9/27/2003 Aegypten / Assuan
Schnitt mit der Tradition!
Abreisevorbereitungen / Beschneidungen
(Harald und Renata) Wir wollen die Tickets fuer die Faehre kaufen, aber dafuer brauchen wir die Visa. Der freundliche Mitarbeiter des Schiffsbetreibers ruft fuer uns im Konsulat an. Also zum dritten Mal zum Konsulat. Dort treffen wir die beiden Belgier wieder, die noch keine Visa haben. Wir sind schnell abgefertigt und halten Visa mit Verlaengerung bis zum 4.10. in der Hand. Dann kaufen wir die Tickets und sind erleichtert. Noch einen Schub aegyptisches Geld zum Tauschen gegen sudanesische Dinare im Automaten ziehen und wir sind gewappnet. Es kann losgehen. Beim Essen mit Geoffroy und Loic, den Belgiern, erfahren wir deren Leidensgeschichte in Aegypten. Wie satt sie die staendigen Luegen, Betruegereien, Streitereien sind, wie oft sie schon handgreiflich wurden. Als ich im Netcafe sitze und Renata alleine losgeht, wird sie unten vor dem Haus mit einem Stein beworfen. Loic ist dabei und greift sich den jungen Kerl. Es ist voellig muessig, zu versuchen, die religioes verbraemte Indoktrination und den unterdrueckten Hass hier durchbrechen zu wollen, jedes Wort vergeblich. Selbst intelligenten, gebildeten Aegyptern faellt dazu nur ein, dass sei dumm, weil man doch das Geld der Touristen brauche. Von Moral, Anstand, Respekt, Benehmen ist nie die Rede. Man schuetzt uns, damit wir hier Geld lassen koennen. Der Pauschalreisende wird von derlei Erlebnissen abgeschottet und wer die geforderten Preise zahlen kann und will, dem wiederfaehrt vieles nicht. Wer sich nicht wehrt, weil er morgen eh abreist und aufs sichere Schiff eilen kann, nimmt die hiesige Realitaet gefiltert wahr. Eine der Dinge, die Urlauber nicht wissen, ist, dass fast jede Aegypterin beschnitten ist. Ein japanischer Anthropologe, der seit 16 Jahren in Oberaegypten forscht, bestaetigte mir, dass hier 100 % aller Frauen beschnitten sind. Im Norden sinken die Zahlen sehr langsam, aber Islamik-Studenten in Kairo gaben uebereinstimmend an, die Zahl fuer ganz Aegypten laege bei 95-97 %. Bei der sog. "Kleinen Beschneidung" wird (heute oftmals wenigstens im Krankenhaus) den Maedchen, etwa 9 Jahre alt, die Spitze der Klitoris abgeschnitten. Bei der "Grossen Beschneidung" werden dann die kleinen Schamlippen komplett und ein Grossteil der grossen, aeusseren Schamlippen abgeschnitten. Bei der sog. "Pharaonischen Beschneidung" werden dann, um jeden Versuch eines vorehelichen Beischlafes zu verhindern, die Hautreste mit einem dicken Faden vernaeht, d.h., die Scheide wird wie ein Kartoffelsack zugenaeht, bis auf ein etwa maiskorngrosses Loch fuer Urin und Menstruationsblut. Hygienische Aspekte dieser Prozedur moege sich der Leser selbst vor Augen fuehren. Erst in der Hochzeitsnacht wird die Vernaehung vom Ehemann aufgeschnitten- auch, wie der erste Geschlechtsakt der Braut dann aussieht, moege man sich selbst ausmalen. Die Grosse Beschneidung wird in Somalia, Yemen, Teilen Aethiopiens u.a. durchgefuehrt. Auf dem Land wurde das Schneiden von den Hebammen mit Glasscherben, Konserverdosendeckeln, bestenfalls mit einer Rassierklinge u.ae. gemacht. Eine auch nur oertliche Betaeubung gab und gibt es nicht, ausser im Krankenhaus. Dies ausschliesslich mit der Religion zu erklaeren, zieht nicht, weil dieser widerliche Brauch z.B. in Marocco, Algerien, Tunesien, Lybien usw. nicht, oder kaum verbreitet ist. Im Koran ist von der weiblichen Beschneidung nichts erwaehnt. Natuerlich wird ein eventueller Diskussionspartner einem Mitteleuropaeer nicht sagen, dass die Beschneidung auch (oder vorallem ?) deshalb durchgefuehrt wird, damit die Frau keine Lust empfindet und somit erstens keine sexuellen Ansprueche stellt und zweitens weniger Antrieb besitzt, fremdzugehen. Ein Lustgewinn der Frau ist nicht erwuenscht, weil er fuer die Fortpflanzung nicht notwendig ist. Wieso man glauben kann, dass der menschliche Koerper durch den Menschen selbst "verbessert" werden muesse, in dem man ihm Stuecke abschneidet, braucht schon einige Gedankenbruecken. Da ist von Opfern fuer den Glauben und goettlichen Botschaften , von Initiationsriten usw. die Rede. Weltweit haben sich viele engagierte Menschen gegen diese Tradition gewendet. U.a. auch Karl-Heinz Boehm, Gruender des Vereins "Menschen fuer Menschen" in Aethiopien. Wir werden darueber weiter berichten. geschrieben am 28.9. in Assuan
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