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Reisetagebuch

11/15/2003   Sudan / Khartum

Schildkroetenkraulen

Umzug ins neue Heim / Bomben in Istanbul

(Harald und Renata) 12.11.

Wir ziehen morgens bei Christian und seiner Familie aus. Christian hat uns ueber zwei Wochen ein schoenes Heim gegeben und wir sind ausgeruht und aufgepaeppelt. Fuer eine Spontan-WG hat es gut geklappt.

Bei den Piloten haengt am Balkon eine kleine, rot-weisse, polnische Fahne und am Ventilator zieht ein Fluegel ebenfalls ein Faehnchen mit sich herum. Wir bekommen den Wohnungsschluessel und einen vollen Kuehlschrank ueberlassen und dann ist die Fliegercrew entschwunden. Da sie eine ganze Etage in dem Haus gemietet haben, stehen uns mehrere Zimmer zur Auswahl. Im Erdgeschoss arbeitet eine chinesische Firma, fremde Essensgerueche durchziehen den Hausflur und das chinesische Fernsehunterhaltungsprogramm, dass im Eingangsbereich laeuft, sieht irgendwie aus, wie das deutsche- nur die Sprache und die Gesichter sind andere. Weltweit die gleiche Sosse aus Peinlichkeiten, Ratespielchen und Karaoke. Der Musikmoderator sieht aus wie bei MTV, die Nachrichtensprecher aehneln denen bei CNN.

Im Hof stehen riesige Palmen, zu dessen Fuessen zwei Riesenschildkroeten dahinvegetieren. Dem sudanesischen Hausmeister hat Marcin schon gedroht, weil der das kleinere der Tiere gerne mal spasseshalber auf den Ruecken dreht und auf seinem Panzer finde ich ausgedrueckte Zigaretten. Futter gibt es auch kaum, so dass ich beim naechsten Einkauf einfach den ueberall umherliegenden Abfall aufsammle, den die herumstreunenden Ziegen liegengelassen haben und zu den Tieren ins Gehege steige.

Die groessere Schildkroete misst etwa 90 cm und frisst mir gierig aus der Hand und laesst sich augenrollend den weichen Hals bis tief in den Panzer massieren.

Ums Haus herum leben halbwilde Hunde, einer hat ein gebrochen verheiltes Bein, alle sind voellig verlaust, manche haben offene Wunden. Wer sich aus der Meute traut, laesst sich von mir ausgiebig und genuesslich kraulen, ein ganzes Rudel umspringt mich, aber alle sind vorsichtig, keiner der ca. 8 Hunde macht mich auch nur schmwutzig.

Ueber der Stadt kreisen manchmal Bussarde in Schwaermen von ueber 400 Tieren- wie ein Greifvogel in solchen Massen in einer Stadt ueberleben kann, ist mir raetselhaft, auch wenn wir in Omdurman gesehen haben, wie sie sich an dem ueberall herumliegenden Abfall guetlich taten.

13.11.

Ich bin krank, fuehle mich elend, habe Kopfschmerzen, bin muede. Deshalb kuemmern sich Renata und Ralph um mein Rad und finden einen einheimischen Mechaniker, der hier ein bisschen schraubt und dort ein wenig drueckt und biegt und am Ende funktionieren die meisten Gaenge wieder. Trotzdem tritt sich das Rad zu schwer und es rollt auch viel schlechter als vor einigen Monaten.

14.11.

Es geht mir besser. Da wir hoeren, dass Christian ebenfalls krank war, kann man spekulieren, was seine Frau an unangepassten Kleinstwesen aus Marokko mitgebracht hat.

Die Internetverbindungen sind hier Zufallssache. Stromausfaelle haben schon so manche muehsam verfasste Mail gekillt oder einen Tagebucheintrag ins Nirwana entschwinden lassen. Oft gibt es keine Verbindung, oder ein Netcafe ist geschlossen worden, oder alle Plaetze sind besetzt. Wenn man fuer das Lesen und kurze Beantworten einer einzigen Mail eine Stunde braucht, kann man z.B. das Loeschen der zahlreichen Spams (Werbemails) einfach vergessen. Nett ist es auch, wenn man mit den Raedern anreist, um dann zu sehen, dass doch niemand da ist- trotz Absprache. Und zwischendurch werden alle Netcafes geschlossen, weil man zwischen 16 und 20 Uhr essen muss. Warum das 4 Stunden dauert, bleibt schleierhaft, denn gegegseen wird eh erst bei Sonneuntergang um 18.20 Uhr und die Zubereitung ist hier reine Frauensache.

Die sudanesische, maennliche Jugend froent dem Anschauen pornographischer Webseiten uebrigens genauso fleissig, wie wir das in der Tuerkei, Syrien und Aegypten gesehen haben. In den "Tools" finden sich diverse Adressen und wenn Knabenaugen im letzten Winkel eines Netcafes leuchten, weiss man, was da auf dem Bildschirm angeschaut wird.

Wir besuchen Christian in der Botschaft und weil wir die Fotos nicht uebermitteln koennen, brennt er uns eine zweite CD zum Versenden. Am Nachmittag snd wir zu ihm zum Kaffee eingeladen und verabschieden uns endgueltig, denn morgen soll es losgehen- Aufbruch!

15.11.

Heute wollen wir nachmittags abfahren, aber dieser Plan bleibt eine Seifenblase. Da wir wissen, dass es bis Gondar in Aethiopien vielleicht nur noch eine, oder zwei Moeglichkeiten geben wird, Tagebucheintraege zu schreiben, muss alles moeglichst up-to-date sein. Aber das Uebersenden der Fotos klappt nicht und wir werden mit den Eintraegen nicht fertig. Dieses Tagebuch mag ich nicht "herunterschreiben" und es ist oft nicht einfach, sich zu konzentrieren, wenn ringsum reger Betrieb herrscht.

Als wir abends wieder in der Wohnung ankommen, sind die drei Polen schon wieder zu Hause. Wir sind herzlich willkommen und die Gastgeber unkomplizierte Genossen, teilweise noch angeschlagen von den wodkaschwangeren Tagen bei ihren Freunden in Wad Medani. Die dortigen Piloten sind uns von Sonia und Alexandre (den Wanderern) empfohlen worden und jetzt werden wir dort natuerlich erst recht erwartet.

Heute sind zwei Autobomben in Istanbul vor Synagogen explodiert und es hat viele Tote und Verletzte gegeben. Wir waren in dieser Stadt, so wie auch in Haifa, wo es ebenfalls vor ca. 2 Wochen erneut einen Selbstmordanschlag gegeben hat. Dieses "Dagewesensein" verbindet uns mit diesen Staedten. Was koennen wir anderes sagen als: Um Eures, deren Gottes Willen- macht endlich einen gerechten Frieden, damit dieses grauenvolle Toeten ein Ende hat. Dies ist keine innerstaatliche Angelegenheit mehr, was immer Israel auch sagen mag. Es ist laengst ein internationaler Konflikt und keine Eroberung von Afghanistan oder Irak wird an der Ursache etwas aendern. Alle Seiten haben einen hohen Blutzoll gezahlt, die ganze Region ist staendig instabil, die Wut liegt dicht unter der Oberflaeche.

Hier im Sudan haben wir nicht ein einziges Mal das Wort "Hass" gehoert, niemand hat auch nur einmal die Amerikaner erwaehnt, die hier vor 5 Jahren gebombt haben, niemand spricht von Israel, von Scharon oder Bush. Aber im Sueden tobt der schlimmste Krieg ganz Afrikas- das ist das andere Gesicht dieses Staates.

geschrieben am 20.11. in Wad Medani


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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