Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

11/16/2003   Sudan / Kiszenna bei El Kamlin

Sudanesische Gastfreundschaft

Weiterfahrt Richtung Suedosten

(Harald und Renata) Aufbruch am Morgen, wir verabschieden uns herzlich von Jan, Marcin und Marian.

Ralphs schwarzes Fahrrad Marke "Wanderer" ist eine Wucht! Ueberhaupt ist der "Bike-Messias" bestens ausgeruestet. Er hat sein Rad zwar ebenfalls erst kurz vor Reiseantritt gekauft, aber dabei das bessere Haendchen gehabt. Trotzdem er mehr Gepaeck hat, ist er der Schnellste von uns.

Wir haben von Christian eine Wegbeschreibung aus der Stadt heraus bekommen. Wir lassen eine riesige Stadt mit breiten Strassen hinter uns, die im Gegensatz z.B. zu Istanbul, Damaskus oder Kairo geradezu eine Oase der Ruhe ist, weil wenig, kurz und leise gehupt wird, wenngleich es auch hier genug risikofreudige Zeitgenossen gibt, die einen Fahrradfahrer als vernachlaessigenswert betrachten, weshalb wir oft geschnitten und abgedraengt werden. Und ein Nachtleben gibt es im Nordsudan nicht, weil die Scharia, das Koranrecht, so etwas nicht erlaubt: Keine Diskos, keine Kinos, kein Variete etc.

Die Sonne scheint, aber die Luft ist angenehm, ein leichter, kuehler Wind blaest uns aus 10 Uhr entgegen.

Die Teerstrasse ist etwa 5 Meter breit und stark befahren, weil sie die einzige Strasse Richtung Wad Medani, Sudans zweitgroesster Stadt ist. Bis auf wenige Kleinbusfahrer, die uns zu nahe passieren, in den Sand neben der Strasse zwingen, sind die Fahrer, Beifahrer und Passagiere eine lobenswerte Ausnahme. Nirgendwo auf unserer Reise sind wir derart oft gegruesst worden, kaum jemand hupt, sondern man winkt, lacht, streckt den Daumen nach oben. Im dunklen Fuehrerhaus sehen wir oft die Gesichter nicht, aber die weissen, blitzenden Zaehne, wenn die Fahrer lachen. Neben der Strasse laufen, gehen, warten die Menschen und gruessen uns, ohne das Geschrei, wie in Aegypten. Kein Kind hebt einen Stein, niemand versucht uns festzuhalten. Ueberall heisst es: "Faddalu!" (Willkommen). Es ist Sonnenschein in unseren Herzen, wir sind ganz angetan von dieser Gastfreundschaft. Wir gruessen hunderte Male am Tag, baden in Freundlichkeit. Was fuer Menschen!

Die Strecke ist bretteben, das Fahren koennte eine Freude sein, wenn mein Rad rollen wuerde. Stattdessen trete ich in die Pedale, als ob es den Berg hoch ginge und Renata und Ralph sehe ich fast nur noch von hinten.

Die Landschaft veraendert sich allmaehlich. Linker Hand liegt der Nil, etwa 3-4 km entfernt sehen wir den Palmenguertel am Ufer. Beidseits der Strasse aehnelt die Vegetation mittlerweile einer Savanne, also einer Graslandschaft mit Bueschen und niedrigen Baeumen. Hier faellt mehr Niederschlag.

Erstmalig sehen wir auch regelrechte Krals, runde Lehmhuetten mit Palmwedeldaechern, die zu kleinen Gruppen zusammengebaut wurden, so dass die Laehmumfassungsmauer der einen Huette die Hauswand der naechsten ist. Hinter "Zaeunen" aus Akazienzweigen stehen Ziegen und Schafe, immer wieder sehen wir kleine Kuhherden, die von Hirten umhergetrieben werden. Die ebene Landschaft und die gute Strasse beguenstigen die Haltung von Pferden, die wir jetzt vermehrt beobachten, dafuer fehlen Kamele voellig.

Am Abend erreichen wir ein Restaurant, wo wir eigentlich nur etwas essen wollen. Da die Sonne noch nicht untergegangen ist, ist man nicht auf Gaeste vorbereitet, wirft aber fuer uns geschwind den winzigen Holzkohlegrill an und braet Lammfleisch. Weil wir die Fettbrocken in der Pfanne schon herausklauben, legt man Fleisch nach. Bis jetzt haben wir wenig Magenprobleme wegen des Essens gehabt.

Bei Sonnenuntergang sitzen neben dem Restaurant etwa 30 Maenner in zwei langen Reihen auf einer Plane vis-à-vis und essen aus Schuesseln Fleisch und Teig mit Sosse und Linsen. Man laedt mich und Ralph ein- Renata darf sich nicht dazusetzen, was sie heute gelassen hinnimmt. Gegessen wird mit blossen Fingern und danach waescht man sich und alle beten, eng beieinander stehend, in Reihen, sich gen Osten, Mekka, wendend. Mich beruehrt dieser "Teamgeist" immer wieder. Der Begriff "Glaubenbruder" bekommt hier Leben und im Gegensatz zu Aegypten, glaubt man hier allen ihre Froemmigkeit. Es ist im Wesentlichen der Glauben, der den Norden Sudans zusammenhaelt und ihm seine einmalige Freundlichkeit verleiht. Hier ist Glaube Tradition, nicht verordnet, sondern verinnerlicht.

Als wir aufbrechen wollen, laedt uns der Hausherr zum Bleiben ein und es wird uns ein Gaestezimmer mit drei Holzbetten angeboten. Wir stellen die Betten aus dem warmen Raum hinaus auf den Hof, wo der kuehle Abendwind weht. Ueber die erhoehten Kopfteile und die am Fussende der Betten abgestellten Fahrraeder spannen wir die Moskitonetze- Renata schlaeft wie stets ohne Netz, weil die Sauger sie weitgehend verschonen.

Als in der Nacht drei Autos auf den Hof gefahren werden, hat man die Fahrer angewiesen, die Fahrleuchten auszuschalten, die Motoren werden sofort abgestellt. Niemand, der den Hof passiert, naehert sich uns neugierig und wir fuehlen uns als wirkliche Gaeste und behuetet.

geschrieben am 20.11. in Wad Medani


 

 

 

 

 

 

 


  Team Login

© biketour4goodhope