10/31/2003 Sudan / antike Staette Mero-e bei Kabuschiya
Mero-e
Wir machen einen Ausflug in die Wueste
(Harald und Renata) Ganz relaxt machen wir uns mit Christian am "Sonntag" der Moslems, dem Freitag, im silbernen Benz auf nach Mero-e, einer der sehenswerten antiken Staetten, etwa 240 km nordoestlich von Khartum. Entlang des Nil fuehrt die Teerstrasse durch die Wueste, die sich braun und trocken und von einzelnen kleinen Vulkankegeln durchsetzt zeigt. Spaeter dann glauben wir an eine Luftspiegelung, als wir Wasserflaechen zu sehen meinen, aber tatsaechlich- es gibt hier Grund- oder Regenwasser, das sich flach und schlammig ueber grosse Faechen ausgebreitet hat. In den Wadis stehen gruene Buesche und Baeume und Graeser, Inseln der Vegetation. Die Strasse senkt sich hier auf das Niveau des Wadis ab, seitlich mit grossen Felsbrocken gegen Abschwemmen gesichert und von eisernen, rot-weissen Markierungspfaehlen eingerahmt. Mero-e ist schon von weitem zu sehen: Die spitzen Pyramiden heben sich deutlich von den sie umgebenden Bergen ab. Obwohl der Benz auf der Strecke mehrmals aufsetzte, weil er mit grossen Wasserkanistern beladen ist, traut sich Christian damit querfeldein zu fahren und stellt den Wagen 100 Meter neben dem Zugang zum umzaeunten Gelaende ab. Nur eine italienische Familie teilt unser Interesse an diesem Ort. Wir stapfen durch den Sand auf die antike Kultstaette zu. Vor uns liegt ein mehrere Quadratkilometer grosses Wuestengelaende zwischen schwarzen Huegeln, auf dessen Kuppen spitze Pyramiden stehen, an deren Fuessen wiederum kleinere, pyramidenfoermige Bauten errichtet wurden. Wie bei den aegyptischen Pyramiden, handelt es sich auch hier um Grabbauten. Die wesentlich kleinere Ausfuehrung ermoeglichte spitzere Winkel und der kleinere Grundriss eine groessere Anzahl der Grabstaetten nebeneinander. Viele der Pyramiden haben ihre Spitzen durch Grabraeuberei verloren, einige kleinere wurden inclusive der vorgelagerten Tempelanlagen vollstaendig renoviert. Die Sonne steht hoch, es ist bruetend heiss und deshalb hasten wir erstmal in den Schatten einer grossen Pyramide und warten ab. Ein Junge aus dem nahegelegenen Dorf gesellt sich zu uns, bietet uns ein Taenzchen auf einer Mauer ueber unseren Koepfen dar. Seine Schuhe sind aus einem alten Autoreifen geschnitten und getackert, bzw. mit Oesen gepoppt. Dann gesellt sich ein aelterer Mann zu uns, der Ralph zu einem Kamelritt durch das Tal animieren kann, auf dessen gegenueberliegenden Seite ebenfals mehrere Pyramiden locken. Die Hohen Sandverwehungen sind weitgehend unversehrt, die Spuren der wenigen Besucher werden schnell beseitigt. Wir bauen die Zelte auf, Ralph schlaeft im Freien. Dann wird gegrillt, Renata hat Salat zubereitet, es geht uns herrlich. Immer wieder schweift der Blick auf die Kulisse der Wueste. Wenn man die Wueste als Landschaftsform begreift, nicht als Bedrohung, wenn man abseits der Kargheit, der Oednis, der fahlen Farben, dem Staub, den Sandstuermen usw. auch das Schoene zu erkennen vermag, so ist sie einer der reizvollsten Orte der Welt. Voller Reiz nicht nur wegen der Gefahren, sondern weil sie das Auge beruhigt, wie ein Ozean aus Sand, indem die Duenen die Wellen sind, indem die Vegetation und die Berge wechseln, wie sich die Form der Wellen durch den Wind aendert. Es gibt weniger Geraeusche und sie sind natuerlichen Ursprungs: Der Wind im Ohr ist das lauteste, der Wind in den wenigen Bueschen, Baeumen und Felsen ein leiseres, von oben hoert man gelegentich einen Greifvogel schreien, vielleicht ein paar Voegel pfeifen. In der Nacht, bei Windstille, stellt sich eine fast beaengstigende Ruhe ein. Fuer uns laermgeplagte Staedter ist vollkommene Stille nahezu unbekannt, sie erscheint uns oberflaechlich bedrohlich, weil sie uns als "allein da draussen" begreifen laesst. Das lauteste Geraeusch ist in solch einer Nacht dein eigener Atem und das pulsrhytmische Rauschen deines Blutes in den Ohren. Wie eine dicke Decke aus Ruhenebel umhuellt dich diese Lautlosigkeit, wirft dich auf dich selbst zurueck. Der Reiz liegt im Ungewohnten, im Einsamen, im Reduzierten. Die grelle Sonne schafft eine Lichtfuelle, die alle Farben ins Pastellene ebnet, wie die Daemmerung alles in Grau zieht. Das Schwarz des Basalts schimmert silbern ins Graphitgrau, das satte Gruen der Blaetter passt sich sanft lindgruen an den rosa-beigen Sand an, der morgens noch rostbraun erschien und der Himmel, am Morgen scharf-stahlblau, ist Mittags versoehnlich hellblau geworden, indem die weisse Sonne sich nicht mehr abhebt, sondern einbettet. Selbst die Tiere haben sich im Laufe der Evolution an diese Farben angepasst: wer sich tarnen will, weil er nicht gefunden oder beim Finden nicht gesehen werden will, ist sandfarben- die Wuestenspringmaus, die Heuschrecke und der Gecko gleichen da dem Fuchs, dem Luchs und dem Loewen. Wer sicher ist, wie ein schneller Vogel, verschafft sich Aufmerksamkeit durch Farben, wer sich als ungeniessbar kennzeichnen will, wurde alarmfarben, wie manche Kaefer. Als spaeter ein leichter Sandwind aufkommt, muss Ralph sich hinter Christians Zelt in Deckung legen. Ansonsten wird es eine sehr ruhige Nacht. geschrieben am 15.11. in Khartum
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