10/17/2003 Sudan / hinter Abu Dom
Kampf um Dom
Glueck gehabt! Und weiter gehts durch Sand und Wind...
(Harald und Renata) Im Dunkeln versuche ich ein Auto anzuhalten, aber das faehrt durch. Ich muss unbedingt vor Tagesanbruch der Erste vor Ort sein, damit niemand die Tasche vor mir findet- wenn sie nicht schon gestern gefunden wurde! Der zweite LKW nimmt mich mit und ich ignoriere alle Zeichen im Morgengrauen, dass es hier oder hier oder dort schon gewesen sein koennte, nur nicht schon wieder zu frueh aussteigen! Ich habe nur einen Versuch! Nach ueber 12 km klettere ich aus dem winzigen Beifahrerfensterchen hinaus, weil sich die Tuere nicht oeffnen laesst, zerreisse mir dabei die Hose. Dann gehe ich strammen Schrittes zurueck, neben der Strasse, aber schon bald wird mir alles vertrauter, das Tageslicht hilft mir, ja, da sind die beiden Anhoehen, da sind wir noch drueber, ja da ist die Siedlung zu Ende, ja, hier gibt es tiefer in der Wueste vereinzelte Buesche- schliesslich finde ich die Stelle, auf Anhieb, ich bin mir sicher. Hier muss die Tasche gelegen haben, aber sie ist weg! Stattdessen Eselsspuren, sehr tief, ein Reiter, rechts und links zusaetzliche Reifenspuren im Halbkreis um die Stelle herum. Dieser Mensch hat die Tasche mitgenommen. Was tun? Ich muss zurueck, Hassan muss mir helfen. Da kein Auto haelt, laufe ich zweieinhalb Stunden zurueck, dann packen wir zusammen und gehen alle drei zusammen zur Strasse, steigen in ein Auto, ich ganz oben auf die Ladung eber dem Fuehrerhaus, das schwankt gewaltig, aber ein herrlicher Blick ueber die Wueste. Wieder finde ich die Stelle, aber Hasasan weiss auch nicht weiter, nichts mit Beduinenspurenlesen oder so. Renata hat die Erklaerung fuer die Reifenspuren: Es war ein Karren, den der Esel zog. Ich versuche die Spur zwischen all den anderen auf der Strasse zu erkennen, es gelingt, schliesslich biegt sie nach rechts in die Wueste ab, hin zu einem kleinen Dorf. Zwischen all den anderen Reifen- und Hufspuren suche ich sie, sie fuehrt zum letzten Haus des Weilers. Ein junger Mann ruft uns energisch an, geleitet uns vor die Lehmhuette. Irgendwas weiss der Junge! Und dann kommt der Bauer heraus, garnicht erstaunt und ich ahne: man wundert sich garnicht sehr ueber unser Erscheinen. Hassan uebersetzt, ich zeige Renatas Tasche als Beispiel, erklaere die Farbe, den Verlustort, und der Bauer nickt und- ja, er hat etwas gefunden. Er zeigt mit einer wohl weltweit ueblichen Geste "Daumen-reibt-Zeige-und-Mittelfinger": Ich will aber Geld. Natuerlich bekommst Du Geld, ma fisch muschkele- das ist kein Problem. Dann geht er und es dauert eine Weile, bis er herauskommt und in der Hand, was fuer eine Erleichterung!, die Tasche und es ist das Geld darin, vollstaendig! und die Schecks und der Ausweis, die Kopflampe, der Impfausweis, der Ersatzchip fuer die Videokamera. Hurrah! Als ich den Finderlohn auszahle, ist der Bauer hochzufrieden, man siehts ihm an, aber trotzdem fischt er sich noch die Dinare aus der Tasche, von links greift der junge Mann ins Geld, der uns gerufen hatte, dann kommmen immer mehr Haende, das grosse Geldverteilen, so hofft man. Ich reisse die Tasche aus den gierigen Haenden, auch Hassan wird sauer, fuer ihn soll ja auch noch was uebrig bleiben. Wir verabschieden uns, und erst viel spaeter und weiter merke ich, dass der zweite Chip fehlt, den sich der Bauer (deshalb dauerte das laenger in der Huette!) als Pfand herausgenommen hatte, fuer den Fall, dass der Finderlohn nicht zufriedenstellend gewesen waere. Dann wollte er das nicht zugeben, weil ja alle froh waren und niemand den Chip vermisste. Ich gebe auch Hassan ein wohlverdientes Entgeld, dann versuchen wir ein Auto anzuhalten. Den Rueckweg muessen wir jedoch zu Fuss machen, weil uns niemand mitnimmt, hier, mitten im Niemandsland, in der Wueste, eigentlich ein Unding. Es ist richtig heiss, als wir ankommen. Wir ruhen uns im Schatten des Hauses aus, die Familie trudelt nach und nach ein, alle wollen die Auslaender mit den blonden Haaren sehen, die hier mit Fahrraedern! unterwegs sind. Mittags fahren wir weiter, nach zwei Kilometern erreichen wir endlich Abu Dom, den langersehnten Ort, der den Beginn der Teerstrasse durch die Wueste nach Khartum markiert. Nur- von der Strasse keine Spur! Stattdessen ein grosser Markt, dutzende von kleinen Betonhaeuschen, eins neben dem anderen, ein reiner Maennerort, ein paar Halbwuechsige quengeln um uns herum, neugierig, aufdringlich, bis ich einen als "guide" ausgucke und der verjagt dann die Jungs mit einem Stecken energisch. Wir trinken kalte Getraenke und essen- was sonst?- Fuhl. Unser Geld geht zur Neige, wird bis Khartum nicht mehr reichen. Dann bleiben nur noch Dollars, aber wer nimmt die hier in der Diaspora? Da die Akkus fuer die Kamera leer sind- Strom ist hier Mangelware- bitten wir um eine Steckdose, aber auch hier laeuft der Generator nur eine halbe Stunde. Mit dem Speichervolumen muessen wir erstmal auskommen. Unser Guide waescht an diesem Marktflecken die Waesche der Haendler und bietet uns seinen kleinen Verschlag zum Ruhen an. Er kommt aus dem Tschad, wie er stolz erzaehlt. Kopf an Fuessen, legen wir uns auf die einzige Liege dort und schwitzen vor uns hin. Am Nachmittag schieben wir weiter- von Fahren ist kaum zu reden. Tiefer Sand, genauso, wie uns das Akihide angekuendigt hatte; alle seine Angaben stimmten. Der Sand geht stellenweise in tiefen Lehmstaub ueber, ein trockener Morast, 30, 40 Zentimeter tief sind die Fahrfurchen. Der Staub setzt sich zwischen Fuesse und Sandalen, bis diese zerreissen. Ueberall stehen riesige Baumaschinen herum, aber niemand arbeitet hier. Dabei wuerde es reichen, ein, zwei Tage lang den losen Staub wegzuschieben und mit den Walzen die Strasse zu verfestigen. Vor uns liegt eine riesige Erdrampe. Ist da oben die Teerstrasse? Oben angekommen wird klar: Hier gehts nicht weiter. Also wieder zurueck, weiter durch den Sand. Die Sonne geht unter, die Strasse geht in eine Wellblechpiste ueber, der wir eng am Rand entlang auszuweichen versuchen. Dann biegt die Strasse ploetzlich links ab, fuehrt durch eine enge Luecke aus Betonbauteilen hindurch und wir sehen die Erklaerung fuer die Rampe- ein Kanal, der vom Nil kommend, Wasser tief in die Wueste bringt. Hier wachen ein paar Polizisten mit Kalaschnikows- worueber eigentlich? Und den ganzen Weg sollen wir auf der anderen Seite wieder zurueckfahren? Renata ist so genervt, dass sie mitten durch die Wueste eine Moschee ansteuert, von der wir annehmen, dass sie an der Teerstrasse liegt. Aber leider ist der Sand zu tief, wir koennen nur schieben, es wird dunkel. Hier herrscht reger Verkehr, ueberall wuehlen sich LKWs, Busse und PKWs durch die Ebene. Wo sollen wir hier schlafen? Hinter einem Huegel ebnen wir einen Platz, aber die Autos rasen hier so nahe vorbei, dass wir nicht zur Ruhe kaemen. Also klettern wir auf einen Erdwall und dahinter liegt ein kleiner Kanal, gebildet aus zwei Erdwaellen, trocken seit geraumer Zeit. Und ausgerechnet heute nacht wird man wohl kaum Wasser hier hineinleiten, nehmen wir an. Also heben wir die Raeder ueber den Kamm und bauen in der Senke das Zelt auf. Dann "duschen", sind verschwenderisch mit Wasser, denn morgen frueh werden wir, ganz sicher!, die Teerstrass erreichen und Wasser im Ueberfluss haben. geschrieben am 5.11. in Khartum
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