10/4/2003 Sudan / am Nil hinter Abri
Zu Fuss durch Afrika
Noch groessere Irre
(Harald und Renata) Aufbruch 6.15 Uhr mit dem ersten Tageslicht. Einer der wesentlichen Fehler, die wir gemacht haben: Renatas Dynamo hat nie richtig funktioniert und meine Batterielampe ist zu schwach, um im Dunkeln gut zu sehen. Die teuren Stirnlampen, die wir in Israel gekauft haben und deren Brenndauer mit 15 Stunden angegeben ist, lassen nach ca. 1,5 Std. in ihrer Wirkung derart nach, dass sie nicht mal zum Zeltaufbau taugen. Wir bewegen uns jetzt entlang des Nils, kleinere Ortschaften und einzelne Gehoefte reihen sich aneinander. Hier wird fast alles mit Eseln bewegt. Die Tiere sehen viel besser, als die in Aegypten aus und sie werden kaum geschlagen. Wir sehen keine Hunde mit gebrochenen Hueften mehr und sie werden nicht mit Steinen beworfen. Wie wuetend uns die Aegypter mit ihrer grundlosen Grausamkeit gegenueber den Tieren gemacht haben! Hier, bei den Nubiern, ebenfalls Moslems, sehen wir keine offenen Wunden von Schlaegen oder schneidendem Geschirr, keine durchgelaufenen Hufe, geschwollenen Gelenke. Die Tiere laufen oft abgesattelt frei herum, koennen sich Schatten, Wasser und Futter suchen. Wir sehen zum ersten Mal Esel, die sich im Sand waelzen, die gallopieren, herumtollen. Vor allem die Jungtiere lassen uns immer wieder lachend anhalten, wenn sie mit eigentuemlich hochgeworfenem Kopf, einmal rechts und einmal links zurueckblickend davonspringen. Sie naehern sich neugierig und zeigen natuerliche Verhaltensweisen, im Gegensatz zu den woertlich niedergeschlagenen Trauergestalten, die in Aegypten von frueh bis spaet aufgehalftert in der Sonne stehen. Unsere Hoffnung, dass die Strasse jetzt besser wuerde, erfuellt sich nicht. Lange Strecken fahren wir durch die Wueste, weitab des Hauptweges. Wir passieren Abri, bunte Lastwagen, die zu Sammeltransportern umgebaut wurden, fahren an uns vorbei. Stets wird gewunken, aber nie geschrien. Rechts von uns windet sich der Nil, Palmen markieren seinen Verlauf. Sobald wir anhalten, werden wir eingeladen. Eine junge Frau, an Haenden und Fuessen mit schoenen Henna-Tatoos bemalt, laedt uns ein. Aber wir wollen weiter. Da wir jetzt das Flusswasser aus den Kruegen trinken, haben wir kein Versorgungsproblem mehr. Es gibt ein halbes Dutzend Doerfer mit wunderschoenen Haeusern im nubischen Stil, wahre Kunstwerke. Wir treffen die Frauen an, wie sie, ueber und ueber mit gelber und gruener Farbe bespritzt und gutgelaunt, die Bemalungen auf Vordermann bringen. Die welligen Oberflaechen des Lehmputzes haben einen eigenen, natuerlichen Reiz, Anthroposophen haetten ihre Freude daran. Den ganzen Tag radeln wir durch und am Ende sind es wieder 73 km, als wir direkt am Fluss anhalten. Es ist schon dunkel und unsere Freunde tauchen nicht auf, wir versuchen Pieter per Sat-Telefon zu erreichen. Schliesslich ist es Podraigs Wagen, der als erster aus der Dunkelheit auftaucht. Und in seinem Auto sitzt der Grund fuer die Verspaetung: Ein Paearchen aus Frankreich, Sonia und Alexandre, wollen uns gerne kennenlernen. Sie sind seit drei Jahren zu Fuss in Afrika unterwegs, in Kapstadt aufgebrochen und wollen bis zum See Genezareth in Israel laufen. Natuerlich sind alle neugierig und die beiden haben Unmengen von Geschichten und Informationen zu erzaehlen. Leider auch ueble Storys von Aethiopien. Wie auch Akihide und Richard und Petra, muessen sie von Diebstahl, Steinwuerfen, Angriffen berichten. Sie haben Geschichten von zu Fall gebrachten Radfahrern, verpruegelten Wanderern u.ae. zu erzaehlen- der reinste Horror. Da es dort keine Polizeipraesenz gibt, ist Aegypten dagegen ein Kuraufenthalt. Na, herzlichen Glueckwunsch! Das kann ja heiter werden. Alexandre hat sich bei einem Kampf einen Finger gebrochen und die beiden waren froh, das Land verlassen zu haben. Aber sie erzaehlen auch von grosser Not, Armut und einem ueppigen, grunenen, fruchtbaren Land voller Schoenheit. Und das es nicht ueberall in Aethiopien so schlimm sei. Der Abend wird sehr lang, Sonia hatte vor ein paar Tagen Geburtstag und bekommt eine bunte Karte geschenkt, die Podraig mit seinem Computer und Drucker gestaltet hat und Emma hat eine kalte Torte zubereitet und alle singen. Wir beschliessen, morgen frueh erst spaeter aufzubrechen, um mal gemeinsam zu fruehstuecken und zu erzaehlen. geschrieben am 11.10. in Dongola
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