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Reisetagebuch

9/24/2003   Aegypten / 150 km vor Abu Simbel

Halfa 303 (Hurrah, wir leben noch!)

Unter 40 Grad und Nordwind!

(Harald und Renata) In der Nacht muss ich um 1.30 Uhr zur Rezeption der Jugendherberge, weil die Touristenpolizei anruft, um mich zu fragen, ob wir tatsaechlich um 5 Uhr abfahren, wie wir es der Polizei schriftlich mitgeteilt haben. Ich frage den Mann, ob er es fuer richtig haelt, uns angesichts dieser Abfahrtszeit mitten in der Nacht anzurufen. Aber so erfahre ich, dass uns, entgegen der Auskunft der Polizei vom heutigen Tage, doch eine Eskorte begleiten wird.

Um 5.30 stehen die Herrschaften, vier an der Zahl, tatsaechlich in ihren braunen Uniformen, mitsamt einem dunkelblauen Pick-Up vor der Tuere. Der kommandierende Oberleutnant ist ein grosser, muskuloeser Sportsman, 28 Jahre alt, ein ruhiger und freundlicher Typ: "I go with you Abu Simbel", sagt er. Der Rest der Mannschaft ist guter Laune und hilfsbereit, eine nette Truppe, so scheints. Das Angebot, unser Gepaeck auf den Wagen zu laden, nehmen wir erstmals an.

Es ist noch stockduster, Neumond, und angenehm kuehl.

Ich habe kaum geschlafen, angespannt, wie immer, vor wichtigen Abschnitten. Als ich 1997 von der Haut Provence 185 km bis nach Marseille an einem Tag durchgeradelt bin, konnte ich fast garnicht schlafen und bin um 2 Uhr aufgebrochen. Und auch heute haette ich keinen Schlaf gebraucht, so aufgeputscht bin ich.

Renata erging es ganz aehnlich.

Wir fahren aufwaerts, aus Assuan raus, dann zum alten Staudamm, der gelb beleuchtet den Katarakt ueberspannt.

Ein Soldat stoppt uns: Ueberfahrt fuer Radfahrer verboten! Wir sollen auf den Polizeiwagen aufladen. Wir machen unseren Polizisten leidenschaftlich klar, wie wichtig uns die Ueberquerung mit den Raedern ist und nach Fuersprache Mohammeds winkt uns der Mann durch.

Es geht weiter aufwaerts, dann hinaus in die Wueste, vorbei am Flughafen im Zwielicht, wir passieren einen letzten Checkpoint der Polizei. Und dann, wir trauen unseren Augen nicht, steht da ein Schild: "Halfa 303". Was doch bedeutet, dass es eine Strassenverbindung nach Halfa gibt, entgegen allen Auskuenften!

Links hinter uns geht die Sonne um 6.40 Uhr auf, ein oranger Ball, der noch keinerlei Waerme spendet.

Wir nehmen ein Fruehstueckchen auf dem Geroell am Strassenrand zu uns. Im Gepaeck haben wir 17 Liter Getraenke und reichlich Essen.

Die Wueste ist flach, wird nur von graphitfarbenen Huegeln durchbrochen, die 20, 30 Meter aufragen und in der Ferne gibt es vereinzelte Felsenabrisse. Ansonsten zerfallene Gebaeude im Niemandsland, rechts der Strasse eine Ueberlandleitung und gelegentlich mal ein Autowrack.

Um 10, 11 Uhr kommt die Hitze, aber wir haben Glueck mit dem Wind, der uns aus Nordwesten in den Ruecken blaest. So kommen wir gut voran. Ab und zu eine Trinkpause, Beine strecken, kurz ausruhen, nach 5 Minuten weiter. Nach 80 km, dort, wo eigentlich keiner sein soll, gibt es doch einen Coffeeshop mit Autoreparaturwerkstatt.

Wir passieren eine Radarstation, ueberall Sendemaste. Die Strecke ist nicht so menschenleer, wie uns gesagt wurde.

Als wir um 13.30 Uhr wegen der Hitze schliesslich endgueltig in den Schatten einer Ambulanzstation fluechten, stehen schon 100 km auf den Tachos.

Man bereitet uns dort in einem Nebenzimmer zwei Matratzen als Schlafstatt vor und wir stopfen uns Papiertaschentuchkuegelchen in die Ohren und schlafen etwas.

Um 18 Uhr brechen wir auf. Jetzt brauchen wir keine Sonnenbrillen und Huete mehr, die Sonne steht tief, kurz vor 19 Uhr geht sie unter. Wir fahren auch in der Dunkelheit weiter und erreichen gegen 20 Uhr ein Rasthaus, naja, eigentlich eine Art Coffeeshop, ein Einraumgebaeude mit Minikueche und grossen Holzbaenken unter Schilfrohrwedeln.

Wir essen Omelett (Eier werden hier nie gekuehlt), mit Brot und Ziegenkaese und Tee.

Ich moechte Renata nicht in dem Haus schlafen lassen- zuviele Maenner der falschen Sorte um uns. Also handel ich mit Mohammed aus, dass wir draussen, auf einem kleinen Sandhuegel, zwei Baenke aufstellen koennen, wofuer wir den oertlichen Wachhund dort vertreiben muessen, der aber, wie immer, voellig veraengstigt ist. Man warnt uns vor Hyaenen (die es hier garnicht gibt) und Schlangen usw.

Als wir unser Mueckennetznetz ueber das Doppelbankbett gespannt haben, zupft mich der Betreiber des Etablissements am Aermel. Breit laechelnd, ganz aufgeregt, zeigt er auf die gebaute Schlafstatt und Renata. Ich denke erst, er macht einen Scherz, frage mich, ob er kurz dort schlafen koenne und lache mit ihm. Aber dann wird mir klar, dass er mich ernsthaft fragt, ob er mit Renata dort "mal eben" schlafen koenne. Seine Gesten werden eindeutig. Ich bin derart verbluefft, kann das erst nicht glauben. Aber der Kerl laesst nicht locker, Renata blickt mich entsetzt an und Mohammed zeigt nur das Zeichen fuer "magnun" (verrueckt). Das ist mir zu wenig. Ich drohe dem moralisch Zurueckgebliebenen nachhaltig, ich wuerde ihn schlagen, wenn er auch nur in die Naehe der Baenke oder Renatas komme. Das wirkt, sein Grinsen gefriert und er blickt mich, heftig nickend, "tamam" sagend, an. Er hat verstanden.

Trotzdem bin ich beunruhigt, kann nicht einschlafen, erst gegen 1.30 Uhr falle ich in einen unruhigen Schlaf.

Wir sind heute 140 km gefahren, unser neuer Streckenrekord.

geschrieben am 26.9. in Assuan


 

 

 

 

 

 


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