10/22/2003 Sudan / zwischen Gebra und Omdurman
Tierische Hochhaeuser
Ein Skorpion unter dem Gepaeck / ein Licht in der Ferne
(Harald und Renata) Das Zelt hat dem naechtlichen Sturm standgehalten, aber alles ist voller Sand. Renata hebt eine der Gepaecktaschen hoch, die vor dem Eingang stehen und schreckt zurueck:"Da ist eine Eidechse, oder sowas!" Aber es handelt sich um einen kleinen Skorpion, gruenlich-gelb gebaendert, kleinfingergross, der vor dem Sturm unter der Tasche Schutz suchte. Die Sonne verbirgt sich hinter dichten Wolken, als wir weiterfahren. Schon nach wenigen Kilometern bin ich wieder muede und auch aergerlich, ungeduldig, weil ich nicht verstehe, warum. Bin ich nach drei Wochen harter Strecke einfach muede, bin ich krank, ist es der Gegenwind, die Hitze, zuviel Gepaeck, das Malariamittel? Warum habe ich so viele rote Flecken auf der Haut? Immer wieder finden wir tote Tiere neben der Strasse, aber hier liegt, mitten auf der Fahrbahn, ein Kamel und es stinkt fuerchterlich. Die Fahrer sind heute Nacht auch im Sandsturm weitergefahren und das ist das Ergebnis. Das grosse Tier aber auf der Strasse liegenzulassen, bedarf doch einiger Ignoranz seitens des Verursachers. Wir erreichen Gebra, ein Polizeicheckpoint mit Moschee und einer Traenke. Hier gibt es kalte Getraenke und zwei Liegen auf der Terrasse des Polizeigebaeudes und ich gebe es auf, Khartum heute noch erreichen zu wollen. Gegen Dollars koennen wir auch Kuchen und Kekse kaufen und Fuhl (nie war es so wertvoll wie heute)essen. Um das heruntergekommene Gebaeude herum stehen ein paar liebevoll bewaesserte Baeumchen, die zahlreiche Voegel und die dicken schillernden Kaefer anlocken, die Helikopter fliegen und abstuerzen, wenn sie an Blaetter stossen. Hinter dem Gebaeude sorgen eine Dieselpumpe und ein Wassertank fuer regen Andrang von Tierherden, die die Hirten hier alle drei Tage herfuehren. Schafe, Ziegen, Kamele und Esel saufen hier zu tausenden taeglich und ich wundere mich, wie die Hirten die Tiere ohne Brandzeichen o.ae. auseinanderhalten koennen. Und auch, wie das Wasser aus dem schlammigen Tuempel als Trinkwasser verwendet werden kann, denn hier werden auch die Oelfaesser auf den Karren gefuellt. Ich unterhalte mich mit den Hirten, irgendwer spricht immer ein paar Brocken Englisch. Und die LKW-Fahrer unter den Baeumen an der Moschee laden mich zum Tee ein. Sets fragt man sogleich nach der Nationalitaet, nach dem Woher und Wohin. Es wird Haschisch geraucht und ein Polizist wedelt mit seiner leeren Brieftasche und sein Kollege sagt, dass der Lohn mal komt und mal nicht und das er zu gering sei. So leistet man der Korruption natuerlich staatlicherseits Vorschub. In einem Nebengebaeude koennen wir duschen und nach einer Rasur fuehle ich mich gleich wie ein anderer Mensch. Am Abend fahren wir nur 6 km in die Wueste, die herrlich rot leuchtet und nach Kraeutern duftet. Der Sand und die hellgruenen Graeser und dunkelgruenen Akazien schaffen eine einmalig schoene Landschaft. Und dann steht er vor uns: der erste Termitenbau unserer Reise. Fasziniert umkreisen wir den mannshohen Bau, den die ameisenaehnlichen Termiten aus Lehm, Sand und Speichel ueber viele Jahre aufgetuermt haben. Da die Insekten im Boden leben, glaubt man diese Bauten, die zur Luftkuehlung geschaffen werden, stets verlassen vor sich zu sehen. Nur sehr wenige Tiere ernaehren sich von Termiten, unter anderem der Ameisenbaer, der mit seinen scharfen, riesigen Krallen diese steinharten Bauten aufbrechen kann und dann mit seiner duenen, langen Schnauze tief in die Hoehlen eindringt und mit seiner extrem langen Zunge die Termiten aus den Gaengen leckt. Selbst Leoparden und Loewen lassen vom wehrhaften Ameisenbaer die Krallen. Im Akazienbusch, den die Termiten umbaut haben, sitzt ein ca. 20 cm langer, fetter gruener Gecko, garnicht aengstlich und ueber den Sand flitzen mit Schritttempo schwarz-weisse Raub-Kaefer, wie ihre grossen Zangen verraten, in den Zweigen fressen sich fingergrosse, braune Heuschrecken satt, die wie Fledermaeuse fliegen koennen, waehrend ihre kleineren, gruen-gelben Verwandten nur ihre Spruenge mit den Fluegeln verlaengern. Wir troedeln solange, bis uns die untergehende Sonne den Entschluss leicht macht, hier, hinter einer flachen Duene, das Lager aufzuschlagen. Die Hirten im Umland sehen, behelligen uns aber nicht. In der Dunkelheit sehen wir am Himmel die Lichter von Wadi Seidna, Omdurman und Greater Khartum. geschrieben am 10.11. in Khartum
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