1/14/2004 Aethiopien / Addis Abeba
Endlich Addis!
Wir Drei finden uns wieder und erreichen die Hauptstadt
(Harald und Renata) Am Morgen finden sich wieder Gaffer ein. Obwohl ich ihnen signalisiere, dass ich alleine sein moechte, koennen sie sich nicht entschliessen zu gehen. Sie reden mit mir in Amharisch, obwohl ich mehrfach klar mache, dass ich nichts verstehe. Allerdings betteln sie wenigstens nicht. Alles ist nass, aber die Sonne scheint nicht kraeftig genug, um abzuwarten, bis alles trocken ist. Im Sueden, in Kenia und Tanzania, wird die Regenzeit, die im Maerz beginnt, noch fuer maches nasse Zelt im Gepaeck sorgen. In der Nacht war das Stachelschwein vor meinem Zelt. Laut schnaufend, im Gebuesch ordentlich raschelnd mit seinem Stachelkleid, blieb es wie angewurzelt stehen, als auf seinem ueblichen Pfad ein nach Mensch riechender Stoffhuegel steht. Nach der ersten Ueberraschung trollte sich das friedliche Tier. Noch in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnte man hier und im Gebiet des Tanasees jeden Tag Leoparden sehen. Jetzt ist die Gegend so kahl, dass die Raeuber keine Deckung und kein Wild mehr finden koennen. In einem kleinen Weiler winken mir scheinheilig ein Knabe und seine Schwester zu und als ich vorbeigefahren bin, stuerzt der Pimpf von hinten heran und reisst mir die Plastiktuete mit Lebensmitteln vom Rad. Als ich sofort stehenbleibe, rennt er davon, aber seine Schwester ist so dreist und macht einen neuerlichen Versuch, die Tuete zu ergattern. Ich schnappe mir den Stepke und halte ihn lediglich fest, dass genuegt, um ihn vor Angst schreien zu lassen. Die Nachbarn, auf deren Grundstueck er sich in Sicherheit waehnte, ruehrt der Vorfall ueberhaupt nicht- was sollen die Kinder da lernen? Ich kann mir den Sarkasmus nicht verkneifen und sage zu ihnen: “Welcome to Aethiopia.” Vor der naechsten Ortschaft, die auf der anderen Seite eines vor mir liegenden, kleinen Tales liegt, steht eine Gruppe aus etwa 13-16-Jaehrigen, die schon dabei sind, dicke Steine aufzuheben, um mich gebuehrend willkommen zu heissen. Sie winken mir und lachen, weil ich lieber auf halber Berghoehe stehen bleibe, um abzuwarten, ob es ihnen nicht zu dumm wird, oder ein Auto abzupassen, dass mir Schutz gibt. Aber es kommt kein Auto in meiner Richtung und so dauert es eine Viertelstunde, bis die Jungs das Tal durchlaufen haben und sich im Dorf verstreuen. Zwischendurch werfen sie ihre Steine trotzdem in meine Richtung, hoehnisch bruellend, aber ich bin viel zu weit entfernt. Ihr Lachen hoere ich deutlich- heia! Was fuer ein Spass! Kurz vor dem Dorf kann ich dann doch einen Pick-Up stoppen, dessen Fahrer gut Englisch spricht und der mit mir im Schritttempo durchs Dorf faehrt. Und neben der Strasse luemmeln sich enttaeuscht die Jungs. Ich haette nicht uebel Lust mir den groessten Schreihals zu schnappen, aber ich fahre weiter. Dann geht es erneut steil bergab und nach 10 km bin ich im naechsten Dorf und mache eine Fruehstueckspause. Als ich in dem dunklen Gastraum sitze, toent es von draussen:”Herr Radtke! Nicht schon wieder Pause machen!” Das ist Ralph und nach einer Viertelstunde trudelt auch Renata ein, sichtlich erschoepft. Wir sind hier ca. 40 km vor Addis Abeba. Ich bin also unbemerkt an den Beiden vorbeigefahren und habe dreieinhalb Tage aufgeholt. Renata ist am Ende ihrer Kraefte, teilweise haben die Beiden weniger als 30 km am Tag geschafft. Sie hat sichtlich abgenommen. Am Mittag machen wir Pause in einem kleinen, sauberen Lokal und essen Indschera, dann nehmen wir die letzten 25 km in Angriff. Die Kinder schreien hier nicht mehr und es fliegen auch keine Steine. Nach einem letzten Anstieg erreichen wir gegen 14.30 Uhr auf einem bewaldeten Bergkamm die Stadtgrenze von Addis Abeba. Renata weint vor Erleichterung- endlich geschafft. Endlich etwa Richtiges zu Essen, endlich mal warmes Wasser, endlich weg von diesem ewigen Geschreie “You, you, give, give, where are you go”. Ralph meint, dieses immer gleiche Ritual, die immer gleichen dummen Fragen und das Gebettele haben ihn ausgelaugt. Es wird Zeit, aufzutanken, mentale Kraft zu schoepfen, erbauenden Input zu finden. Der Himmel ist von Gewitterwolken grau verhangen und Addis Abeba liegt in einem Halbtal etwa 300 Meter unter uns, sich bis zum Horizont ueber die Haenge erstreckend. Wir fahren bergab, von dichtem Verkehr begleitet, auch von organge-gelben Stadtbussen mit Liniennummern. Es beginnt mit dicken Tropfen zu regnen. In der Stadt machen wir Halt an einem kleinen, feinen Cafe, voller Glas und Chrom und Bedienungen in braunen Schuerzen und verschiedenen Kuchen in der Auslage. Die Zivilisation hat uns wieder! Aber wir muessen jetzt ein Hotel finden. Als wir uns aufgerafft und auf die Drahtesel geschwungen und das Stadtzentrum erreicht haben, wird aus dem Getroepfel ein handfester Platzregen. Auf der Suche nach einem Hotel kurven wir scheinbar endlos durch die Stadt und sind am Ende bis auf die Haut nass und frieren. Es wird Zeit, eine heisse Dusche zu finden, statt durchfroren und nass durch den kalten Regen zu fahren. Im Debre-Damo-Hotel kehren wir ein, obwohl es eigentlich mit 66 Birr ( etwa 6 EU) pro Zimmer fuer uns zu teuer ist. Kaum sind wir dabei das Gepaeck abzuladen, erfuellt sich Ralphs Prophezeiung, das es aufhoeren wuerde zu regnen, sobald wir im Hotel sind. Das Zimmer ist sehr klein und hat keinen Platz, um alles zu trocknen, was nass ist. Wir duschen heiss und dann essen wir im Restaurant endlich mal nicht aethiopisches Essen, sondern Steak, Suppen, Salate. Ich kann garnicht mehr aufhoeren zu essen. Am Ende sitzen wir alle drei da, mit dicken, wehen Baeuchen. Hier gibt es mehrere Fernsehprogramme und Malzbier und nachdem wir uns zu Ende erzaehlt haben, was wir auf der getrennt bereisten Strecke erlebt haben, sind wir alsbald muede. geschrieben am 29.1. in Addis
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