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Reisetagebuch

9/14/2003   Aegypten / Isna

Fuerstliche Glieder

Im Zelt am Nil / Die Geschichte von Amun Min

(Harald und Renata) In der Frueh stehen drei traurige Menschen vor der Jugendherberge. Auf Wiedersehen Mi Kyong, gute Reise und Heimkehr! Vielleicht sehen wir uns in Italien oder Deutschland wieder? Wir muessen weiter, mit dem Wind nach Sueden, tief hinein nach Afrika.

Entlang der schoenen Flusspromenade, vorbei an der Bruecke, fuehrt uns die Strasse weiter gen Sueden. Unsere Hoffnung, dass es sich etwas abkuehlen wuerde, erfuellt sich nicht. Es bleiben staendig etwa 40 Grad im Schatten, in der Mittagssonne, gegen 14 Uhr, sind es ueber 50 Grad. Ich habe mir in Luxor einen neuen Hut gekauft, dessen breite Krempe besseren Schatten gibt- angeblich australischer Stil, samt Lueftungsloechern. Renata sagt, ich saehe aus, wie Indiana Jones.

Die Polizei bleibt inkonsequent, wie so oft: Mal begleitet sie uns, mal nicht. Mal werden wir mitten auf der Strecke angehalten und man erklaert uns erstaunt, es sei doch verboten, hier alleine zu reisen und sehr gefaehrlich, mal werden wir lax durchgewunken.

Das Niltal verengt sich hier dramatisch, so dass stellenweise auf einer Flussseite nur noch ein paar Palmen stehen und etwas Schilf und auf der anderen gerademal etwa 200 Meter Fruchtland den kleinen Lehmhaus-Doerfern und ihren armen Einwohnern ein Auskommen bieten. Fabriken, Produktionsstaetten o.ae. haben wir seit Assyut nicht mehr gesehen. Ohne die Touristenbusse auf der guten Strasse, ohne die grossen Schiffe auf dem Fluss, wuerde man sich am Ende der Welt und in einer frueheren Zeit waehnen. Es gibt kaum Traktoren, aber tausende Esel, die in riesigen Buescheln Zuckerrohr auf dem Ruecken tragen und die einachsigen Gummiradkarren ziehen. Neben der Strasse stehen sie oft eingeschirrt, stundenlang, oder sind festgepflockt der Hitze ausgesetzt. Nicht einmal(!) haben wir einen Eimer mit Wasser daneben gesehen und viele Tiere sehen herzzerreissend aus. Uebersaet mit Scheuerwunden vom schlechten Geschirr, Schlagwunden von der endlosen Pruegelei. In der Broschuere des Brooke-Hospital lesen wir, dass man Kliniken in mehreren Laendern der sog. Dritten Welt unterhaelt, z.B. im islamischen Pakistan, aber nirgends so excessiv geschlagen wird, wie in Aegypten. Obwohl die Tiere meist voellig gleichmaessig und zuegig laufen, wird mechanisch zugeschlagen. Oft sind es Kinder, die mit Knueppeln auf die vorstehenden Knochen oder gezielt seitlich unter den Bauch und an die Beine peitschen. Man moechte hineilen und ihnen selbst mal...

Unterwegs machen wir halt an einem der Mini-Garkuechen vor einem Coffeeshop und essen Falafel, die vor unseren Augen frisch zubereitet werden.

Am Mittag erreichen wir Isna, eine Ortschaft, die durch den hiesigen Tempel bekannt ist. Ein Polizist auf einer 750er Suzuki leitet uns misslaunig durch die Gassen. Das einzige Hotel hier ist dreckig und ueberteuert und wir lehnen ab, dort zu bleiben.

Als wir den Tempel besichtigen, der mitten im Zentrum liegt, begegnen wir einem Paar aus Suedafrika. Warrick Selzer kommt aus Johannesburg und laedt uns ein, ihn zu besuchen. Na, bis dahin fliesst noch viel Wasser den Rhein (oder Nil) runter...

Der dem widderkoepfigen Gott Chnum geweihte Tempel liegt 9 Meter unter dem heutigen Niveau der Stadt- ein anschauliches Beispiel fuer die Schichten, die sich im Laufe der Jahrhunderte ansammeln. Unter dem Pharao Ptolomaeus VI begonnen, vom roemischen Kaiser Claudius etwa 50 n.C. ausgebaut, wurde der Bau erst unter Decius, etwa 250 n.C. vollendet und in ihm finden sich die letzten Inschriften, die in Hieroglyphen verfasst wurden.

Die Anlage war, wie in Luxor, mittels eines Kanals mit dem Nil verbunden, den Kaiser Marcus Aurelius (161-180 n.C.) anlegen liess und in der Vorhalle ist sein Sohn Commodus dargestellt (180-192 n.C.) Wir erinnern uns: "Der Gladiator"?

Hier, wie z.B. auch in Luxor, wird Amun-Min, eigentlich ein Sterblicher, ein Fuerst unter einem der Ramsesse, als Gott dargestellt. Sein Koenig uebertrug ihm alle seine Frauen und Kinder und die seiner hochrangigen Militaers zur Obhut, weil er in einen langen Krieg zog. Die etwa 7000 Menschen wohnten in einem der Palaeste und als Ramses vom Krieg heimkam, waren etwa 7000 Kinder fremder Vaeter geboren worden, was den Pharao derart erzuernte, dass er Amun Min einen Arm und ein Bein abhacken liess. Ob der das ueberlebt hat, wusste der Guide nicht, der die Geschichte erzaehlte. Aber im naechsten Krieg waren es eben diese jungen Maenner, die damals fremdgezeugt wurden, die in einer Schlacht Aegypten retteten und posthum wurde Amun Min "heilig gesprochen" und spaeter als Gott verehrt. Sein hervorstehendes Merkmal war sein fuenftes, bzw. drittes Glied...

Wir bitten die Polizei auf dem Kai am Nilufer das Zelt aufschlagen zu duerfen und man stimmt zu. Unter einem gruenen Zeltdach auf dem Anlegekai spannen wir im Abendwind das Innenzelt samt Mueckennetz auf. Trotzdem besucht uns eine grosse Krabbenspinne, eines dieser unglaublich schnellen Viecher.

Fuer die Kinder sind wir Objekt der Neugierde. Sie werfen Sand und spucken in Richtung Zelt, aber ein Polizist schuetzt uns. Ausserdem findet gerade eine Hochzeit am Kai statt und stundenlang kurvt die Gesellschaft hupend durch die Stadt, bevor Braut und Braeutigam alleine, Arm in Arm, als Einzige am Kai entlanglaufen duerfen.

Eines der riesigen Ausflugsschiffe liegt am Kai weiter hinten, aber grotesk wird es, als so ein 10 Meter hoher Kahn uns vom Fluss aus anstrahlt und in einer langen Prozedur direkt an unserem Zelt anlegt. Und nach und nach trudeln noch drei andere Poette ein, an Schlaf ist kaum zu denken.

Dann winkt mich der fuer die Nacht wachhabende Polizeioffizier zu sich: Sorry, aber sie muessen anderenorts schlafen! Ich hoere wohl nicht recht?! Tja, Security! Der Kai ist gesperrt, wegen der Touristenschiffe. Ich frage, ob man es fuer moeglich haelt, dass wir den Touristen gefaehrlich werden koennten. Der Mann ist verlegen. Und wo, bitte schoen, sollen wir bleiben? Dann kommt der Hammer. Mit vielen "Sorry" und "Im so sorry" sagt er, er habe den Auftrag von der Zentrale, mich zu fragen, ob ich vorhaette, mit Renata dort unten auf dem Kai Geschlechtsverkehr zu haben. Tja, was soll man da sagen? Ich muss es ihm ernsthaft versprechen und sage ihm, es sei doch wohl beschaemend, Gaesten solche Fragen zu stellen. Aber das ist Aegypten.

geschrieben am 18.9. in Assuan


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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