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Reisetagebuch

11/29/2003   Aethiopien / 40 km vor Gynnt

Amasse Ginallo!

Erste Impressionen und Ernuechterungen

(Harald und Renata) Ehrlich gesagt, sind wir auf Grund der vielen Warnungen vor Diebstaehlen, die wir vor der Einreise nach Aethiopien bekommen haben, recht besorgt um unser Eigentum, weshalb wir nachts alles mit ins Zelt nehmen und vor allem stets ein Auge auf die Raeder und das Gepaeck haben. Das extreme Gefaelle zwischen unserem Reichtum und der hiesigen Armut foerdert nicht gerade die Ehrlichkeit der Menschen. Betrug und Diebstahl erscheinen da vielen als nicht mehr so schlimm- falsch, aber eher verstaendlich, als bei Delikten aus Faulheit oder Luxusstreben. Fuer Menschen, die tagtaeglich erneut fuers Ueberleben sorgen muessen, ist es ein grosser Luxus, soviel Geld zu besitzen, dass man nicht arbeiten muss und nur herumreist.

Wir verabschieden uns von der netten Vermieterin und den beiden Frauen: Dana Hohn! (Auf Wiedersehen) und: Amasse Ginallo (Vielen Dank). Unser Fruehstueck essen wir in einem der winzigen Strassencafes. Man sitzt auf groben Holzschemeln, die mit Kuhlederstreifen oder Hanfkordeln bespannt sind, kleine Holz- oder Metalltischchen dienen als Abstellflaeche fuer den Schai (der heisst so seit der Tuerkei, mit geringfuegigen Abweichungen in der Aussprache) und den Mini-Kaffee. Letzterer wird in niedlichen Metallkaennchen gereicht und aus aprikosengrossen Taesschen getrunken- stark gesuesst und mit Cardamom gewuerzt. Unser letztes Glas Marmelade ist nun leer und neue gibt es hier nirgends zu kaufen. Beim Bezahlen gibt es immer mal wieder Diskussionen, weil man dem Gewinnstreben auch Grenzen setzen muss. Aber darin sind wir ja sehr geuebt und so einigen wir uns mit der Wirtin, die in ihrem kleinen Lehmhaus ein verklaerendes Jesusbild haengen hat.

Die Strasse ist weiterhin ein Graeuel, mit Wellblech und Loechern, aber das Schlimmste ist der Belag selbst, ein Geroell aus scharfkantigen Steinen, die bei jeder Lenkbewegung wegrutschen und ein schnelles Bergabfahren zu einem Risiko machen. Ich fahre kilometerlang neben der Fahrbahn, dort, wo die Fussgaenger und Esel laufen. Dieser nur etwa 50 cm breite, unregelmaessige, etwas sandige Streifen schont die Reifen, aber mehr als einmal fahre ich fast den Abhang direkt neben der Spur hinunter, wenn ich mich umdrehe oder einer Akazie ausweiche.

Die vorbeifahrenden Autos wirbeln bei ihrer Raserei grosse Staubwolken auf, so dass wir stets aufpassen, zu welcher Strassenseite der Wind sie weht. Die Bewohner der Doerfer an dieser Strasse koennen diesem Dreck aber nicht ausweichen, der sich auf alles legt.

Wir kontrollieren jetzt oefter die Reifenmaentel nach Dornen und die Ketten muessen haeufiger als in der Wueste geoelt werden.

Bergauf muessen wir schieben, vor allem Renata kann das schwere Rad nicht bergauf fahren. Mehr als einmal kippt ihr auf dem losen Untergrund das Vorderrad weg und dann faellt das ganze Rad zu Boden, weil sie es nicht halten kann.

Die Landschaft ist jetzt durchweg bergig, grosse Feigen- und Eukalyptusbaeume, sowie Akazien und Buesche formen eine parkaehnliche Landschaft, durch die kleine Kuhherden der verschiedensten Rassen getrieben werden, z.B. Zebu-Rinder, die es Renata besonders angetan haben, weil sie Fellzeichnungen wie Kunstwerke haben. Typisch sind die Fettbuckel und Kehlsaecke der Tiere, besonders schoen die schwarz-weissen Exemplare, die wie Dalmatiner gefleckt sind und schwarze Schnuten haben. Aber auch mehrfarbige Tiere sind darunter, deren Fell aussieht, als habe ein Expressionist Kleckse von Braun und Schwarz auf ihre Haut geworfen.

In einem kleinen Dorf sitzen wir zum Tee, wieder umringt von ca. 50 Bewohnern, meist Kinder, Knaben und junge Maenner, die jede unserer Bewegungen verfolgen. Wir versuchen die Zuschauer teils zu ignorieren, teils, uns mit ihnen zu unterhalten, z.B., in dem wir das Gaffen als “TV” darstellen- das versteht jeder und alle koennen sich das Befremden weglachen.

Waehrend wir Brot mit Thunfisch essen, kommen zwei Jeeps vorbeigerast- Weisse! Aber obwohl Renata aufspringt und dem zweiten Wagen (aus Daenemark) “Halt” winkt, fahren sie vorbei. Da unsere Raeder auf der Strasse stehen, koennten sie ruhig anhalten und fragen, ob wir ein Problem haben.

Dann haelt ein gigantischer MAN, Baujahr 1965, aus Bocholt in Belgien, beschriftet mit “McGywer”, dem Namen eines findigen Fernsehserienstars. Rick ist ein kraeftiger Anfangssechziger, der sich alleine durchschlaegt. Er unterhaelt die Zuschauer zu deren Verblueffung damit, dass er seine komplett falschen Zaehne ploetzlich herausnimmt. Als wir uns den Zuschauern entziehen, indem wir uns ins Auto mit brusthohen Reifen zurueckziehen, wofuer wir eine Leiter brauchen, so hoch ist der LKW, werden die Kinder aergerlich und rappeln an der Leiter, was Rick veranlasst, seinen grossen, schwarzen Original-Schlagstock, der an der Innentuere haengt, zur Hand zur nehmen und “Chottverdammi!” rufend die Tuere aufzureissen und damit auf seine Karosserie zu hauen. Er erzaehlt, dass er die verschiedensten Waffen im Auto hat (“…ich kann meinen eigenen kleinen Krieg fuehren…”) und wie bei anderen Reisenden auch, beschleicht uns ein Befremden. Und trotzdem ist Rick ein netter Mann, hilfsbereit und freundlich und er erzaehlt, wieviel er jeden Tag verschenkt und an Geld gibt und wie ihn die sichtbare Armut beruehrt.

Als wir spaeter weiterfahren, liegt eine tote Manguste auf der Strasse, eine grosse Marderart, beruehmt fuer ihre Faehigkeit selbst grosse Giftschlangen toeten zu koennen, um sie zu verspeisen. Renata, weiter hinter mir fahrend, sieht sogar ein lebendes Exemplar vor dem Rad die Strasse kreuzen.

Die Weideflaechen sind offensichtlich ueberweidet. Was im Sudan vor allem die Brandrodung anrichtet, wird hier allein durch die hohe Anzahl des Viehs zerstoert: Zuviele Tiere werden zu oft auf die Grasflaechen getrieben, so dass alle Jungtriebe abgefressen werden, auch der Straeucher und Baeume, denn die Ziegen richten sich, mit den Vorderhufen auf die Aeste gestuetzt, hoch auf, um alle Spitzen abzufressen. Und die Ausscheidungen der Tiere uebersaeuern den Boden, so dass die Baeume absterben. Neben dem Holzeinschlag und dem Abbrennen, ist dies dann Ursache fuer die Verkarstung des Landes. In der Regenzeit von Mai bis Oktober wird der kahle, nicht mehr durch Bewuchs geschuetzte Boden dann abgespuelt- deshalb ist der Nil dann ueber tausende von Kilometern, bis ins Mittelmeer hinein, braun vom fruchtbaren Schlamm Aethiopiens.

Schmetterlinge, bunt, fliegenden Blueten gleich, umschwirren uns, auf der Suche nach den letzten Blueten der Akazienstraeucher und Kraeuter, die vor allem am Ende der Regenzeit bluehen.

In Halbkilometerwellen geht die Strasse auf und ab und die Berge vor uns werden immer hoeher, bald muessten wir den Rand des Hochlandes erreicht haben.

Unser Zelt stellen wir auf einer Kuhweide auf. Sorgfaeltig klauben wir die Dornenzweige vom Boden auf, besorgt um Reifen, Zeltboden und vor allem die Luftmatratzen. Trotzdem sticht uns ein Dorn eines Baumes in eine Matratze, aber das kleine Loch entlaesst sehr wenig Luft.

Wir machen ausnahmsweise ein kleines Lagerfeuer und weihen unseren neuen Kochtopf ein, im dem wir Nudelsuppe zubereiten. Die Nacht wird angenehm kuehl- endlich sind wir der staendigen Hitze entflohen.

geschrieben am 5.12. in Gonder


 

 

 

 

 

 

 


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