10/24/2003 Sudan / Khartum
Khartum!
Ankunft in der Hauptstadt, Treffen mit Christian
(Harald und Renata) Als wir morgens fruehstuecken, leistet uns ein neugieriger, an den Keksen interessierter Eesel Gesellschaft- ich koennte den Kerl auf seine butterweiche, flaumige Schnauze knutschen. Die scheinbar schmollende, dicke Unterlippe liegt samtweich in der Hand, die dunklen Augen mit den langen Wimpern schauen einen so melancholisch an- was fuer ein menschenfreundliches, aesthetisches Tier das ist! Die Strasse fuehrt leicht huegelan und passiert einen Polizeiposten, wo uns ein Polizist erklaert, dass es noch 40 km bis Khartum seien. Laut Auskuenften der letzten Tage, kann das eigentlich nicht sein, aber am Ende sollte er doch recht behalten. Hinter der Huegelkette liegt Omdurman, eine riesige Ebene voller Lehmhuetten, dicht bebaut, voller Verkehr und Geschaeften, aber ohne rechte Infrastruktur, denn es gibt kein fliessendes Wasser, wenig Strom- und Telefonanschluesse, nur ein paar Teerstrassen und keine Muellabfuhr, so scheints, denn der Abfall liegt hier ueberall herum. Die Banken haben heute leider geschlossen, da Freitag ist. Und wir haben kein Geld mehr! Wir radeln durch die staubige Stadt, immer wieder abgedraengt von Minibussen und PKWs und erreichen schliesslich eine breite Bruecke ueber den Nil, lt. Schild von China erbaut. Im "Lonely Planet" steht, dass es verboten sei, Fotos von oeffentlichen Gebaeuden und Bruecken zu machen, was angesichts von Satelitenkameras, GPS und Cruise Misles laecherlich anmutet. Aber tatsaechlich wuerdigt uns der Polizist an der Bruecke keines Blickes, als wir den dunstigen Nil und die Bruecke samt Ufer fotografieren. Und was hat uns Ivan in Dongola erzaehlt, dass Khartum ein grosses Dorf sei!? Es gaebe keine Hochhaeuser u.ae. Hier, in Khartum-Nord, stehen eine Menge hochmoderner Verwaltungsbauten, es gibt neue Bruecken, Strassen, viel Verkehr, teure Autos und luxurioese Geschaefte. Ein sehr junger Polizist, den wir nach dem Weg fragen, stellt sich so nahe vor Renata, dass sie ihm sagt, er solle mit mir sprechen. Er stellt sich auch so nahe an mich, dass ich mit dem Rad zuruecksetze- was soll dieses provozierende Verhalten? Als er uns den Weg zeigt, bemerkt Renata, dass die Autofahrer, die unter dem Baum hinter mir stehen, grinsen und mit dem Kopf schuetteln, weshalb wir uns vergewissern. Ein Kollege des Polizisten bestaetigt den Verdacht, dass uns der Misantrop in die falsche Richtung schicken will. Ich fahre zu ihm hin, er kontrolliert gerade den Verkehr und raunze ihn an, was er mit einem Achselzucken quittiert. Jedenfalls lassen wir uns sowas nicht wie die Schafe gefallen. Wir erreichen alsbald Khartums Zentrum, dass als solches aber nicht ersichtlich ist, da es keine grossen Kreuzungen, Plaetze, Einkaufszentren, Kinos o.ae. gibt. Nur viel Verkehr, Staub und kleine Geschaefte und Strassenhaendler. Im Meridien Hotel, einer Nobelabsteige mit Uebernachtungspreisen um die 400 Dollar fuers Doppelzimmer, koennen wir Dollars gegen Dinare tauschen und sind endlich wieder fluessig. In Windeseile radeln wir zum naechsten Restaurant und ich starte eine neuerliche Essensschlacht, mit zwei Hauptmahlzeiten und drei Nachtischen. Dann suchen wir die deutsche Botschaft, denn wir sind per Mail von einem Mitarbeiter derselben eingeladen worden. Heute, am Freitag, ist die Botschaft geschlossen, aber wir haben Glueck und der Mann hat uns von seinem Buerofenster aus schon gesehen. Er heisst Christian, ist 26 Jahre alt und wohnt seit ueber einem Jahr in Khartum. Wir fahren hinter ihm her nach Ryad, einem der Vororte, wo er fuer sich und seine Familie ein Haus gemietet hat. Die groesseren Strassen haben hier oft nur Nummern, die Nebenstrassen sind namenlos. Wir beziehen Quartier im Kinderzimmer, da seine marrokanische Frau und der kleine Sohn in Marroko bei seinen Schwiegereltern zu Besuch sind. Wir kochen und haben uns viel zu erzaehlen, da Christian selbst schon mehrere Fernreisen mit dem Rad gemacht hat. Dabei hat er es recht sportlich angehen lassen und z.B. auf dem Donau-Radwanderweg bis zu 240 km am Tag zurueckgelegt. Und wir haben fuer die etwa 350 km Wuestenetappe eine Woche gebraucht. Als ich mich hier mal wieder im Spiegel sehe, wundere ich mich, wieviel ich abgenommen habe. Wegen der Klimaanlage ist die Nacht ein Genuss. geschrieben am 10.11. in Khartum
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