11/25/2003 Sudan / 53 km hinter Gedaref
Sonne, Mond und Sterne
Romantische Anblicke
(Harald und Renata) Am Morgen liegt Rauch ueber der Innenstadt. Wir muessen noch Lebensmittel kaufen, bevor wir uns in die Einsamkeit der Grenzregion aufmachen. Im Suq kaufen wir Orangen und Bananen, 10 Brote und reichlich Flaschenwasser, dazu Orangenpulver. Und erstmals, noch rechtzeitig vor Verlassen des Sudan, bekommen wir an einem winzigen Strassenstand von einem jungen Burschen Tee fuer 10 Dinare ausgeschenkt. Wir ahnten zwar seit Dongola, aufgrund einer unbedachten Bemerkung eines Internetcafebetreibers, dass der Tee so guenstig ist, aber nirgendwo haben wir denselben fuer weniger als 25-50 Dinare bekommen. Darauf zu bestehen, haette nichts genutzt und nur immerfort Aerger bedeutet, weil man schlichtweg erwartet, dass wir Touristen mehr bezahlen. Auf dem Platz vor uns entsteht ein Tumult, weil zwei Taschendiebe erfolglos versucht haben, einen Sudanesen um seine Geldboerse zu erleichtern. Einen hat der Angegriffene festgehalten, die Menge hilft ihm, schnell ist Polizei zur Stelle und fuehrt den Schwarzen ab. Der Suq ist voller Fliegen, das Fleisch wird auch hier ungekuehlt aufgehaengt, von den schwarzen Brummern ueberzogen. Unertreaglich auch, dass der Abfall in kleinen Haufen ueberall zwischen den Staenden in den Gassen einfach verbrannt wird. Es stinkt und qualmt, der starke Wind verteilt Asche und Papier und Plastik ueberall. Erst gegen 11 Uhr brechen wir auf. Hinter der Stadt stehen saubere Rundhuetten mit Strohdaechern und Zaeunen aus Wellblech. Erst hier ist die Siedlung ansehnlich. Haette uns ein Mann nicht darauf aufmerksam gemacht, wir waeren am Abzweig nach Gallabat, dem sudanesischen Grenzort, glatt vorbeigefahren. Die ungeteerte Strasse geht einen Huegel hinauf und dahinter bietet sich ploetzlich ein weiter, schoener Blick ueber die Savanne. Die Strasse ist so schlecht, dass wir bergab absteigen und schieben. Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne heiss wie eh und je, vor uns liegen etwa 160 km bis zur Grenze. Ein letzter Polizeiposten, der als solcher kaum zu erkennen ist: ein kleines Gartenhaeuschen mit kaputten Stuehlen und einer winzigen, zerfetzten Fahne. Die Polizisten haben Ralph registriert- er ist uns zwei Tage voraus. Was die Polizisten uns ueber die Versorgung sagen ist entmutigend, aber falsch, denn es gibt doch schon nach ein paar Kilometern die erste kleine Siedlung und so geht das dann den ganzen Tag lang. Etwa alle 10 km gibt es Limonade, Thunfisch und Brot zu kaufen, Hier gibt es noch Strom und somit sogar eiskalte Pepsi, die fuer uns die Bedeutung einer Pausenzigarette bekommen hat. Jeder wartet darauf, dass der andere das Stichwort: ”Pause?” gibt. In einem kleinen Dorf entsteht bei unserer Ankunft ein Auflauf von Kindern, Jugendlichen und Maennern. Die Kleinsten haben Angst vor uns, alle sind neugierig, freundlich. Die aelteren Maenner schaffen “Ordnung”, indem sie mit Ruten auf die Kinder einschlagen, um sie zu vertreiben. Das entstehende Chaos ist gefaehrlich, denn ein Kind rennt vor eine Metallkante, ein Knabe stuerzt der Laenge nach uebel auf die Steine und letztlich sind wir ja die Ausloeser. Wenn wir Fotos machen, wollen alle aufs Bild und alle vorne sein. Auf dem winzigen Bildschirm der Digitalkamera zeigen wir dann den Abgelichteten zu deren grosser Freude die gerade gemachten Bilder. Leider entsteht auch dabei Durcheinander, man steigt in die Speichen der Raeder und stoesst dieselben um, grapscht nach der Kamera. Als wir den Ort verlassen trifft mich ein Stein im Ruecken und ein Knabe ruft mir eine ueble Beleidigung zu. Man entschuldigt sich bei mir dafuer. Es ist das erste Mal, dass mich ein Stein tatsaechlich trifft. Die steinige Strasse ist etwa 8 Meter breit und wir suchen uns auf der gesamten Breite stets die beste Fahrspur. Alle halbe Stunde etwa brausen Lasttaxis ueber die Wellblechpiste, die Autos rappeln wie Blechbuechsen. Am Abend belohnt uns ein wunderschoener Sonnenuntergang, wie man ihn sich erst in Kenia erwartet haette: Grosser Akazienbaum vor roter Sonne mit weissen Kuhreihern. Da wir jetzt schon nahe am Aequator sind, sind die Tage fast gleichlang, heisst, Sonnenauf- und –untergang finden das Jahr ueber nahezu zu gleicher Zeit statt. Der Mond zeigt sich heute ganz- ein seltener Anblick, denn die Sonne beleuchtet ihn direct nur als schmale Sichel. Trotzdem ist sein ganzes Rund zu sehen, darunter funkelt schon bei Sonnenuntergang ein Stern. Unseren Zeltplatz haben wir etwas zu spaet gesucht und dabei uebersehen, dass wir zwischen zwei Strassen aufgebaut haben. Was sich auf den ersten Blick als eine Invasion schwarzer Ameisen darstellte, sind lediglich kleine Kaefer. Unvorstellbare Massen dieser 2 bis 6 mm grossen Kabbler muessen die Ebene bevoelkern. Wir duschen mit Wasser aus Flaschen und ziehen uns ins Zelt zurueck. Da heute der Fastenmonat Ramadan zu Ende geht, wird im Nachbardorf laut gefeiert, getrommelt und gesungen und die halbe Nacht fahren Autos und Mopeds an unserem Zelt vorbei, ohne das uns jemand belaestigen wuerde. Das Malariamittel Marke “Lariam” bekommt uns ganz gut, aber wir haben Schlafstoerungen und Albtraeume, weshalb wir ueberlegen, es abzusetzen. geschrieben am 4.12. in Gonder
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