8/14/2003 Aegypten / Kairo
Stadt der Toten
Wir besuchen das aussergewoehnlichste Viertel Kairos
(Harald und Renata) Wir fahren Richtung Zitadelle, durch das islamische Viertel, dass seinem Namen den vielen Moscheen aus der Zeit der Fatimiden ( aus Tunesien) und Mameluken (ehemalige Militaersklaven) verdankt, zur suedlichen Totenstadt. Hier, am Fusse der Zitadelle, haben sich in der Wueste zur Herrschaftszeit der Mameluken die Sultane (eine Art Koenige) neuen Baugrund erschlossen. Im 12. Jh. baute Salah ed-Din (Saladin) eine Grabmoschee in der suedlichen Totenstadt fuer den bedeutenden Imam (Vorprediger) Esh-Shafi-i. In der noerdlichen Totenstadt liess Sultan Farag im 15. Jh. eine Grabmoschee fuer seinen Vater errichten. So fuegte sich ein Mausoleum an das naechste und es entstand ein riesiger Friedhof, der auch heute noch genutzt wird. Waechter und Pfleger der Grabstaetten fanden hier Unterkunft und freitags kamen und kommen die Familien hierher, um der Toten zu gedenken (wie bei uns am Sonntag). Ueber den Grabbauten wurden kleine Zimmer angelegt, in denen man feiern konnte, den, anders als bei uns, ist der Tod im Islam nicht so stark tabuisiert und gegenwaertiger. Man laesst die Toten teilhaben am Familienleben, feiert und zu spaeter Stunde konnte man dann ueber den Gruften uebernachten. Als Kairos Stadtgrenzen im Laufe der Jahrhunderte naeherrueckten, fanden hier Obdachlose Unterkunft und so sah sich die Stadtverwaltung bald gezwungen, eine Wasserversorgung sicherzustellen, spaeter auch Strom- und Gasleitungen zu legen. Heute sind beide Totenstaedte, wie man diese Viertel passenderweise nennt, belebt, wenn auch nicht so ueberfuellt, wie der Rest der Stadt. Beidseits der breiten, ungeteerten Strassen in der suedl. Totenstadt stehen hunderte kleiner Mausoleen, hinter deren Gittertueren Graeber zu sehen sind und in den Innenhofen der Haeuser ebenso. Es sind kleine Zentren entstanden, in denen Grabschmuck aus Gips, sowie Metalltueren und -gitter und aehnliches hergestellt werden. Dazu Imbisse und Friseurlaeden, Autoreparaturwerkstaetten und Obst- und Gemuesehaendler, eine Polizeistation und eine Post. Auch hier wird noch viel mit Pferde- und Eselsfuhrwerken transportiert. Das Aussehen dieser Lasttiere und deren Lasten koennen einen zu Traenen ruehren. Auf dem glatten Asphalt rutschen die Pferde aus- wir haben einen Sturz gesehen- und die Tiere sind meist voellig unterernaehrt, ihre Ruecken durchgebogen von den Muehen, die schweren Karren ohne Bremsen bergab zu halten. Viele Hufe sind durch die hohen Gewichte (z.B. Gasflaschen oder Baumwollsaecke) und die endlosen, taeglichen Gangleistungen abgelaufen und die Tiere humpeln mit sichtbaren Schmerzen vor sich hin. Dazu kommt, das die Geschirre auf den Nasen fast immer aus Ketten bestehen, die sich angesichts der Zugleistungen ins Fleisch fressen und am Ende hat so ein Tier dann ueberall die Knochen blossliegen. Peitschen werden staendig benutzt, ohne jede Hemmung und ersichtlichen Grund. Entsprechend sind die Leiber mit nicht verheilenden Striemen uebersaet. Macht man die Tierquaeler auf die Wunden aufmerksam, lachen sie laut- solches Bemuehen kann man sich schlichtweg sparen. Das Hunde und Katzen kraeftig getreten werden und viele dieser Freunde des Menschen keine Schwaenze mehr haben, oder gebrochene oder fehlende Glieder, das Voegel in winzigen Kaefigen gehalten werden, ergaenzt nur das Bild einer Gesellschaft, die mit der Kreatur wenig Gnade kennt. Es ist bitter das sagen zu muessen, aber es ist so. Wir haben das schon in der Tuerkei beobachtet und seitdem hunderte Male bestaetigt gefunden. Wir haben mittlerweile wieder das Hotel gewechselt und residieren jetzt im Anglo-Swiss, einem bescheidenen Etablessement in der Naehe des Talaat Harb Square. Im Netcafe haben wir einen 22-jaehrigen Berliner kennengelernt, Andreas, mit dem ich auch nochmals ins Museum gegangen bin. Bedauerlicherweise sind die beiden Strassenkinder Achmed und Fatmah seit dem Tag verschwunden, als Renata sie fotografiert hat und sich ein Mann lautstark aufgeregt hatte. Das mag Zufall sein und man erzaehlt uns, dass der Besitzer des Coffeeshops Achmed geschlagen habe und die beiden wegschickte, weil Achmed Kleber geschnueffelt hat. Als ob solches Verhalten den Kindern nuetzen wuerde! Jetzt sind sie irgendwo, wo es ihnen vielleicht schlechter geht und wir sind traurig, sie nicht finden zu koennen. geschrieben am 16.8. in Kairo
|