit denen wir einen Ausflug zum Haus ihrer Familie in den Bergen machen. Hier gibt es noch Woelfe und wir fischen ein paar kleine Kuemmerlinge, die wir abends braten. Der Ausflug auf den Traumberg unserer beiden Freunde, heisse Sonne und Eidechsen. Und ein Witz, den wir nie vergessen werden: was haben wir gelacht!

Grenzuebergang zur Tuerkei, Edirne, eine andere Welt. Und endlich tuerkisches Essen, z.B. Huehnersuppe zum Fruehstueck. Und die Moscheen mit den schlanken Minaretten und blauem Glas, der Gesang der Muezzine, der uns von da an ein Jahr lang in den Ohren klingen wird.

Die ersten Palmen an der Marmaraseekueste und ein Luxushotel mit Swimmingpool und eine Razzia. Dann, endlich, Istanbul! Ankunft abends in der Rush-Hour, wir fuehlen unser Leben bedroht in dem Verkehr, sind ausser uns, ueber die Risikobereitschaft der Fahrer. Das gleiche Szenario wuerde uns heute ueberhaupt nicht mehr aufregen.

Hagia Sofia und, besser noch, die Blaue Moschee. Die Altstadt, die Suks. Wir treffen Thomas wieder, den Radfahrer, der in Istanbul einen Job findet und bleibt. Wir bleiben eine Woche in der Metropole.

Und immer wieder freundliche Menschen, Einladungen, vorallem zum Tschai(Tee). Auch die Verkehrspolizei will uns Gesellschaft leisten, auch die Jandarmen, die Militaerpolizei.

Wir verlassen die Kueste, um schneller voranzukommen, denn wir wollen im Oktober an der Suedkueste sein, um meine Mutter und ihren Freund in Side zu treffen. Also gehts querlandein. Es ist kalt geworden, es regnet. Immer noch legen wir Tempo vor, oft sind es ueber 100 km am Tag, fuer Renata eine enorme Leistung.

Die tuerkischen Berge sind eine Herausforderung, hier gibt es keine Touristen. Mittlerweile haben wir das Verhandeln gelernt, so gut, dass unsere Handelspartner oft lachen und uns quasi beglueckwuenschen.

Bei Ismir sehen wir das Meer wieder und es ist wieder waermer. Die Ostkueste ist touristisch, entsprechend die Preise und der Umgang mit den Gaesten, z.B. in Kuschadasi.

Wir radreisenrasen immer noch. Bis uns unser Freund Thomas aus Duesseldorf eine Mail schreibt: "Seid ihr wahnsinnig? Ihr fahrt an der groessten Attraktion der Tuerkei vorbei: Ephessos!" Also halten wir inne und fahren mit einem Auto zurueck, um uns die antike Staette anzusehen. Von da an verlangsamt sich unser Reisestil.

Wieder geht es landeinwaerts, Wir begegnen einem weiteren deutschen Radreisenden: Sebastian. Ein paar Tage, schoene Zeltplaetze und gefangene Eidechsen weiter, verlaesst er uns- jeder muss seinen Weg gehen.

Die Suedkueste ist eine Traumstrecke. Anstrengend, aber ein echter Radfahrertipp. Mit tuerkisfarbenem Meer, ockerfarbenen Felskuesten, gruenen Kiefern und spektakulaeren Sonnenuntergaengen.

Wir machen Pause in Fethiye, einem der schoensten Orte der Tuerkei. Felsengraeber, Wald, im kleinen Hafen schmucke Schiffe und eine Meeresschildkroete in freier Natur.

Wir lernen Angelo kennen, einen schweizer Querdenker und Fotografen, der uns eine Weisheit ins Buch schreibt: Man muss sich fuer alles Zeit nehmen! Das heisst auf tuerkisch "Jawasch, jawasch" (und spaeter auf arabisch "schwaje, schwaje").

Mittlerweile sind in Deutschland mehrere Zeitungsartikel ueber unsere Reise erschienen und tausende von Menschen lesen unser Reisetagebuch und hunderte Mails erreichen uns, machen uns Lust auf mehr Schreiben und Fotografieren, um unsere Reise zu veranschaulichen und miterlebbar zu machen. Und mancher Mailer wird ein richtiger Freund, sendet uns Glueckwuensche und auch mal Trost.

Dann filmt uns ein tuerkisches Fernsehteam fuer ein Reisemagazin. Die Sendung bekommen wir leider nie zu sehen.

In Side verbringen wir eine erholsame, schoene Woche mit Mutter und Freund, die wir danach lange nicht mehr wiedersehen werden.

Dann zurueck nach Fethiye und wieder entlang der Kueste nach Antalya, Alanya. Wir nehmen uns jetzt Zeit fuer die historischen Orte und schoenen Plaetze. Eine winzige Bucht mit weissem Sand wird "Unser Platz", den wir nie vergessen werden: Kaputasch.

Kas, ein Fischerort, wo wir ein amerikanisches Paaerchen zum dritten Mal zufaellig treffen und mit denen wir in Mailkontakt bleiben.

Dann findet uns Kari, unser Hund. Sie hat sich partout in den Kopf gesetzt,uns zu folgen. Und nach wenigen Stunden koennen wir nicht mehr ohne sie und von da an begleitet sie uns tausende von Kilometern, ueber Monate bis Kairo. Wir lassen ihr in Anamur Schuhe machen und nehmen in Adana einen Anhaenger am Flughafen in Empfang, in dem sie schneller mit uns reisen kann. Hinter Anamur, bei Tekmen II, werden wir von einem Mottorradfahrer ueberfallen. Aber die Sache geht glimpflich ab.

Und wir begegnen Borlcha, einem Radfahrer aus dem Baskenland, mit dem wir ein paar Tage zusammenreisen, bis sich die Wege wieder trennen. Soviele Abschiede...

In Iskenderun werden wir wieder vom Fernsehen gefilmt- auch diese Aufnahmen sehen wir nie.

Wir durchfahren die tiefverschneiten, aber sonnigen Yaladahi-Berge, unser Hund sieht seinen ersten Schnee und tobt darin derart gluecklich, dass wir weinen muessen vor Freude.

Ein junger Kommandant der Jandarma beschert uns die letzte Nacht in der Tuerkei in einer Kaserne. Wir bringen ihm dafuer Glueck im Lotto und er umarmt mich und jubelt: "Harry, Harry, Harry!" Und am Morgen eine Schneeballschlacht mit seinen Soldaten- wir sind gluecklich.

Syrien! Was wussten wir ueber dieses Land? So gut wie nichts, wie wohl die meisten. Aber es ist ein Land, in dem die Moderne auf dem Vormarsch ist, es fast keine Verschleierten gibt und sehr wenige Touristen. Dafuer Gastfreundschaft, wie wir sie bis Kairo nicht mehr erleben werden. Wo wir auch nur Minuten anhalten, werden wir eingeladen zu Tee, Essen und Uebernachtung, selbst Geld will man fuer uns sammeln. An der Grenze leben Armenier, an der Kueste Christen und alle Richtungen des Islam und Drusen. Es ist ein Land, in dem Minderheiten Schutz gefunden haben. Das jetzt von Krieg die Rede ist, erscheint uns (trotz Kenntnis ueber die innerpolitischen Verhaeltnisse) wie ein schlechter Witz.

Weihnachten sind wir in Lattakia, an der Kueste. Jetzt waeren wir gerne bei unseren Familien.

An einem sonnigen, aber kalte Tag sehen wir die schoenste Burg der Welt: Den Krak de Chevalier. Wie gerne wuerden wir mal in der Zeit zurueckreisen und einen Tag dort verbringen.

In Homs finden wir einen neuen Freund und Familienanschluss. Nadihm ist mein grosser, kleiner Bruder und seine junge Schwester Nuur mag Renata. Der Vater ist Scheich, wie sein Grossvater, der ueber 120 Kinder und Kindeskinder hat. Die Familie hat ueber 1600 Mitglieder.

Wir machen einen Ausflug mit Nadhim nach Palmyra- das kleine Thaeter, die Kolonadenstrasse, die mittelalterliche Burg, der Sonnenuntergang dort oben...

Wir radeln nach Damaskus und bleiben in der Hauptstadt drei Wochen. Dort sind wir Gast bei Dschihad Saad, einem Fernseh- und Filmstar, der uns seine Wohnung ueberlaesst und uns ins syrische Fernsehen bringt. Sein Angebot fuer eine Theaterrolle muss ich leider ablehnen, obwohl ich gerne einen Irren in "Einer flog ueber das Kukucksnest" gespielt haette.

Und uns klingt noch Herr Fadly im Ohr "Your a nice man!" Kari ist im Hotel und auf der Strasse DIE Sensation!

Unsere Begegnung mit der Kuenstlertruppe aus Bagdad, die schreckliche Bilder der missgebildeten Kinder zeigt, die z.T. Opfer der verstrahlten Uranmunition des Ersten Golfkrieges wurden. Und das so kurz vor dem naechsten Krieg.

Beruehrt hat uns auch unsere Begegnung mit Ammar aus Bagdad, dem wir dann kurz dem Krieg noch gemailt, von dem wir aber seitdem nichts mehr gehoert haben.

Unsere Reise geht stramm Richtung Sueden, der Sonne entgegen. Seit vielen Wochen sehnen wir uns nach Waerme und endlich weniger Wind. Oft muessen wir absteigen und stundenlang schieben, weil sich uns der Wind derart entgegenstemmt, dass kein Fahren mehr moeglich ist.

Die Grenze nach Jordanien liegt im Dreilaendereck mit Israel. Vielleicht ist das der Grund, warum man uns dort mit "Schalom" gruesst (hebraeisch fuer "Frieden"), statt mit "Welcome". Jedenfalls sind wir nicht gern gesehen und mehrmals taeglich fliegen Steine und kaum jemand hilft uns. Kari ist schon seit der Tuerkei beliebtes Hassobjekt und wird haeufiger beworfen und getreten, weil viele Moslems Hunde verabscheuen. So sind wir froh, die Grenze nach Israel zu ueberschreiten.

Ein reiches Land, eine fast europaeisch anmutende Oase des Wohlstandes im Nahen Osten. Aber "Security" ueberall, Anspannung, Gereiztheit, ja Angst. Man will unser Gepaeck nicht, weil eine Bombe drin sein koennte.

Die Schwestern von Nazareth, dann Haifa am Meer. Die "Russische Gemeinde" hilft uns: Genajdin, Szima, Benjamin und Mina und die Nekrosovs, bei denen wir lange bleiben.

Fuer Kari ein Paradies: dicke Hunde ueberall, viel Gruen, Strand und niemand wirft Steine.

Petah Tiqva und Tel Aviv, wo wir Dorit treffen, die uns mit Lea und Ahron bekannt macht, in deren Haus wir eine wunderbare Zeit verbringen. In Haifa wird ein Bus im Stadtteil Karmel zerbombt- dort wir selbst vor ein paar Tagen im Bus sassen!

Wir besuchen Deheyscha, ein palaestinensisches Fluechtlingslager in Bethlehem, aus dem viele der Selbstmordattentaeter kamen, deren Taten Israel in den letzten Jahren genauso erschuetterten, wie die vielen erschossenen palaestinensischen Kinder in der Westbank und im Gaza, die von der israelischen Armee getoetet wurden.

Wir sehen die Gedenkstaette, die an die Ermordung Rabins erinnert, der dort von einem radikalen Juden erschossen wurde, weil er Frieden mit den Palaestinensern anstrebte.

Israel ist ein Land im Ausnahmezustand, unter Druck, in dem man versucht, Normalitaet aufrecht zu erhalten, aber Buergerkrieg herrscht. Ein Land- schoen, geordnet, teuer und anstrengend.

Ende Maerz sind wir in Jerusalem: Fuer uns die schoenste Stadt, die wir je gesehen haben. Die Altstadt, die Gruenanlagen, wunderbare Architektur, die besten Museen. Das Paulushaus faellt uns ein, in dem Kari geduldet wurde und im Garten toben konnte. Aber der zweite Golfkrieg bricht aus, Gasmasken werden in Israel verteilt, Angst vor Scud-Raketen herrscht.

Dann geht es tief unter die Meeresoberflaeche- jedenfalls masslich. Ueber 400 Meter unter NN liegt das Tote Meer, an dessen Ufer wir Leoparden hoeren und einen traumhaften Campingplatz finden: Ein Gedi. Hier liegen wir auf dem Wasser, dass zehnmal salziger ist, als Meerwasser. Es ist schlagartig Sommer geworden und heiss.

Dann muessen wir erstmals umkehren, weil uns die Umstaende zwingen. In der Wueste bei En Boqeq steigt die Temperatur waehrend eines Sandsturms derart an, dass wir in einer Fabrik Zuflucht suchen.

Wir begegnen Mickey und Itschak, mit denen wir weiter in Kontakt bleiben und ich besteige den Berg von Massada, geschichtstraechtig, wie fast jeder Quadratkilometer des ganzen Landes.

Mitten in der Negev-Wueste lernen wir an einer Ausgrabunsstaette Asher, Ernst und Dorothea kennen. Nur besondere Menschen leben in der Wueste.

Wir radeln ins Timna-Tal, eine Bergwueste voller bizarrer und unwirklicher Felsen,wo wir Yoram und Tali kennenlernen, dann zum Golf von Aqaba. Dort, am Strand von Eilat, lebt Chaim, der Ex-Diskobesitzer aus Duesseldorf ein alternatives Leben. Dann freunden wir uns mit Colette und Jaques an, auf deren Terrasse alsbald unser Zelt steht. Von hier aus fahren wir nach Jordanien und Wadi Rum, einem unserer Traumziele, seit ich den Film "Lawrence von Arabien" ca. dreissigmal gesehen habe. Eine Bergwueste so schoen, das einem manchmal die Beine schwach werden und man setzen muss, um das zu verarbeiten. Die Farben dieser Landschaft finden wir auch in Petra wieder, einem der grossartigsten antiken Staetten der Welt. Hauptstadt der Nabataeer, vergangen wie Palmyra.

Ende April Grenzuebertritt bei Taba nach Aegypten, Land Nr. 11 und gleichzeitig Ankunft in Afrika, dem dritten und letzten Kontinent unserer Reise.

Erst fahren wir entlang der Kueste der Sinai, ueber Nuweiba, wo wir mit Kari schoene Strandtage verbringen, dann ins Innere der Halbinsel, hinauf nach St.Catherine. Ein Ort fuer Mystiker und Philosophen. Eine Beduinenhochzeit und die Besteigung des Mount Musa, des Mosesberges. Wir uebernachten auf der Spitze, Kari kuschelt sich an uns, weils so kalt ist und beim Abstieg bewundern wir die Treue und den Mut unseres Lieblings. Und wir sehen einen sehr seltenen Steinbock hoch ueber uns im steilen Fels.

Es ist heiss, trocken und wir muehen uns entsetzlich mit dem Anhaenger und dem vielen Gepaeck ab. Kari leidet unter der Hitze besonders. Mitten in der Sinai toetet sie eine Ziege, vielleicht hat sie einfach zu wenig frisches Fleisch bekommen.

In Suez werde ich sehr krank; Renata erwischt es kurze Zeit spaeter mit hohem Fieber. Solche An- und Durchfaelle begleiten uns seit Istanbul und sind unvermeidliche Reisebegleiter.

Wir erreichen am 23. Mai Kairo, gleichzeitig letzter gemeinsamer Reisetag mit Kari, die wir gezwungenermassen Anfang Juni ins Flugzeug nach Deutschland verfrachten. Der Hund hat uns tausende Kilometer lang begleitet, beschuetzt, aber die kommende Hitze, die hundefeindlichen Kulturen, das Grosswild wollen wir ihr nicht zumuten. Und uns den laehmenden Anhaenger ersparen.

Jetzt sind wir immer noch in Kairo, haben die Pyramiden und das Museum gesehen und viele Erfahrungen gesammelt, gute und schlechte. Beides macht uns reicher und klueger und lehrt uns was vom Leben.

Wir hoffen, dass wir unseren Lesern noch viel erzaehlen koennen und das ihr euch bisher gut unterhalten habt. Eines nicht sehr fernen Tages werden wir euch auch um eine Hilfe bitten.

geschrieben am 1. und 2.8.2003


 


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