8/30/2003 Aegypten / Qena
Tschai Spezial
Halt am Strassenrand
(Harald und Renata) Morgens koennen wir erstmal nicht abfahren, weil keine Polizeieskorte da ist. Staendig heisst es: "Schwaije! One minute!" Dazu werden als Geste alle Fingerspitzen einer nach oben gedrehten Hand waehrend einer Abwaertsbewegung zusammengedrueckt- das bedeutet: Warten! Geduld! Nach 20 Minuten wird klar, dass es noch lange dauern koennte und es wird immer heisser. Wir sind nicht frueh aufgestanden, um jetzt hier rumzusitzen. Also fahren wir einfach los, entgegen des Protestes der Polizisten. Schliesslich schwingt sich einer auf sein Rad und begleitet uns bis vor die Stadt: Na bitte! Geht doch! Wir ueberqueren diverse Schleusen, die seit Jahrzehnten ausser Betrieb sind, weil es die alljaehrlichen Hochwaesser seit dem Bau des Staudamms nicht mehr gibt. Neben den vielen Kanaelen rattern die Dieselpumpen, die aus armdicken Schlaeuchen das Kanalwasser in die Bewaesserungsgraeben der Felder pumpen. Dort haben die Bauern ein Geflecht von kleinen und kleinsten Kanaelen angelegt, um jeden Winkel ihrer Felder zu bewaessern. In den Doerfern wird viel Fahrrad gefahren, aber es sind ausschliesslich die Maenner und Knaben, die fahren. Nie haben wir eine Frau oder ein Maedchen gesehen. Wenn man beobachtet, dass die Frauen auf den Motorraedern hinter ihren Maennern stets im Damensitz sitzen, hat man die Erklaerung parat: Fuer Frauen ist das Sitzen mit gespreizten Beinen auf einem Sattel unschicklich, so wie in Europa vor ueber 100 Jahren. Hinter Qena legt man keinen Wert mehr darauf, uns weiter zu begleiten. Am Mittag machen wir Halt vor einem grossen Privathaus mit einer kurzen Allee aus hohen Gummibaeumen davor. Darunter laden einfache Holzbaenke zum Rasten ein. Binnen kurzer Zeit stellen sich nicht nur 30 Kinder ein, sondern auch der Buergermeister des Ortes und eine Menge Maenner. Die Frauen bleiben im Haus. Der Bruder des Hausbesitzers sitzt im Kairoer Parlament, wie wir auf zahlreichen Fotos sehen koennen. Man bietet uns Tschai an, den Renata im Haus, bei den drei dort anwesenden Maedchen trinkt und ich draussen bei den Maennern. Kaum habe ich den Tee getrunken, wird mir schwindelig, seltsam schummrig. Renata kommt aus dem Haus und fragt mich alamiert, ob mir auch so schwindelig sei! Den Tee haben nur wir beide getrunken und es hat lange gedauert, bis er uns gebracht wurde. Die beiden aeltesten Maedchen bepflasterten Renata sofort mit politischen Fragen: Was sie von Scharon halte, ob sie Juden moege, was sie von den Palaestinensern denke usw. Im Tee waren K.O.-Tropfen, zu wenig, um uns umzuhauen, aber genug, um uns daran zu hindern, weiterzufahren. Wir schlagen die Einladung zum Essen natuerlich aus und wir sagen nichts, denn wir koennten nichts beweisen. Die Maenner wissen wahrscheinlich nichts von dem, was die Maedchen sich da erlaubt haben- vielleicht wollen sie nur, dass wir laenger bleiben, vielleicht wollten sie uns ein bisschen schaden, weil wir westlich sind und somit auf Seiten der Israelis (so einfach sind hier die Rechnungen). Diese K.O.-Tropfen sind vorallem in Luxor und Assuan weitverbreitet. Hotelpersonal, oder Fellukakapitaene u.a. mischen sie unter Getraenke und das Essen, um die Touristen auszurauben, oder ihnen die Kreditkarten unbemerkt abzunehmen. Mit denen fahren sie dann zu einem Haendler, der von der Karte Geld zieht. In Kairo laedt man zum gleichen Zweck Touristen zu scheinbaren Parties ein, die aber einzig zu dem Zweck stattfinden, um diesen einen Touristen auszurauben, nachdem man ihn mit Tropfen betaeubt hat. Auch Prostituierte machen das mit ihren auslaendischen Kunden. Wir haben von diesen Geschichten viel gelesen und auch Erste-Hand-Informationen gehoert. Im schlimmsten Fall wird eine betaeubte Frau auch vergewaltigt. Trotz Benommenheit fahren wir weiter. Und wir sind wieder enttaeuscht, dass man selbst Gastfreundschaft nicht unbesorgt annehmen kann. Ein Stueck weit faehrt noch ein Polizist auf einem Jawa-Moped, dem hiesigen, allgegenwaertigen russischen Moped hinter uns her. Mit seiner verspiegelten Sonnenbrille und der faltenlos-sauberen Uniform siehr er aus, wie ein amerikanischer Cop auf einer Mini-Harley. "Poett-poett-poett" rattert das Vehikel hinter uns. Am Abend erreichen wir Qena, ein Durchgangsstaedtchen fuer die Busse nach Hurgada an der Kueste und Luxor im Sueden. Eine blitzsaubere Stadt, sicher die sauberste, die wir bisher in Aegypten gesehen haben. Vor wenigen Jahren wurde hier Gross-reine gemacht- wie man sieht, geht das sogar in Aegypten! Aber alle Hotels sind belegt, bis auf das schlechteste, lauteste am Bahnhof. Der Rezeptionist verlangt stur 40 Pfund, mehr als das Doppelte des angemessenen Preises und er lacht uns aus, als wir nebenan im Restaurant ebenfalls ueber den Tisch gezogen werden sollen, indem man uns das Dreifache eines normalen Preises abverlangt. Am Ende bleibt uns nichts anderes uebrig, als in diesem Hotel doch einzukehren, was uns gewaltig stinkt, wie man sich denken kann. Die Bettwaesche ist schmutzig und wir bitten um neue, die dann ebenfalls schmutzig ist, man kennt das ja. Neue Kopfkissenbezuege gibt man uns nicht. So langsam werde ich ungehalten. Ich bitte um neue Bezuege und der Helfer des Rezeptionisten lehnt sich gemaechlich ueber das Gelaender und fragt mich frech: "Why?" Ich ziehe die Kopfkissenbezuege ab und zeige dem Chef die reichlichen Flecken. Dann kommt er mit neuen Bezuegen ins Zimmer und mit seinem Angestellten stellt er sich vor uns und fuehrt uns wie ein Clown den Kindern die angeblich sauberen Bezuege vor. Ich nehme ihm dieselben ab und sage ihm, wir seien doch nicht im Zirkus. Und ausserdem ist ein Bezug wieder voller klebriger, gelber Flecken. Wir sind es so satt! Woher nehmen diese Kerle nur das Recht fuer ihre respektlose Art? Dann geht Renata Duschen, waehrend ich Getraenke besorge. Als ich zurueckkomme, ist Renata aufgeloest! Was ist passiert? geschrieben am 5.9. in Luxor
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