10/20/2003 Sudan / ca. 140 km bis Khartum
Tam-Tam
Konditionsprobleme / Schlafen in der Polizeistation
(Harald und Renata) Sonnenaufgang um 6.48 Uhr Ortszeit. Wir wollen schnell die naechste Raststaette erreichen. Kaum, dass ich ein paar Kilometer gefahren bin, werde ich schon wieder muede, waehrend Renata locker-flockig vor sich hinsingt: "Und der Haifisch, der hat Zaehne..." Spaeter dann die Melodie aus Indiana Jones. Ich bin heilfroh, dass mir das Minarett einer Moschee schon von weitem einen Rastplatz ankuendigt. Etwa 12 km kann man die Tuerme sehen und bei Gegenwind dauert es dann etwa eine Stunde, bis wir da sind. Es ist ein grosser Rastplatz und der Inhaber setzt sich zu uns an den Tisch und sagt, er habe das Lokal "Tam-Tam" genannt und er schenkt uns mangels einheimischer Waehrung eine Mahlzeit (Fuhl!) und Getraenke und laedt uns nach Khartum ein. Wir fahren weiter, aber nach kurzer Zeit habe ich das Gefuehl, keine Luft mehr zu bekommen, ein leichter Asthmaanfall, mir wird schwindelig, erst steige ich ab und schiebe weiter, dann muss ich mich auf den heissen Asphalt setzen. Renata uebergiesst mich mit Wasser, es dauert eine Viertelstunde, bis ich langsam weiterfahren kann. Meine Beine sind schwer- was ist nur los mit mir? Bin ich krank, oder hat mich die Strecke so sehr ausgepowert, dass ich jetzt keine Kraft mehr habe? Um 11 Uhr wird es wieder heiss, und ich spuere, dass ich nicht mehr weiter kann, halte ein Auto an: Wo ist die naechste Raststaette? Es sind nur 3 km aber ich rette mich foermlich in den Schatten und giesse mir Wasser ueber den Kopf und die Glieder. Hier ist es sehr schmutzig, ueberall liegen Essensreste im Sand und alles ist voller Fliegen und schwarze Grillen flitzen ueber die Mauern, denn auch sie leben von den Fleischabfaellen. Um den Lehmbau ist alles voller Plastikflaschen, Kekspackungen, Reifenfetzen, Tueten etc. Ein Esel bringt einen Karren mit einem Wassertank. Die zwei zusammengeschweissten Oelfaesser, der Wagen und der Mann wiegen zusammen sicher 600 kg, die das kleine Tier in der Gluthitze durch den tiefen Sand ziehen muss, wobei die Wagenlenker sich stets vorne auf die Ladeflaeche setzen, vor die Achse, was dem Tier unnoetiges Gewicht auf den Ruecken verlagert. Viele Maenner kauen hier Tabak und schieben sich die oliv-braune Masse hinter die Unterlippe. Das Ergebnis sind braune Zaehne und ein staendiges Gespucke allerorten. Wir ziehen es vor, in der Polizeistation gegenueber nach einem Liegeplatz zu fragen und gleich macht man uns zwei Liegen frei, waehrend die Truppe auf dem Boden weiter Karten spielt. Der Checkpoint verdient den Namen kaum: Zwei Autoreifen liegen als Sperre auf der Fahrbahn, flankiert von klapprigen Schildern, die Polizisten tragen Badelatschen und sitzen im eigenen Dreck aus Formularfetzen, Pauspapier, Zwiebelschalen und Knochenresten. Die Wasserkruege sind nicht abgedeckt, so dass auf dem Wasser Schmutz schwimmt. Zwar kommen manche Fahrer vom der Strasse die 50 Meter zum rohen Lehmbau gelaufen, aber nicht ein Auto wird kontrolliert. Was machen die hier eigentlich? Ab und zu wird gefunkt, dann pfeifen sie ins Mikrofon und am anderen Ende wird zurueckgepfiffen und alles redet durcheinander, es erinnert an ein Kinderspiel. Ein kleiner, oliv-beige gestreifter Finkenvogel pickt sich zutraulich kleine Insekten von den Waenden, ueber der Strasse flimmert die Luft, die Polizisten beten am Mittag, nachdem sie sich, wie es der Prophet vorgegeben hat, mit Wasser die Fuesse, Haende und das Gesicht samt Ohren gewaschen haben. Es muessen wieder ueber 45 Grad sein, eine entsetzliche Hitze haelt uns davon ab, vor 17 Uhr aufzubrechen. So schaffen wir bis zum Einbruch der Dunkelheit nur noch 24 km. Ueberall stehen jetzt Lehmhuetten weitverteilt neben der Strasse, Ziegen- und Schafherden ziehen durch die Steppenlandschaft, Esel grasen die wenigen Bodengewaechse ab. Wir finden einen Zeltplatz hinter einer kleinen Huegelgruppe und schauen uns den klaren Sternenhimmel an. Wir haben mittlerweile ja gelernt, wie wir mit einem Liter Wasser duschen koennen und das erscheint uns wie ein herrlicher Luxus in der Wueste. Man lernt Dinge, die man "im normalen Leben" nie gebraucht hat und erlernen wuerde. geschrieben am 7.11. in Khartum
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