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Reisetagebuch

9/4/2003   Aegypten / Luxor

Das Buch der Toten

Der Kult und die Religion der alten Aegypter

(Harald und Renata) Um zu verstehen, warum die Aegypter einen zu dieser Zeit in der Welt einmaligen Aufwand betrieben, um die vielen Grabbauten zu errichten, muss man verstehen, was sie glaubten. Denn der Glaube hat in Aegypten im wahrsten Sinne des Wortes Berge versetzt: In Assuan wurden ueber Jahrtausende Granitbloecke geschlagen und mit Schiffen nilabwaerts transportiert, um z.B. die Pyramiden zu verkleiden.

Die Angst vor dem Tod, das Unfassbare der Nichtexistenz, die Unbegreiflichkeiten der taeglichen "Wunder" von Sonnenauf- und Untergang, Erscheinen der Sterne, immer wiederkehrende Ordnung der jahreszeitlichen Ablaeufe, sowie Katastrophen usw. brauchten Antworten, Erklaerungen, die der Glaube zu geben vermochte.

Zentrales Wunder war der Nil, einer der laengsten Fluesse der Welt und Lebensader Aegyptens. Inmitten der lebensfeindlichen Wueste ernaehrte der Fluss die Menschen. Wasser und Bootsfahrt wurden Symbole der Verehrung, genauso, wie die Tiere, die seinerzeit im Gebiet Aegyptens lebten: Der Schakal, der dem Gott Anubis entsprach, die Kuh, die Hathor entsprach, der Falke (Horus), desweiteren die Kobra, der Geier, das Nilpferd, das Krokodil, der Loewe, der Leopard und der Scarabaeus-Kaefer usw.

Hoechste Goetter waren Amun, der Luftgott und vorallem Re/Ra, der Sonnengott und Osiris. Insgesamt haben die Aegyptologen etwa 600 Goetter gezaehlt, deren "Verantwortungsbereiche" sich oft ueberschnitten. Jedermann verehrte seinerzeit die ihm fuer sein Leben wichtigsten Goetter. Man betete fuer eine gute Ernte, fuer Kindersegen, Kriegsglueck, Gesundheit usw.

Der Betende/Bittende opferte den Goettern Speisen, Getraenke, Schmuck, Raeucherwerk, kostbare Duftoele, Blumen, lebende, oder mumifizierte Tiere u.ae.

Viele Goetter wurden in Tempeln besucht, die die Pharaonen als eigene Opfergabe betrachteten, allerdings auch stets mit eigenen Statuen schmueckten, um gleichzeitig ihre eigene Wichtigkeit und goettliche Abstammung zu unterstreichen.

In den Tempeln arbeiteten die Priester der jeweiligen Gottheit. Sie und die Schreiber bildeten die wissende Elite zwischen dem Volk und den Goettern. Wie z.B. die moslemischen Pilger heute nach Mekka, oder die Juden zur Klagemauer pilgern und die Hindus zum Ganges, so reisten die Glaeubigen damals hierher nach Luxor, damals Theben. Hier versammelte man sich in den Tempeln als Gemeinde, wie in einer Kirche, um an den Zeremonien teilzunehmen, zu opfern und zu beten, hier fuehlte man sich den Goettern naeher, besser verbunden, durch die Hilfe der Priester.

Hier hatten die jeweiligen Koenige/Pharaonen ihre grossen Auftritte, hier konnten sie mit Hilfe ihrer Kleidung, ihrer Diener, Soldaten, Priester, Sklaven, ihres enormen Reichtums und Opfergaben, beim Volk Eindruck machen. Hier praesentierten sie sich als Soehne der Goetter, als Halbgoetter, als Teil der Goetterfamilie. Ihre Bildnisse, Statuen wurden mit Zeichen der hohen Herkunft verbunden: Kronen und andere Kopfbedeckungen, die Symbole der Gottheiten waren. Es sind vorallem die "starken" Tiere, die man immer wieder sieht: Die Kobra, der Geier, der Loewe usw.

Der Fluss stellte eine Grenze dar, eine Ueberfahrt entsprach der Vorstellung nach der Reise ins Jenseits, dem Reich der Toten, der lebensfeindlichen Wueste.. So wurden die Toten nach der Mumifizierung mit einer Barke stets von einer auf die andere Flusseite gebracht, oder sogar den Fluss hinauf oder hinab geschifft, um dann z.B. in Saqara, Abydos, oder Theben am Rande der Wueste (des Totenreiches)begraben zu werden.

Um fuer die Ewigkeit vorbereitet zu sein, brauchte der Tote nach damaligem Glauben einen weitgehend intakten Koerper. In vorgeschichtlicher Zeit wurden die Toten einfach in der Sandwueste begraben. Jahrzehnte spaeter stiess man dann immer wieder auf die ausgetrockneten Leichen, die durch die Hitze und Trockenheit natuerlich, schnell getrocknet und somit mumifiziert waren: Die Koerperfluessigkeiten konnten schnell abfliessen, Haut, Haare, Naegel und Knochen erhielten sich. Die Toten moegen in diesem Zustand die Menschen ihrer Zeit tief beeindruckt haben und ihnen als Zeugen einer Unvergaenglichkeit erschienen sein.

Reichere, hoehergestellte Persoenlichkeiten wollten vielleicht "angemessener" begraben sein und liessen sich Steingraeber anlegen. Aber darin verwesten wegen der hoeheren Luftfeuchtigkeit die Leichen. Man suchte dann in einem langen Prozess nach Abhilfe und etwa 2600 v.C. hatte man das Problem geloest, indem man die inneren Organe weitgehend entnahm. Der Koerper wurde seitlich aufgeschnitten, um die Organe herauszuholen und alles Blut abfliessen zu lassen. Durch die Nase wurde mit einem Quirl das Gehirn pueriert und dann abgesogen. Dann wurden Leiche und Organe mit Wasser gewaschen und mit Natron gesalzen und fuer 40 Tage luft-hitzegetrocknet. Danach wurde das Salz ausgewaschen, alles gereinigt und mit verschiedenen Oelen, Gewuerzen und Harzen eingerieben, so dass das Ganze auch annehmbar roch.. An verschiedenen Stellen des Koerpers wurden von den Priestern Amulette im Koerper plaziert, die dabei magische Texte vortrugen, um deren Schutzfunktionen zu aktivieren. Schaedel und Torso wurden mit Planzenfasern und Lumpen ausgestopft, um auch die Form zu halten. Danach wurde alles in mehrere Schichten Leinen eingewickelt.

Die Organe wurden jeweils in eine sog. Kanope, eine Art Urne, gelegt. Die Mumie wurde dann mit ihrer Totenmaske in den hoelzernen, ersten, inneren Sarg gelegt, der dann in einer Prozession zur Pyramide, der Mastaba, oder zur Gruft gebracht wurde. Erst hier wurde die "Zeremonie der Mundoeffnung" vollzogen. Hierbei wurde der Mund der Mumie geoeffnet und mit dem Symbolschluessel, der aussieht, wie ein fruehes, christliches Kreuz, wurde die Seele des Toten reanimiert und die Aufnahme von Nahrung, das Atmen und Sprechen ermoeglicht. Dabei wurden Opfergaben dargeboten und man wuenschte dem Toten " tausend von allen guten und reinen Dingen fuer die Seele", etc.

Die Koenige, wie z.B. Tut-Ench-Amun, wurden in vier ineinandergefuegte Holzsaerge gelegt, die dann in einen Steinsarg, den Sarkopharg gelegt wurden. Dann wurden vier Holz-"zimmer" darum gebaut, wieder alle ineinandergeschachtelt, darin auch die ebenfalls mehrfach ummantelten Kanopengefaesse. Das alles war mit Gold beschlagen, mit Schmuck, Edelsteinen und Amuletten geschmueckt, bemalt und verziert.

Den toten Pharaonen wurden dann ganze Armeen von kleinen Steinpueppchen beigegeben, sog. Schabtis, die Dienerfunktionen hatten: Sie mussten dem Toten im Jenseits alle Wuensche erfuellen.

Die Malereien in den Graebern ersetzten teilweise tatsaechliche Gegenstaende, genauso, wie das im Steinboden neben der Cheopspyramide ausgeschlagene Schiff ein tatsaechliches ersetzte. Die Malereien erzaehlten von Herkunft, Beruf und Taten und Leben der Toten. Sie beschworen die Unsterblichkeit und Verehrung der Goetter des Jenseits und deren Hilfe. Das Herz des Toten wurde auf einer Waage gewogen- war der Tote mit einem boesen Herzen gestorben, konnte er nicht wiederauferstehen. Kommt einem doch bekannt vor, nicht wahr?

Groesste Sorge der Koenige war es, ihre Mumien zu schuetzen, sowie die Kostbarkeiten, die sie im Jenseits brauchten. Ausserdem musste sichergestellt werden , dass die Opfergaben der Bevoelkerung dem Toten zugute kommen konnten, die diese in den jeweilig zugehoerigen Tempeln darboten. Zunaechst grub man in steinigen Boeden tiefer. Als dies Grabraeuber nicht abhalten konnte, schichtete man die Mastabas, zweistufige Steinschichten darueber, dann ganze Pyramiden. Aber selbst das half nichts: Auch die groessten Pyramiden wurden gepluendert. Danach kehrte man zur Hoehlenbestattung zurueck und somit ins Tal der Koenige. Aber auch das half nichts: Sei es hoch oben in den Felsen verborgen, sei es sehr tief gegraben, sei es mit Scheingaengen und -kammern verborgen, alle Graeber wurden gepluendert. Das einzige, ungeoeffnete Koenigsgrab war das des Tut-Ench-Amun, am dem sich Grabraeuber zwar zu schaffen gemacht hatten, es aber nicht vollstaendig oeffneten. Und nur sehr wenige Graeber niederer Raenge des Hofstaates blieben verschont.

Die Grabraeuber liessen sich weder durch angsteinfloessende Statuen, noch durch beschwoerende Inschriften abhalten. Die Flueche, besser Bannsprueche in den Graebern blieben unbeachtet, angesichts der unvorstellbaren Reichtuemer, die dem Dieb winkten.

In den Tempeln und Graebern wird immer wieder das sog. "Buch der Toten", das Amduat wiedergegeben, worin die Regeln des Jenseits aufgeschrieben sind: Wer, wie, warum entscheidet, wer ins lebendige Jenseits einziehen darf. Es ist nicht das einzige "Buch", wobei es sich ja nicht um Einbaende in unserem Sinne handelt, sondern um jahrhundertealte Ueberlieferungen mittels staendiger Inschrift in Statuen, Tempeln, Graebern usw. Wahrscheinlich wurden auch Papyrusrollen damit beschriftet, aber diese sind nicht erhalten. Da gibt es ausserdem das "Pfortenbuch", dass "Buch von der Erde" und das "Hoehlenbuch".

Der Vorstellung nach fuhr der Sonnengott Re allnaechtlich durch die Unterwelt, nachdem er im Westen (als Sonnenscheibe) untergegangen war. Die naechtliche Welt war in zwoelf Bereiche unterteilt, die den Stunden entsprachen. Hier setzte er ueber den Unterwelt-Nil und focht gegen das Boese in Gestalt der Riesenschlange Apophis, die die Urmaechte des Chaos verkoerperte. Dieser Kampf entschied Nacht fuer Nacht ueber den Fortbestand der Welt und wenn Re, der oft mit Osiris gleichgesetzt wurde, am Morgen im Osten ueber dem Nil wieder aufging, hatte er den Kampf erneut gewonnen.

Die Tempel und Graeber zeigen einen ausgesprochenen Sinn fuer Symetrie und Schoenheit. Das alles war mit Malereien , Statuen, Baumalleen und Blumenbeeten geschmueckt. Abbildungen zeugen vom Bemuehen, alle Sinne anzusprechen, auch den Geruchssinn.

Man mag sich fragen, warum sich das "einfache" Volk nicht gegen die "Geldverschwendung" eines gigantomanischen Tempel- oder Pyramidenbaus auflehnte.

Zunaechst: die Vorstellung, diese Bauten seien ausschliesslich Ergebnis von Sklavenarbeit, ist falsch. Schwere, gefaehrliche Arbeiten, die von fast Ungelernten ausgefuehrt werden konnten, wie die in den Steinbruechen und beim Transport, konnten Sklaven uebertragen werden. Aber feinere Steinmetz- und Stuckarbeiten, Malereien usw. war Fachleuten ueberlassen, die sogar aus dem Ausland anreisten.

Die Menschen glaubten seinerzeit, dass die Koenige und ihre Familien Goetter waren, die sie nicht nur beherrschten und benutzten, sondern auch beschuetzten. Sie waren die Verbindung zu den Goettern, zum Jenseits, sie wussten alles, sie konnten planen und entscheiden. Sie zu verehren, ihnen zu dienen, war heilige Pflicht. Als diese Einheit in spaeterer Zeit zerfiel, zerfiel auch das pharaonische Aegypten. Zeugniss seiner Kraft sind heute nur noch die Ruinen und Inschriften.

geschrieben am 11.9. in Luxor


 

 

 

 

 

 


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