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Reisetagebuch

12/18/2003   Aethiopien / Bahir Dahr

Im Krankenhaus von Bahir Dahr

Drastische Umstaende erfordern drastische Entschluesse

(Harald) Die Floehe lassen mich nicht mehr in Ruhe. Ich dusche mittlerweile morgens und abends, um sie los zu werden. Aber es gibt hier einfach ueberall stechende Biester und deshalb sieht mein Unterkoerper wie mit der Pest befallen aus. Das Gejucke den ganzen Tag nagt an meinem Nervenkostuem. Manchmal erwische ich einen der winzigen, schwarzen Biester, aber ueberall reichert man sich ja erneut mit den Weitspringern an.

Am Nachmittag besuchen wir das Krankenhaus, das per Bus in ein paar Minuten zu erreichen ist. Man sagt mir, es sei von Deutschen erbaut worden. Eigentlich eine schoene Anlage, alles ist gruen und die Sonne scheint. Drinnen allerdings ists weniger hell. Es ist schmutzig, ueberfuellt, hinter den Gebaeuden stehen drei runde Zelte mit Betten, die durch die jetzt bereits abklingende Malariaepedemie notwendig wurden.

Schon der Empfang ist ein Raum, den man lieber durchlaufen, als dort verweilen moechte. Viele Patienten sitzen hier seit dem fruehen Morgen, manche liegen auf den Holzbaenken, andere auf dem Boden. Ein saeuerlicher Geruch haengt in der Luft, den ich mit Armut verbinde, mit Krankheit.

Die Waende der Klinikgebaeude sind schmutzig, die Zimmer ueberfuellt, die Laken der Betten verdreckt. Ich moechte unseren Leser eine naehere Beschreibung der Dinge, die ich dort sehe, nicht zumuten. Aber Schlimmeres kann ich mir nur im Katastrophen- oder Kriegsfall vorstellen.

Die Patienten mit offener Tuberkulose liegen draussen, vor dem Gebaeude, weil man keine Quarantaene herstellen kann. Dort finde ich Tesfanesh Sisay, eine junge Frau, die sehr schwach ist und jammert. Man sagt mir auf Nachfrage, sie brauche mehrere Medikamente, die sie aber nicht bezahlen koenne. Es gaebe keine Angehoerigen, weshalb ein junger Labormitarbeiter, der sie auf den Strassen Bahir Dahrs gefunden hat, auch selbst schon einige Medikamente gekauft und ihr eine andere Patientin zur Betreuung zur Seite gestellt hat. Dieses Maedchen ist im gleichen Alter und habe Aids.

Ich beschliesse nach kurzem Zoegern, dass Geld fuer den Ausflug nach Lalibela fuer Tesfanesh und andere Kranke auszugeben, weil sie sonst vielleicht stirbt und besorge Glukose, Antibiotika, Spritzen, Schlaeuche, Handschuhe usw. Dann kaufe ich einen Trinkbecher, Bananen und Kekse fuer die beiden Maedchen. Tesfanesh fragt nach Orangen.

Die Pfleger und Krankenschwestern lotsen mich auch in andere Zimmer. In einem liegt die 20-jaehrige Emuye Eznetu, die waehrend eines epileptischen Anfalls ins Feuer gefallen ist und sich vom Hals abwaerts schwerst verbrannt hat. Ihr linker Arm, die Hand sind fast verkohlt. Das kahlgeschorene Maedchen ertraegt die Schmerzen, aber sie braucht ein Mittel gegen ihre Anfaelle, dass ich sofort kaufe – fuer laecherliche 9 Birr, d.h. EINEN Euro, hat sie einen ganzen Monat Sicherheit vor Anfaellen , die sie das Leben kosten koennen.

Ein paar Raeume weiter liegt ein 3-jaehriges Maedchen namens Sarah Habi. Das Haeufchen Elend auf der schwarzen Plastikliege hat eine grosse Geschwulst in der linken Gesichtshaelfte, die Nase und Mund verbiegen und das Atmen erschweren. Ob es sich um eine Infektion oder einen Tumor handelt, weiss hier niemand. Die Aerzte hier sind nicht aufzufinden, die Krankenakten unvollstaendig. Das Kind braucht Desinfektionsmittel und Antibiotika. Mit der Operation soll bis Montag gewartet werden, was viel zu spaet, aber nicht zu aendern ist.

Im Bett gegenueber ein Wurm von 9 Monaten im Arm der zu jungen Mutter. Das rechte Bein ist von der Huefte bis zum Fuss aussen uebelst verbrannt, weil das Kind ins Feuer fiel. Es braucht Brandsalbe und saubere Kleider, weil sie seit sechs Wochen hier im Dreck hocken, ohne Dusche, ohne Geld fuer Kleider zum Wechseln. Keiner der Patienten hier bekommt Schmerzmittel.

Ich kaufe Organgen fuer Tesfanesh und fuettere sie, trotz offener TB und einer angenommener Aids-Erkrankung. Sie muss jetzt kaempfen.

Als wir den Empfang passieren, kriecht eine Frau auf allen Vieren jammernd ueber den Kachelboden, kippt um, mit weit aufgerissenen Augen liegt sie auf dem Gesicht, niemand kuemmert das, die Schwestern zischen missbilligend. Ich schimpfe, trage die Frau ins naechste Zimmer, ueberall hinter diesen Tueren sind Untersuchungsliegen frei! Ihr 12-jaehriger Sohn weint, reisst sich aber tapfer zusammen. Die Frau hat Aids im Endstadium.

Ich moechte es fuer die Leser nicht unerfreulich machen, auch wenn mein Herz voll ist.

geschrieben am 23.12. in Bahir Dahr


 

 

 

 


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