10/30/2003 Sudan / Khartum
Miss Dentist und das Tutti Frutti
Der Hunger laesst nach...
(Harald und Renata) Wir sind tagsueber alleine in Christians Haus, fruehstuecken draussen im Garten, abends kochen wir fuer alle. Ein bisschen Zuhause in der Fremde kommt auf, wenn es Bratkartoffel oder Apfelpfannkuchen und Filterkaffee gibt. Mein Hunger laesst nur langsam nach, ebenso die Verwunderung ueber diesen eigenartig-tierischen Zustand des Ausgezehrtseins, den ich bisher so kaum gekannt habe. Nachts ist es immer noch deutlich ueber 30 Grad warm und es ist schon Ende Oktober! An den folgenden Tagen versuchen wir verschiedene Erledigungen zu machen. U.a. misslingt der Versuch, unsere geliebte Videokamera reparieren zu lassen (was uns in Kairo ja auch schon misslang). Sie filmt nicht mehr, man sieht nichts mehr durch den Sucher. Wir entschliessen uns schweren Herzens, die Kamera hier in Khartum bei Christian zu lassen, damit sie jemand persoenlich mit nach Deutschland nimmt und stattdessen eine neue Digitalkamera mit besserer Aufloesung zu kaufen. Unsere Wahl faellt auf eine Canon mit 3,2 Millionen Pixel, klein, leicht und nicht teuer. Da im Sudan jedoch erhebliche Importzoelle erhoben werden, sind die Kameras hier viel zu teuer, was wiederum bedeutet, dass wir sie einfliegen lassen muessen. Mein Zahn hat sich mittlerweile entzuendet und der Besuch bei einer Zahnaerztin mit Kopftuch, endet mit der Verschreibung von Antibiotika und Schmerzmitteln. Die erste Nacht danach laufe ich auf und ab vor Schmerzen, trotz 4 Tabletten. Erst gegen Morgen wird es besser, aber die Antibiotika schlagen nicht an. Bezahlt wird der Arzt uebrigens bei einer aussen vor dem Gebaeude gelegenen Kasse im Voraus- vordem schaut sie mir nicht in den Mund. Klar sei aber, dass der Zahn gezogen werden muesse. Christian kutschiert uns 100 Meter weiter zu einer italienischen Eisdiele namens "Tutti Frutti", deren Besitzer eine Kroatin geheiratet hat, die aussieht, als habe sie Eisen statt Eis gefressen. Waere das Eis nicht so traumhaft, die amerikanische Musik nicht so hipp und laut, die anderen Bedienungen so nett und der Vorgarten nicht ein kleines, gepflegtes Paradies, man wuerde der Dame kein Baellchen abkaufen. Wir beantragen das Visum fuer Aethiopien und koennen es binnen einer halben Stunde schon mitnehmen- Rekord! In Khartum kann man bei keiner Bank Geld fuer eine Kreditkarte erhalten, selbst unsere Travellerschecks sind nutzlos, die Geldbeschaffung daher schwierig. Ein Tipp fuehrt uns zur DHL-Niederlassung. Das amerikanische Paket-Unternehmen ist mittlerweile in die Deutsche Post aufgegangen und der englische Filialleiter, ein ebenfalls wegen Heirat mit einer Moslemin zum Islam uebergetretener Barttraeger, raeumt uns einen Sonderpreis fuer unser Paket aus Deutschland ein. Er schickt uns nach nebenan zu einer Reiseagentur, wo wir mit der Visakarte sogar Dollars erhalten koennen, die wir an der aethiopischen Grenze dringend brauchen werden, da die dortige Waehrung nur eine Binnenwaehrung ist. Wir verbringen viel Zeit im Netcafe, denn die Verbindungen sind hier die langsamsten ueberhaupt: fuer das Lesen einer einzigen Mail wartet man etwa 15-20 Minuten. Als ich zum neuen Vorstellungstermin bei der Dentistin erscheine, ist sie nicht da. Ich warte eine Stunde, aber sie laesst sich von ihrem Assistenten nicht mal entschuldigen und seinen staendig erneuerten Vertroestungen ("wait only 10 minutes!) glaube ich am Ende nicht mehr. Er scheint fast erleichtert, als ich aufgebe. Ich verordne mir selbst unser eigenes Breitbandantibiotikum, dass binnen kurzer Zeit Wunder wirkt. geschrieben am 14.11. in Khartum
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