10/10/2003 Sudan / Dongola
You are so beautyful to me...
Der Tempel von Kawa / Menschen aus dem Suedsudan
(Harald und Renata) Wir fruehstuecken mit den beiden Slowaken, Ivan und Lubosch, vor dem Hotel, dann mieten wir ein Taxi und fahren zum Fluss, zur Anlegestelle der Faehre. Auch dieses Schiff sieht wie ein Seelenverkaeufer aus. Nach kurzer Ueberfahrt zum Ostufer handeln wir mit einem der dort wartenden Taxifahrern einen Preis aus. Wir sind sehr erstaunt, wie billig das Angebot ist, die Fahrt zum Tempel soll lediglich 300 Dinare kosten. Der Mann schreibt zwar 3000 in den Sand, aber hier werden alle Preise noch in der alten Waehrung "Pound" angegeben und die hatte den zehnfachen Wert. Ein Deutscher wartet dort auf seinem Gelaendemotorrad auf die Faehre, ein eher verschlossener Einzelgaenger, mehr der kaempferische Explorertyp, nicht mit jedem kommt man nett ins Gespraech. Wir sitzen auf der Ladeflaeche, mit eingezogenen Koepfen, um uns am niedrigen Dach auf der holprigen Strecke nicht dieselben zu stossen. Der japanische Pick-Up rast ueber die Sandpiste, dann in die Wueste hinein, immer weiter, dann biegt er nach Sueden ab und schliesslich stehen wir irgendwo jenseits des Gruenguertels und suchen den Tempel. Der Taxifahrer grinst und zeigt auf die Sandflaeche vor uns, ja, da sehen wir ein paar hundert Quader im Sand, ein paar Saeulenfundamente- das wars, das ist der Tempel von Kawa. Wir muessen alle lachen, als wir in die "Anlage" hienein stapfen und Ivan singt laut:"You are so beautyfull to me..." Mangels anderer Sehenswuerdigkeiten folgen ich den zahlreichen Spuren im Sand. Hier hat sich eine kleine Schlange ueber eine lange Strecke einen Kampf mit einem Vogel geliefert, der sie gejagt hat, die Spuren kreuzen sich immer wieder, wer ueberlebt hat, laesst sich nicht feststellen. Dann ruft uns der Taxifahrer und wir fahren zurueck zur Anlegestelle, wo er uns dann 3000 Dinare abnehmen will. Tja, Leute, vielleicht solltet ihr mal festlegen, in welcher Waehrung ihr Preise angebt! Es gibt Streit, denn 12 Dollar ist seine Leistung nicht wert und ich gebe ihm, um des lieben Friedens Willen, 1000 Dinare, viel Geld fuer ihn. Als wir im Schatten eines Baumes auf das Ablegen der Faehre warten, kommt mit Trommelwirbel, eine grosse, weisse Fahne mit einem roten Kreuz vor sich hertragend, eine Gruppe hochgewachsener Suedsudanesen vorbei. Sie singen und wollen offensichtlich zeigen, dass sie Christen sind, woran sich niemand zu stossen scheint. Als wir dann auf dem Boot zwischen den Riesen stehen, singen sie, es gibt viel Gelaechter und vorallem unsere Wunderkamera, die sofort die gerade aufgenommenen Bilder zeigt, erregt viel Belustigung. Man weiss um die Technik, kennt sie aber nicht vom Augenschein her. Die Maenner kommen aus der Region Wahda, aus Bentiu am Jur, einem der Zufluesse des weissen Nils. Die Region Wahda ist Buergerkriegsgebiet, dort leben vornehmlich Christen und Animisten, also Menschen, die an Naturreligionen glauben. Seit ueber 20 Jahren kaempft der Sueden um seine Unabhaengigkeit vom moslemischen Norden, ein Krieg, der schon ueber eine Millionen Menschenleben gekostet hat und mit grausamsten Mitteln gefuehrt wird. Die Entdeckung von Erdoel im Sueden verschaerfte zunaechst den Konflikt, dann kehrte Ruhe ein, ein Waffenstillstand wurde vereinbart. Als die Militaerregierung allerdings die Scharia, das islamische Recht laut dem Koran, auch im Sueden zwangseinfuehrte, brach der Konflikt von neuem aus. Nun scheint es, als ob gerade das Erdoel die Parteien an einen Tisch zwingt: Der Sueden hat das Oel, aber nicht die Mittel und Stabilitaet, um es zu foerdern, obwohl die Chinesen sehr interessiert sind, dort ins Geschaeft zu kommen, und der Norden hat die Mittel, aber kommt nicht ans Oel. Die grossen amerikanischen Oelkonzerne wollen den Chinesen nicht das Geschaeft ueberlassen und so werden seitens der USA Druck auf beide Konfliktparteien ausgeuebt und Kredite angeboten. Im Moment soll es ruhig im Sueden sein. Die Maenner haben alle feine, waagerechte Narben auf der Stirn, nicht die breiten, entstellenden der Staemme aus dem Norden, sondern akurat geschnittene, symmetrische Linien. Wir wollen ins Hotel der Slowaken wechseln, aber dort werden wir nicht handelseinig. Und als wir schliesslich doch ein Zimmer mieten, will man uns zwingen, zur Fremdenpolizei zu fahren, weit ausserhalb, obwohl dies erstens nicht noetig ist und zweitens Aufgabe des Hotels. Weil wir uns beharrlich weigern, wird man unangenehm und wir packen unsere Sachen und fahren zum alten Hotel zurueck. Gaeste beider Hotels, sowie der Manager des Lord-Hotels bestaetigen uns, dass wir Recht haben und da wir auch noch mehr bezahlen muessen und das Hotel weiter weg vom Stadtkern liegt, ziehen wir es vor, Gaeste des "Lords" zu bleiben. Trotz Preisverhandlungen bleibt der Besitzer des einzigen Internetcafes mit funktionierendem Anschluss bei seiner exorbitanten Forderung. Er nutzt sein exclusives Angebot halt ruecksichtslos aus. Mehr als zwei Eintraege und Checken der Mails ist da nicht drin. Am Abend treffen wir zwei Paearchen, eine gemischte Truppe aus der Schweiz, Deutschland und Florida, die mit zwei 4x4 (Allradwagen) unterwegs sind und auch nach Suedafrika fahren. Auch wenn wir immer wieder Auslaendern begegnen, sollen es im Jahr nur ca. 2000 Touristen sein, die in den Sudan reisen. Die Nacht verbringen wir wieder draussen, unter freiem Himmel, wie alle anderen Hotelgaeste uebrigens auch. geschrieben am 3.11. in Khartum
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