10/8/2003 Sudan / Dongola
Erwartungen und Realitaeten
Wir setzen ueber den Nil und erreichen die Provinzhauptstadt Dongola
(Harald und Renata) Whaerend im Jeepcamp an der Strasse noch alles schlaeft, bauen wir ab. Zu unseren Fuessen krabbeln daumendicke, schwarze Kaefer umher, die man Tag und Nacht sieht. Harmlose, sich gemaechlich bewegende Kreaturen, die z.B. gerne Datteln fressen. Auch die nachts reichlich vorkommenden Walzenspinnen bringen uns nicht aus der Ruhe. Sie bauen keine Netze und haben uebergrosse Cheliseren, d.h. Beisswerkzeuge. Ihr Biss ist schmerzhaft, aber voellig ungiftig. Sie bewegen sich rasend schnell und graben bei Sonnenaufgang im Sand Hoehlen, die sie dann von innen, bis auf einen Luftschlitz, zuschaufeln. Nach etwa 10 km, die wir wegen des tiefen Sandes zur Haelfte schiebend bewaeltigen, erreichen wir einen kleinen Markt in Argo. Nachdem ich mir kaltes Wasser aus einer der Tonamphoren ueber den Kopf gegossen habe, setzen wir uns in den Schatten eines Baumes auf dem belebten Platz und trinken Kaffee, der auch hier mit Kardamom gewuerzt serviert wird. Wir essen, was der lokale Markt hergibt- etwas eintoenig auf Dauer sind Thunfisch und Marmelade denn doch. Ein alter Mann setzt sich zu uns, gekleidet in eine weisse Gallabya und mit einem langen Turban auf dem Kopf, im Gesicht auf jeder Wange drei deutliche Schmucknarben. Er spricht Englisch und geniesst hier offensichtlich grossen Respekt, wohl auch wegen seiner Bildung. Urspruenglich aus Khartum, hat er sich jetzt hier in der Naehe auch als Bauer niedergelassen. In einer Zeit der grossen Landflucht im Nordsudan umso erstaunlicher. Herr Ali Hamid laedt uns ein und erzaehlt, dass er sich noch gut an den Tag erinnert, als ihm mit drei Jahren die Wangenschnitte gesetzt wurden. Sie dienen vornehmlich der Unterscheidung der Staemme untereinander. Ausser bei den Beduinen im Sinai und in der Wueste, sowie bei den Nubiern im Sueden, haben wir in Aegypten das Wort "Stamm" nie gehoert, waehrend es hier von Bedeutung ist. Diese Kennzeichen werden aber im Nordsudan zunehmend seltener. Nachdem wir einen Besuch bei ihm in seinem Haus in Khartum zugesagt haben, fahren wir weiter und erreichen die Faehre hinter dem Ort. Das verrostete Schiff erweckt nicht gerade Vertrauen, aber was soll schon passieren, schliesslich koennen wir ja schwimmen... Waehrend der Ueberfahrt, die zunaechst um eine grosse Nilinsel herum fuehrt und ein paar Kilometer weiter flussaufwaerts versteckt im Gruen, am schwarz-schlammigen Ufer endet, halten wir vergeblich nach Krokodilen Ausschau. An der Anlegestelle steht ein riesiger, alter Baum voller Initialen. Dort kaufen wir gruene Orangen-Grapefruites, dann muessen wir wieder in die Hitze und den Staub hinaus. Leider ist die Strasse hier auch nicht besser, eine Sandpiste halt. Wir hangeln uns in einem aufkommenden, leichten Sandsturm von Wasserstelle zu Wasserstelle, schuetten uns ein ums andere Mal Wasser ueber Kopf, Haende und Fuesse, trinken Unmengen des braunen Nilwassers. Dann ueberholen uns die zwei Jeeps von Pieter und Sarah und Jasper und Emma. Die Belgier und Podraig haben einen anderen Weg gefunden, wobei uns wundert, wie der Citroen mit dem gebrochenen Chassis ueberhaupt auf dieser Strecke vorwaerts kommt. An einem Geschaeft machen wir Pause, es gibt sogar gekuehlte Pepsi, Kekse und uns wird Tee serviert. Die Nubier begegnen uns durchweg als gastfreundliche, zurueckhaltende und sensible Menschen. Am Abend erreichen wir eine Kies-Lehm-Sand-Strecke, rotbraun, gewalzt, aber trotzdem muehsam zu befahren. Hier beginnt Dongola, weshalb wir mit dem Satelitentelefon die Crew zu erreichen versuchen, um einen Treffpunkt zu vereinbaren. Wir staerken uns mit Falafel-Sandwiches und erreichen endlich die oft angekuendigte, heissersehnte Teerstrasse und dann das Zentrum der doerflichen Stadt in der Dunkelheit. Ein Polizist hat die Jeeps gesehen und zeigt uns die Richtung. Die Truppe sitzt im Hof eines Restaurants und hat ihre Plaene geaendert. Wir hatten vorgeschlagen, morgen, als Abschluss unserer gemeinsamen Reise, zusammen den Tempel von Kawa auf der anderen Flussseite zu besichtigen. Aber die Hotels sind der Truppe zu schmutzig und die Internetverbindungen (wir sind froh, dass es hier ueberhaupt Verbindungen gibt!) zu teuer. Vorallem die Belgier draengen zur Weiterfahrt, da ihr Zeitplan ihnen einen festen Ankunftstermin in Gabun vorgibt. Schliesslich laden wir unsere Raeder und das Gepaeck auf die Jeeps und fahren Richtung Sueden hinaus in die Wueste. 200 Meter neben der Teerstrasse schlagen wir zum letzten Mal ein gemeinsames Camp auf. Zwei Bauern, die auf Metallbetten unter freiem Himmel neben ihrem Lehmhaus schlafen, haben nichts gegen unsere Anwesenheit. Wir duschen mit Plastikflaschen und geniessen nochmal den "Luxus" eines Autocamps, samt Kochen, Kuehlschrank, Musik und lebhafter Unterhaltung. geschrieben am 2.11. in Khartum
|