12/8/2003 Aethiopien / Addis Zemen
Zuckerhut in Addis?
Schoene Aussichten, ein herrlicher Sonnenuntergang
(Harald und Renata) 8.12.2003 Aethiopien / Addis Zemen Wir bauen morgens gerade die Zelte ab, als die Hirtenjungen erscheinen und muerrisch in der Asche des Lagerfeuers stochern, dann gestenreich sich gegenseitig deutlich machen, wir haetten von dem Gras genommen. Auch mehrere Maenner erscheinen, am Ende sind es sieben und Einer fordert Geld, weil wir das sehr teure Gras verbrannt haetten. Die Situation ist angespannt, scherzhaft meint Ralph, er “uebernaehme die Drei rechts” und wir sollten die restlichen Vier nehmen. Aber wir ueberlassen den Maennern etwas zu Essen und dann lassen sie uns ziehen. Wir fahren bergauf, die Landstrasse windet sich in Serpentinen in die naechste Bergkette, an deren Flanke wir zur Fruehstueckspause halten. Ein ulkig-winziger Laden verkauft uns Eier, die wir von einer Frau zu Ruehrei (was sonst?) verarbeiten lassen. Dazu gibt es Brot, das Ganze garniert mit vielen Zuschauern. Aber daran muss man sich einfach gewoehnen. Auf den Huegelruecken stehen noch kleine Reste der urspruenglichen Vegetation, Urwald, der mit riesigen Kakteenbaeumen durchsetzt ist. Hier oben sehen wir wieder einen Blauaffen, viele Schmetterlinge und Voegel. In einer kleinen Ortschaft machen wir Grosse Pause in einem Restaurant, das liebevoll bemalt und dekoriert wurde und aussergewoehnlich sauber ist. Wir trinken Ploerre, Zuckergetraenke Marke Pepsi und 7-Up. Die Frau des Besitzers hat ungewoehnlich frisierte Haare, sehr aufwaendig geflochten. Hinter der Ortschaft bieten sich uns wieder schoene Ausblicke ueber die Felder, ueber denen sich ein hellblauer Himmel mit weissen Wolken ausbreitet. Schon viele Reisende haben diese Landschaft der Hochebene mit ihnen bekannten Gefilden verglichen. Tatsaechlich sieht diese baeuerliche Gegend aus wie Irland oder Holland oder manchmal wie der Niederrhein. Dazu kommt die kuehle Luft, der teils heftige Wind. Wieder werden wir bei einem Anstieg, den wir fast im Schritttempo bewaeltigen, von einer Gruppe Knaben “begleitet”, die betteln und versuchen, moeglichst laestig zu fallen. Es ist ein Spiel und man testet aus, wie weit man gehen kann. Es heisst wieder, geduld zu haben, freundlich zu bleiben, “Baekka” (geht weg) sagen, “Dana Huhnu” (Auf Wiedersehen) usw., obwohl man ahnt, schon erfahren hat, dass das alles am Ende nichts nuetzt. Ploetzlich hat einer einen Stock in meine Speichen gesteckt, was mich richtig wuetend macht, denn mit verbogenen oder zerbrochenen Speichen kaemen wir nicht mehr weiter, Ersatzfelgen gehoeren nicht zu unseren Equipment. Also verfolge ich die Rasselbande, aber ich habe nicht gesehen, wer der Schuldige war und deshalb schnappe ich mir den Groessten, schuettele ihn durch, schimpfe lautstark mit ihm. Die Speichen sind in Ordnung, dank der geringen Geschwindigkeit, aber bergab kann so ein “Scherz” toedlich sein, mindestens jedoch schwere Verletzungen nach sich ziehen. Ich entschliesse mich, den Stecken fortan mit mir zu fuehren, um Verteidigungsbereitschaft zu signalisieren, vielleicht hilft es. Mitten zwischen den runden Huegeln erscheint ein steiler Granitfelsen der wie der Zuckerhut in Rio de Janeiro aussieht. Und immer weiter gehts bergauf, ganz oben, auf ueber 2500 m Hoehe, stehen ein paar wenige qkm Urwald, aber auch hier wird gerade eben fleissig abgeholzt. Als wir den Kamm ueberqueren, sehen wir eine unglaublich duenne und gleichzeitig hohe Granitfelsnadel vor uns. Etwa 150 Meter mag sie emporragen, kaum 30 Meter an der Basis breit, oben stehen ein paar Baeume und darueber kreisen Greifvoegel. Die Szenerie erinnert stark an Phantasyfilme. Hinter uns geht spektakulaer die Sonne unter, so dass wir uns nicht sattsehen koennen und zu spaet losfahren. Bergab wird es bereits kuehler, dunkler und als wir im Tal in Addis Zemen ankommen, ist es Nacht, weshalb wir uns von zwei Jugendlichen ein verstecktes Hotel zeigen lassen. Im Ort gibt es zwar Strom, aber der faellt gerade aus und um uns laufen wieder Knaben heulend herum, deren Lautstaerke und provozierendes Gehabe am Ende wieder lautstarke Warnungen unsererseits nach sich ziehen. Aber erst die Jugendlichen, die sich ein "Guide-Geld" nicht verderben lassen wollen, sorgen fuer den Abmarsch der Bande. In dem etwas heruntergekommenen Hotel essen wir knorpeliges Fleisch voller Knochen mit Brot. Der Kellner will uns kraeftig ueber den Tisch ziehen, aber wir erhalten Unterstuetzung durch andere Gaeste und so einigen wir uns. Die Wirtin laesst sich schliesslich auch auf einen Rabatt fuer die Zimmer ein und so breiten wir das Moskitonetz ueber dem Bett aus und schlafen. geschrieben am 16.12. in Bahir Dahr
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