Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

8/12/2003   Aegypten / Kairo

Hotpants im Sarkopharg

Besuch in Gizeh

(Harald und Renata) Bevor wir neuerlich aufbrechen, fahren wir mit einem Taxi nochmals zu den Pyramiden. Diesmal kaufen wir Tickets fuer die Grabkammer. Heute sind viele Touristen um die Pyramiden unterwegs und im Gang zur Grabkammer herrscht drangvolle Enge. Heute betritt man die Pyramide des Khufu, den die alten Griechen Cheops nannten, durch den Grabraeubereingang, waehrend der eigentliche Zugang weiter oben links ueber uns liegt. Dieser Zugang, darueber waren sich die Grabraeuber wohl im Klaren, war durch zahlreiche massive Steinbloecke verschlossen. Sieht man, wie unterschiedlich die verschiedenen Pyramiden im Inneren konstruiert waren, so verwundert, wie die Grabraeuber mit einem einzigen und so engen Gang tatsaechlich die drei Kammern und deren Schaetze finden konnten. Irgendwie traurig, dass dem Pharao auch 2,3 Millionen cbm Steinbloecke nicht ersparten, seiner Schaetze beraubt zu werden. Und ebenfalls erstaunlich, egal, wie lange es her ist, dass die Pyramiden gepluendert wurden, dass nichts von all den Schaetzen jemals irgendwo wieder aufgetaucht ist.

Wenn schon das Grab des relativ unbedeutenden Pharaos Tutanchamun, der nur wenige Jahre regierte, so ueppig war, was fuer eine Pracht muessen die Graeber von Cheops, Chefren oder vorallem Ramses des Zweiten beinhaltet haben!

Die Grabraeuber haben sich mit Meisseln durch die Steine hindurchgeschlagen, teilweise die sich loesenden, etwa 2500 kg schweren Bloecke, abtransportiert und so einen engen, nicht einmal mannshohen Gang geschaffen. Nach ca. 40 Metern stoesst man auf die sog. "Galerie", einen grossen, hallenartigen Gang, 47 Meter lang und 8,5 Meter hoch, waehrend der Grabraeubergang nach unten fuehrt. Diese Galerie geht schraeg und steil aufwaerts, so dass viele korpulentere Zeitgenossen den Aufstieg nicht schaffen. Die Waende und Decke des Ganges sehen aus, wie gestern gebaut- absolut perfekt behauener Stein, so dicht geschichtet, dass keine Messerspitze dazwischen passt. Die Waende verjuengen sich stuefenfoermig ueber uns und oben sieht man, das riesige Verschlusssteine, von oben herab gelassen, einst den Zugang zur Grabkammer verschlossen haben. Die Grabkammer selbst ist ein rechteckiger Raum aus Rosenquarz (rot-schwarzem Granit), 5 mal 10 Meter und etwa 5 Meter hoch. Die Decke besteht aus neun, ca. 45 Tonnen (!) schweren Steinquadern. Hier steht noch der schwere Granitsarkopharg des Pharao, dessen Mumie, wie auch die seines Sohnes und Enkels in den Nachbarpyramiden, verschollen sind. Mit den Mumien war man vor ueber 100 Jahren nicht zimperlich, denn es gab derer so viele, dass sie zu hunderten, z.B. in England als Kuriositaeten landeten und vielerorts in Aegypten einfach zum Heizen im Winter verwendet wurden.

Die Pauschaltouristen fallen hier besonders ins Auge. Waehrend sich Individualreisende eher vorinformieren, scheinen die in grossen Bussen anrollenden Massen keinerlei Ahnung zu haben, wie sie sich in Aegypten und vorallem in diesem Grab benehmen sollen. Jedenfalls fallen Italiener und andere Nationalitaeten kleidungsmaessig voellig aus dem Rahmen. Man wird in Aegypten lange suchen muessen, um einen einheimischen Mann in kurzen Hosen zu finden. Frauen mit kurzen Aermeln, tiefen Ausschnitten, bauchfreien Tops und vorallem Hotpants aber sind hier geradezu grotesk. Wenn dann 14 Jaehrige Maedchen vor verschleierten Aegypterinnen in der bedeutensten Grabkammer des Landes auch noch albernd in den Sarg steigen, sind die Grenzen des guten Geschmacks ueberschritten. Und draussen prallen dann traditionell in Gallabiyas gekleidete Familienvaeter auf fast bikiniartig gekleidete Nymphen. In jedem halbwegs vernuenftigen Reisefuehrer ist zu lesen, dass man sich hier in einem tiefreligioesen Land befindet und die uralten Traditionen respektieren soll. Fuer einen strengglaeubigen Moslem ist der Anblick einer solchen Frau der gleiche, als ob in unseren Strassen eine Frau oben ohne im Tanga wandelt. Mit den entstehenden Spannungen kommen die Maenner hier schlecht klar. Beim Besuch des Militaermuseums erzaehlten mir die jungen Soldaten empoert, dass in Europa eine Bueste von Nofretete gezeigt wuerde, deren Brueste zu sehen seien. Das stand hier in den Zeitungen. Nie wird man auf den Strassen Umarmungen oder gar Kuesse beobachten.

Zurueck in die Grabkammer: hier riecht es nach Urin- die naechsten Toiletten sind weit weg.

Die alten Baumeister wussten schon, dass man eine Frischluftfuehrung brauchte und hatten entsprechende Schaechte geschaffen. Die neuen "Baumeister" haben ein unglaublich brutales und ueberdimensioniertes Loch aus der Wand geschlagen, um einen zusaetzlichen Ventilator einzubauen.

Auch die Pyramide von Men-Kau-Re, den die Griechen Mykerinos nannten, ist zu betreten, aber das sparen wir uns. Stattdessen setzen wir uns an der Ecke der Pyramide von Khafre (Chephren) wieder zu den Getraenkeverkaeufern und Kamelvermietern, die sich noch gut an uns erinnern koennen, weil wir die Polizisten "gewungen" hatten, die Getraenke zu bezahlen und weil wir uns Zeit fuer einen Plausch genommen haben. So erfahren wir manche interessante Begebenheit und bekommen Tipss.

Wieder versuchen wir uns vorzustellen, die herrlich die verkleideten Pyramiden ausgesehen haben muessen- perfekt mit rotem Quarz ummantelt, spiegelnd im Sonnen- und Mondlicht, damals tief in der Wueste, umgeben von den vielen Tempeln. Die Verkleidungen wurden im Mittelalter und bis ins 18. Jh. von den moslemischen Herrschern abgetragen und fuer Moscheen und Palaeste benutzt, weil Granit hier sehr selten ist und der Stein bereits perfekt geformt war. Der darunter hervortretende, weichere Kalkstein ist dann binnen weniger hundert Jahre stark verwittert.

Wir haben immer noch nicht alles gesehen- aber das muss halt bis zum naechsten Aegyptenbesuch warten. In einem kleinen Museum steht ein komplettes Schiff aus Zedernholz, dass, in hunderte von Einzelteilen zerlegt, in einer Grube vor der Cheops-Pyramide gefunden wurde und dem Pharao die Ueberfahrt ins Jenseits (die als Flussueberfahrt verstanden wurde) zu ermoeglichen.

Cheops und sein Sohn haben sich unvergleichliche Bauten schaffen lassen, gemaess dem schriftlich ueberlieferten Auftrag des Herrschers: "Man baue mir ein unzerstoerbares Denkmal, wie seit der Zeit des Gottes nichts dergleichen geschaffen wurde. Auf das man sage: Er hat sein Ewigkeitsdenkmal geschaffen, um seine Identitaet mit der grossen goettlichen Neunheit zu bekraeftigen."

geschrieben am 16.8. in Kairo


 


  Team Login

© biketour4goodhope