8/21/2003 Aegypten / Mallawi
Bad mit Bueffel
Ein Polizist ists satt, wir sind hungrig und den Bueffeln ists zu trocken
(Harald und Renata) Auch hier muss der Hotelier die Polizei verstaendigen, wenn wir losfahren wollen, obwohl diese bereits als Wachmannschaft vor dem Hotel vertreten ist. Ob wg. uns oder wg. der Christen, ist unklar. Ende der 80er, vor allem 1993-97, gab es in Cairo, im Delta und in Mittelaegypten Unruhen. Wohl eher aus sozialen Gruenden, scharte man sich letztlich um die religioesen Fuehrer, radikale Imame, die als einziges Gegengewicht zur Politik erschienen. Die groesste islamische Oppositionsgruppe, die Gama-a al-Islamiyya versuchte die Regierung zu stuerzen. Aus den Moscheen kamen auch Gewaltaufrufe und viele griffen zu Schusswaffen. Es kam zu Schiessereien mit der Polizei und dem Militaer, zu Attentaten gegen Politiker und hohe Funktionaere. Dann richtete sich der Zorn auch gegen Touristen und die im Land lebenden, ca. 8 % Christen-(offiziell 6 %, die koptische Kirche gibt 10 % an). Immerhin etwa 5 Millionen Menschen, die groesste, im Land lebende Minderheit. Ueberall sehen wir die Doppeltuerme der Kirchen. Die Polizei bringt mich mit Rad und Gepaeck zurueck nach Samalut und ich strample brav die 10 km bis zum Hotel, um dem Prinzip "jeden km mit dem Rad" nicht untreu zu werden. Dann fahren wir weiter, durch die Provinzhauptstadt El Minya hindurch. Mittags wird uns dann nur noch ein einzelner Polizist zugeteilt, der uns dann spaeter vorauseilt und entschwindet. Uns solls recht sein! Auf der anderen Nilseite liegt die antike Staette Beni Hassan, ganz interessant vielleicht- aber wir wollen weiter. Bei Anbruch der Dunkelheit sind wir bei El Roda, am Kanal. Hier baden, wie vielerorts, die Jungs im Kanal und wir bitten vier aeltere Herren an der Strasse auf unsere Raeder aufzupassen und ich springe in langer Hose in den Kanal, was einen Aufruhr des Dorfes ausloest. Vergisst man mal, was da alles im Kanal landet, incl. vorbeitreibender Kuhkadaver, so hat man ein erfrischendes Bad. Bis zu den Nasenspitzen steht hier im Uferschlamm um mich herum eine Wasserbueffelherde. Mit einem Kopfstoss oder einer Vorwaertsbewegung koennten sie mich erledigen, aber Kuehe sind eher scheu und nur bei einer Kuh mit Kalb bin ich vorsichtiger. Dann fordern mich die Jungs zum Wettschwimmen ans andere Ufer auf, was wg. der extremen Stroemung gefaehrlich ist. Aber wenn die Kids das kennen und sich zutrauen, kann ichs wagen. Waere da nur meine lange Hose nicht, die mir staendig bis auf die Knie rutscht. Letztlich muss ich ziemlich arbeiten, um trotzdem hineuber zu kommen. Dann begleitet mich ein laermender Tross aus 50 maennlichen Anhaengern, lachend, neugierig ueber eine Eisenbahnbruecke zurueck zu Renata. Dort halten uns die Aelteren die Kids vom Leibe. Es fliegt auch ein Stein, aber nichts Arges geschieht. Ein alter Mann geht handgreiflich zu Werke, dann giesst er wuetend Wasser auf die davonstiebenden Jungs, damit sie uns nicht belaestigen. Aber erst, als er zu heissem Wasser greift, wirkt die Aktion. Echt ruehrend. Dann erreichen wir Mallawi, eine erstaunlich grosse und turbulente Stadt, gleichwohl haesslich, staubig, alsphaltlos und schmutzig. Renata hatte schon Samalut zur schlimmsten Stadt erkoren, aber Mallawi koennte ihr den Rang ablaufen. Meine Hose ist im Fahrtwind mittlerweile getrocknet. Ein junger Mann stellt sich als Englischlehrer vor, aber sein Englisch ist sehr schlecht. Er redet von Tuna El Gebel, einer nahen Grabstaette- wieder ein Guide? Wir sind misstrauisch und unfreundlich. Aber der junge Mann bleibt am Ball, laedt uns zu sich ein, denn in Mallawi gibt es kein Hotel. So schieben wir die Raeder durch die engen Gassen und stehen vor einem kleinen Reihenhaus mit einer Etage. Unser Gastgeber hatte uns vorgewarnt, man sei arm. Er bietet uns sein Zimmer an, ein Raum ohne Putz, mit einer Couch und einem Bett. Aber die Toilette ist unannehmbar, unterschreitet alles Dagewesene. Mein Gott! Muss "Armut" immer fuer so eine Schweinerei herhalten? Der junge Mann bittet uns instaendig, nicht abzulehnen, aber ich sage ihm, dass die Toilette nicht ganz unser Niveau habe, worauf man uns das Bad im Obergeschoss anbietet. Die Mutter erscheint, bringt uns etwas zu essen, Tee, dann die zwei juengeren Brueder, dann der aeltere, der besser Englisch spricht. Wir nehmen an und richten uns ein, duschen und ich unterhalte mich mit den Jungs noch etwas ueber Politik (ueber Israel, worueber sonst? Und ein bisschen Irak. Man ist erstaunt, dass ich weiss, das der Attentaeter, der den frueheren Praesidenten Sadat erschoss, aus Mallawi kam. Steht doch im Lonely Planet!). Ich besuche mit dem Aeltesten noch eine Letsch in der Nachbarschaft. Zuerst die Feier der Frau ( das zukuenftige Paar feiert stets getrennt), die sehr ruhig verlaeuft und auf der Strasse stattfindet, genauso wie die Feier des Braeutigams, bei der jedoch der Teufel los ist. Es sind nur Maenner und Jugendliche anwesend, es droehnen die Lautsprecher und alle scheinen reichlich Alkohol getrunken zu haben. Bei meiner Ankunft fallen dutzende Drohnen ueber mich her, aufgeregt- ein Allemagne ist hier!-, lautstark werde ich aufgefordert zu tanzen. Wuerde ich auch machen, zumal man gleich Hip-Hop auflegt,meine Lieblingstanzmusik, aber nun ist das irgendwie meine Feier, weil sich nur noch um mich dreht und so solls nu auch nicht sein. Also drehen wir wieder bei und fahren auf unseren Raedern zurueck zum Haus. Schade. Dank eines leisen Ventilators verbringen wir letztlich eine ruhige, erholsame Nacht. geschrieben am 29.8. in Nag-a Hammadi
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