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Reisetagebuch

10/21/2003   Sudan / irgendwo im Nirgendwo

Sandsturm

Eine Schule in der Wueste / ein Sandsturm-Gewitter

(Harald und Renata)

Weil wir in der Dunkelheit unseren Lagerplatz gefunden haben, haben wir nicht die Siedlung gesehen, die auf der anderen Straßenseite liegt. Die Bewohner haben uns sicher gesehen, aber wieder hat uns niemand behelligt.

Im Sand neben dem Zelt ist eine Schlangenspur zu sehen. Nicht die gefaehrliche Sandviper, wie die Spur verraet, aber trotzdem ein Warnzeichen, in der Nacht nicht ohne Licht das Zelt zu verlassen.

Die Vegetation wird jetzt ueppiger. Es gibt viele verschiedene Akazien, die hier als Buesche und Baeume vorkommen. Insgesamt umfasst die Gattung der Mimosengewaechse etwa 1200 Arten. Die Baeume treiben bis zu 35 m tiefe Wurzeln und erreichen somit muehelos das Grundwasser, dass hier von den jaehrlichen Niederschlaegen, vorallem im Juli und August, gespeist wird.

Manchmal durchfahren wir breite Wadis voller Buesche, Gras, duftender, bluehender Kraeuter und Bodenranken, wie die Koloquinte, ein Kuerbisgewaechs mit etwa 10 cm grossen, schaumig-bitteren Fruechten. In den Wadis haelt sich Wasser etwas laenger, als im Umland und deshalb herrscht hier auch groessere Lebhaftigkeit. In Erdhoehlen unter Bueschen und in den Bergflanken neben den Wadis, lebt in Hoehlen auch der kleine Wuestenfuchs, der Fenek, mit seinen riesigen Ohren und sehr selten ist nachts auch der Karakal, oder Wuestenluchs anzutreffen, mit seinen charakteristischen Pinselohren- beide Wuestenbewohner sind ihrem sandfarbenen Fell bestens getarnt.

Ueber uns kreisen manchmal grosse Schwaerme von Stoerchen, wobei es sich wohl um den Sattenstorch handelt, der unserem deutschen Storch aehnelt. Uns umkreisen staendig Fliegen, ab und zu brummt ein dicker Kaefer ueber die Strasse, so schwer, das sein Hinterteil beim Fliegen herabhaengt. Darunter sind wunderschoene Exemplare, die metallisch-gruen glaenzen.

Die Wuestenbewohner haben fuer sich und Reisende kleine Traenken gebaut: Dreibeinige Holzkonstruktionen mit etwas Palmdach und einer nassen Ziegenhaut voller Wasser. Der vorbeistreichende Wind kuehlt die nasse Oberflaeche der Haut, so dass das Wasser lange frisch bleibt. Und in kleinen Schattenhaeuschen stehen auch grosse Tonamphoren in Metallgestellen oder gemauerten Staendern.

Mittags verspricht uns wieder ein weithin sichtbares Minarett frisches Wasser und Schatten. Die ganze Moschee ist tuerkis und weiss bemalt, genauso wie die Nebengebaeude, die zu einer Schule fuer die umliegenden Doerfer gehoeren. Ein Lehrer hat gerade die maennlichen Schueler, die alle eine zweiteilige Tarnuniform tragen und kahlgeschorene Koepfe wie West-Point-Kadetten haben, antreten lassen. Er traegt in der Hand eine kurze Peitsche- von Gehorsam hat man hier etwas zwingendere Vorstellungen. Die Maedchen tragen alle weisse Kopftuecher und blaue Kleider. Nach der Begruessung durch den Direktor laesst uns Herr Habiballa Reis mit Zucker bringen. Er erzaehlt, dass vor etwa einem Monat Sonia und Alexandre hier waren und er laedt uns zum Bleiben ein, zeigt uns ein Zimmer mit Dusche- aber wir wollen weiter nach Khartum.

Es ist leicht bewoelkt und die Landschaft wandelt sich langsam in eine Savanne. Die bedeckte Sonne schont uns, obwohl wir trotzdem immer wieder Trinkpausen einlegen, weil der Gegenwind uns anstrengt.

Wir erreichen am Mittag ein Rasthaus mit kleinem Laden und der Besitzer akzeptiert zwar Dollars, weil wir keine Dinare mehr haben., aber er fragt ueberzogene Preise. Weil er nicht bekommt, was er will, serviert er uns zu wenig Fuhl und gibt uns nur zwei Brote dazu. Die LKW-fahrer, die hier rasten, klauen ihm wegen seines Geizes einfach Brot aus seinem an der Decke baumelnden Baumwollsack und legen uns dies grinsend aufs Tablett: Esst! sagen sie.

Auch hier ist alles voller Abfall, an dem sich ein kleiner Kater sattfrisst, der seelenruhig unter der mit Wasser gefuellten Ziegenhaut im nassen Sand liegt, dort, wo es am kuehlsten ist.

Die LKW-fahrer verdienen Bewunderung, denn neben ihren Fahrkuensten, muessen sie auch die Ladung hochgetuermt verstauen und vorallem alles selbst reparieren. Schon oft haben wir sie unter ihren Autos liegen gesehen, wo sie Getriebe oder Reifen reparieren. Wenn die voellig durchgefahrenen Reifen platzen (vorher werden sie kaum gewechselt), landet manch einer im Sand neben der Strasse.

Trotzdem wir spaet abfahren, herrscht eine Affenhitze. Ich bin staendig hungrig, denke ans Essen. Ich koennte einen Elch verschlingen. Dabei schmerzen meine Beine und ich bin unerklaerlich muede und schwach.

Wir durchfahren ein Gebiet lockerer Siedlungen, zwischen denen Kamele und Esel weiden. Letztere wurden schon um 4000 v.C. in Aegypten domestiziert, wie Funde des afrikanischen Wildesels beweisen.

Ein Junge faehrt auf seinem bunten Rad ein Wettrennen mit mir, allerorts ernten wir erstaunte, aber freundliche Blicke.

Hinter einem kleinen Huegel suchen wir dann Sichtschutz fuer das Zelt. Wir haetten noch weiterfahren koennen, aber ich bin todmuede, kann mich kaum aufraffen zu Duschen und das Zelt aufzubauen. Der Himmel ist sternenklar, weshalb uns um 20.30 Uhr ein Sandsturm voellig ueberrascht. Wir haben keine Zeit mehr, das Aussenzelt aufzubauen, so ploetzlich und heftig stuermt es. Das Zelt biegt sich zusammen, wir haben nicht mal alle Heringe im Boden. Damit der Sturm das Zelt nicht flachlegt, stemmen wir uns mit ausgestreckten Armen und Beinen von innen gegen den Winddruck. Draussen zucken Blitze und der prasselnde Sand hoert sich wie dicke Tropfen an. Die Boeengeschwindigkeit schaetzen wir auf 50-60 km/h und besorgt schauen wir immer wieder auf die sechs Stoffoesen, die das Zelt an den Stangen halten. Wenn sie reissen, sind wir schutzlos dem Sand ausgesetzt., der auf unseren Ruecken durch Zelt und Hemden schmerzt. Mal laesst der Wind nach, dann geht es erneut los. Mir kommen Bilder von blankgeschmirgelten Autokarosserien in den Sinn, von Glasscheiben, die der Sandsturm milchig kratzt. Nach 20 Minuten aber ist das Aergste vorbei, nach 30 Minuten verlassen wir das Zelt und bauen hastig das Aussenzelt auf, dass ich angesichts des fortgesetzten Windes immer wieder umkreise, besser befestige. Weil der Wind das Zelt heftig flattern laesst, finden wir kaum Schlaf. In der Ferne zucken weiter Blitze.

geschrieben am 8.11. in Khartum


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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