9/6/2003 Aegypten / Luxor
Das Tal der Koenige
Besuch des Friedhofs der Pharaonen
(Harald und Renata) Die Bestattungsarten der aegyptischen Koenige wechselten ueber die Jahrtausende: Nach den Mastabas und Pyramiden der sog. Fruehzeit (ab ca. 3100 v.C.) und im Alten Reich (ab ca. 2750 v.C.) liess sich der Pharao Mentuhotep als erster einen Totentempel im Talkessel von Deir El-Bahari errichten, in dem schon zuvor Beamte ihre Graeber hatten in den Fels schlagen lassen. Danach kehrten die Koenige nochmals fuer etwa 500 Jahre zum Pyramidenbau zurueck, um dann um 1540 v.C. wieder im weltberuehmten "Valley of the kings" ihre Grabhoehlen zu erschaffen. Der bruechige, weiche Kalkstein ermoeglichte tiefe Schaechte, allerdings nur begrenzt-grosse Hohlraeume. Die entlegene Lage des Tales, ihre abgeschlossene Form bot sich an. Hier wurden 62 Graeber gefunden, nicht alle waren Koenigsgraeber. Wir haben uns fruehmorgens mit den Raedern aufgemacht, wollen ueber die Nilbruecke fahren. Aber, welch Erstaunen!, die Bruecke liegt kilometerweit im Sueden. Warum nicht in Luxor, bleibt ein Raetsel. Abertausende Busse fahren somit erst flussaufwaerts, ueber die Bruecke, um dann wieder den ganzen Weg zurueckzukehren. Mubarak war bei der Einweihung, als er diesen Unsinn erkannte, stinkesauer, wie man uns erzaehlt. DER Bauleiter moechte ich nicht gewesen sein... Mit der Faehre, die hier im staendigen Pendelbetrieb den Fluss ueberquert, setzen wir in wenigen Minuten zur West Bank ueber. Wir zahlen 1 Pfund pro Person, Einheimische ein Viertel dieser Summe. Und das sind staatlich festgesetzte Preise! Der Fluss zieht kuehl und traege dahin, wir sitzen zwischen schwarzgekleideten Frauen, kleinen Maedchen mit bunten Haarklammern und Zoepfchen, Knaben, die uns laechelnd und etwas frech ein "Hello!" entgegenwerfen und einer Maennerschar in Gallabiyas mit einer Vielzahl weisser Turbane, jeder auf eigene Art gewickelt. Nach ein paar Kilometern Fahrt auf einer Teerstrasse stehen wir vor den Memnon-Kolossen, zwei 18 Meter hohen Statuen des Pharaos Amenhotep III. Sie waren Teil einer riesigen Tempelanlage, die einst groesser, als die von Theben war. Aber diese Anlage lag zu tief und wurde immer wieder von Nilhochwaessern ueberschwemmt und zerfiel komplett, nur die beiden Kolosse blieben erhalten. Mit zerstoerten Gesichtern schauen sie seit einem Erdbeben 27 v.C. grimmig-missmutig auf die Touristenbusse und die kleinen bunten, halbnackten Gestalten herab, die sich da um ihren Thron herumschleichen. Schon in griechisch-roemischer Zeit waren sie eine Touristenattraktion, weil die Griechen sie fuer Abbilder von Memnon hielten, einen aethiopischen Koenig, der im Trojanischen Krieg von Archilles getoetet wurde. Dann geht es durch ein Dorf voller bunter Souvenierlaeden hindurch. Hier werden Alabaster- und Steinfiguren angeboten. In den ockerfarben leuchtenden Berghaengen links von uns sehen wir Tempelruinen und Grabeingaenge. Die Strasse macht einen weiten Linksbogen und fuehrt in einem Wadi hinauf in die Berge. Trotzdem wir kaum Gepaeck dabei haben und uns ein leichter Wind kuehlt, sind wir doch recht froh, als wir endlich oben ankommen. Das Tal wurde weltberuehmt, als der englische Archaeologe Howard Carter hier 1922 das fast unversehrte Grab des jungen Pharaos Tut-Ench-Amuns fand. Viele der Graeber wurden bereits in der Antike entdeckt und gepluendert. Die Pharaonen hatten hier versucht, ihre Graeber zu verstecken, weshalb es nicht, wie bei den Pyramiden, einen jeweils zum Grab gehoerigen Tempel gibt. Nach der Begraebnisszeremonie wurden die Graeber verschlossen und so mit Steinen und Geroell ueberdeckt, dass ihre Lage nicht mehr zu erkennen war. Das Tal wurde ueberwacht und geschuetzt, aber Oberaegypten fiel mehrmals in feindliche Haende. Manchmal rissen lokale Fuersten die Macht an sich und das Land verfiel in Anarchie, es kam zum Buergerkrieg und Hungernoeten in dem reichen Land. Somit versagte auch die Kontrolle ueber die Grabstaetten und Raeuber versuchten wahrscheinlich mit Geld Soldaten und Handwerker zu bestechen, ihnen die Lage der Graeber zu verraten. Die Maehr, dass die Erbauer der Graeber nach Fertigstellung ermordet wurden, kann man getrost als unsinnig abtun: Welcher Handwerker haette noch angesichts solcher Aussichten gearbeitet? Von den 18 Graebern, die der Oeffentlichkeit zeitweise offenstehen, sind heute nur 9 zugaenglich. Jedes wurde anders angelegt und erstaunlicherweise ist das beruehmteste das kleinste: Das Grab von Tut-Ench-Amun wurde nie fertiggestellt und nur die kleine Grabkammer ist komplett bemalt. Hier liegt in einem Sarkopharg, unter einer Glasplatte, noch einer der vier, mit Gold beschlagenen Holzsaerge. Der Pharao starb unerwartet und es blieb nur unzureichend Zeit, ihn angemessen zu bestatten. Die erste Kammer war von Pluenderern aufgebrochen worden und das Inventar, Moebel und Statuen, lagen aufeinandergetuermt herum, als Carter 1922 hier fuendig wurde. warum die Einbrecher nicht weiter vordrangen, weiss man nicht. In den Graebern, die seit Jahrhunderten offenstanden, sind nur wenige Malereien erhalten. Manche Graeber wurden ausgeraubt, gerieten aber wieder in Vergessenheit, weil die Diebe die Mumien und Steinsaerge nicht entfernten und das Grab, wie auch immer, verschlossen wurde. In drei Graebern sehen wir beeindruckende Malereien, die stets den Pharao auf dem Weg ins Jenseits zeigen, wo ihn die Gottheiten Anubis, Isis, Amun, Re, Horus und vorallem Osiris empfangen. Darstellungen von Grabbeigaben, sowie Erzaehlungen der Taten des Koenigs mittels der Hyroglyphen-Schrift wechseln mit Bildern vom Nil, Papyrus und Booten ab. Jeder Quadratmeter ist bemalt, Saeulen und Decken, selbst die Saerge sind noch innen bearbeitet. Die Decken schmuecken blaue Sternenhimmel mit fuenfendigen, gelben Sternchen, wie in einem Kinderzimmer. Die farben sind pastellig und wunderschoen, einfach eine Wohltat fuer die Augen. Die Bilder sind naiv, stets kehren die Motive wieder. Und fuer alles gibt es eine Ausnahme: Alle Figuren werden mit seitlich sichtbarem Gesicht, aber frontal zugewandtem Koerper dargestellt, bis auf eine seltsame Ausnahme einer Figur, die wie ein Chinese aussieht. Und auch ein haesslicher Gott ist darunter und einer, dessen Hinterkopf zu sehen ist. Die Graeber sind ueber quadratische, exact zugehauene Tunnel zu erreichen, die stets abwaerts fuehren, manchmal ueber hundert Meter weit und tief in den Berg hinein. Manche Tunnel sind grobwaendig, manche gebogen, von manchem Grab aus wurden Zugaenge in ein Nachbargrab geschaffen. Tief unten im Fels finden sich rechts und links kleinere Kammern, in denen die Grabbeigaben lagen, oder auch Scheingaenge angelegt wurden. Am tiefsten Punkt stand dann der Sarg, mancher ein Koloss von mehreren Tonnen, gross wie ein Kleintransporter. 1995 erweiterte man die Asphaltstrasse, die die ersten Graeber verbindet. Dabei stiess man auf das groesste aller Graeber, in dem etwa 50 Soehne von Ramses II begarben waren. Zwar ausgeraubt, aber einzig in seiner Anlage. Das Grab "KV 5" ist jedoch nicht zugaenglich. Was mag hier noch alles in den Huegeln verborgen sein? geschrieben am 12.9. in Luxor
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