8/29/2003 Aegypten / Nag-a Hammadi
Fiebertraeume
Zwangsaufenthalt in der Provinz
(Harald und Renata) Renata ist morgens immer noch fiebrig und nach ein paar Erledigungen erwischt es auch mich am Nachmittag: 40 Grad Fieber, Kopfschmerzen, Mattigkeit, Kraempfe, das volle Programm. Wir haben gestern in einem richtigen Saustall zu Mittag gegessen, da lag der menschliche Kot neben dem Waschbecken und stank fuerchterlich und daneben sitzen die Gaeste auf gestampftem Lehmboden und essen und rauchen Schischa und als wir den Wirt auf den Kot aufmerksam machen, entfernt er ihn nicht. Wir haetten dort nicht essen duerfen. "Peel it, cook it, or forget it" lautet die Regel (Schael es, koch es, oder vergiss es). Aber wenn einer von der Toilette kommt, wo er sich mit kaltem Wasser den Allerwer-testen mit blanker Hand gereinigt hat und sich anschliessend die Haende nicht mit Seife waescht (leider die von uns staendig beobachtete Regel- auch beim Kuechenpersonal), so brauch einen nichts mehr zu wundern. Die Fellachen, die Nilbauern, sind anders. Sie bearbeiten eigenen Grund und saeen und ernten und beschaeftigen die eigene Familie, essen ihre eigenen Erzeugnisse. Sie stehen frueh auf, arbeiten alle auf den Feldern, gross und klein und abends gehen sie bei Sonnenuntergang nach Hause, muede und mit dem sicheren Gefuehl, etwas geleistet zu haben. Der Schmutz auf ihren Gallabyas ist Erde und der Wert ihrer Arbeit bleibt immer der gleiche. Sie hecheln nicht hinter dem Geld der Touristen her und sie bringen ihren Kindern bei, uns nicht zu belaestigen. Sie bringen uns noch die arabische Gastfreundschaft entgegen, die wir in Syrien so schaetzen gelernt haben. Leider trifft man so selten mit ihnen zusammen. Auch wir werden durch die Polizei- begleitung davon abgehalten, mehr Kontakte zu knuepfen. Nag-a Hammadi hat nur wenige befestigte Strassen. Die ueberbreite Hauptstrasse ist etwa einen Kilometer lang und beidseitig stehen Betontuerme ohne Leitern, in denen rund um die Uhr Polizei und Militaer ueber die Strassen wachen. Viele Nebenstrassen sind fuer Fahrzeuge abgesperrt, richtige Barrikaden wurden errichtet. Ein Zeichen dafuer, dass auch hier genug militanter Widerstand gegen die Regierung vorhanden ist. Vom Hoteldach aus sehen wir auch auf den Daechern Polizei, die nachts dort sogar schlafen. Die Gier auf unser Geld ist aber hier in der Provinz die gleiche: Ueber jeden Kaffee, jeden Saft, Alles und Jedes, muss hier verhandelt werden, staendig wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Hier in Nag-a Hammadi sind wir es wirklich leid. Wir sind es muede, wir sind wuetend, dass man wieder versucht uns zu belauschen oder zu beobachten (was nur aufkippt, weil ich einen Stein vor die Etagentuere platziert habe, der geraeuschvoll umkippt, als einer versucht sich anzuschleichen). Drei Tage dauert das Fieber, so lange wie noch nie. Wir essen kaum etwas, aber wir erzaehlen uns schmachtend unsere Tagtraeume von heimischen Koestlichkeiten: Kartoffelpueree aus frischen Kartoffeln mit Milch und Butter, dazu Sauerkraut; Heringsstipp bei Gleumes, Apfelpfannkuchen, oder Salatschuessel Nordbahnhof im gleichnamigen Lokal, dazu frisches Altbier vom Fass, Mutters Schmandtorte, ueber- haupt Mutters Kochkuenste, (weisst du noch, Weihnachten, die Gaensekeule mit Kloessen und Rotkohl? Oder die Frikadellen mit Kartoffeln und Spinat?), Kuchen von Heinemann, Eisgrillage, Vollwertbrot von Schomaker, Zatziki beim Griechen, Krokantbecher beim italienischen Eiscafe, Spargel mit Lachsfilet, Nussecken, Filtercafe mit franzoesischen Croissants, Silberzwiebeln im Glas von Kuehne, Reibekuchen mit frischem Apfelmus (mit Apfelstuecken drin!), Nougatriegel von Lindt, Goldnuss-Milchschokolade von Aldi, heisse Schokolade mit frischer Schlagsahne, usw. Wegen der Polizeibegleitung muessen wir stets von Ort zu Ort fahren, in denen jeweils Hotels vorhanden sind, da uns die Eskorte nicht bei den Bauern, oder in den Staedten privat schlafen laesst. Somit ist unsere naechste Station Qena, etwa 65 km oestlich. geschrieben am 5.9. in Luxor
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