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Reisetagebuch

1/23/2004   Aethiopien / Addis Abeba

Homo homini lupus / Apokalyptische Reiter

In Addis Strassen

(Harald und Renata) Weil Frau Arslan von der deutschen Botschaft heute nacht nach Deutschland fliegt und fuer Ralph und uns ein paar Dinge, wie z.B. Diafilme und CDs mit Digitalfotos mitnehmen kann, brenne ich hunderte von Fotos auf eine CD. Und weil das stets mit immer neuen Problemen verbunden ist, dauert allein dieser Vorgang sechs Stunden.

Wir haben unsere Visas fuer Aethiopien verlaengern lassen und in der Naehe des Hotels ein gutes Cafe ausfindig gemacht, in dem wir neben einem guenstigen Fruehstueck auch Hamburger speisen koennen. Das Lokal ist hier fuer die reiche Jugend richtig angesagt. Hier in Addis sammeln sich die Reichen und das wiederum ermoeglicht die Existenz zahlreicher hochpreisiger Restaurants und Laeden, vor allem im Zentrum und um die Bole-Road herum, die zum Flughafen fuehrt.

In einer engen, steilen Gasse haben wir in einem winzigen Laden noch etwas Kleidung erstanden und das oertliche Kino hat uns mit einem amerikanischen Film verwoehnt.

Spaet am Abend laufe ich fast eine Stunde, um die CD mit den Bildern bei Frau Arslan abzugeben. Mein Weg fuehrt mich vorbei an vielen Strassenlaeden, Metallkaesten mit einem Verkaufsfenster, aus dem heraus dann Kekse, Zigaretten, allerlei Kurzwaren verkauft werden. Die Lebensmittelstaende verkaufen Obst, wie Mangos, Papaya, Apfelsinen, Bananen, Limonen und Mirabellen, sowie Gemuese: Zwiebeln, Tomaten, Paprika, Kuerbis, Suesskartoffeln, Weisskohl.

Ueberall, wo die Minibusse ihre Fahrgaeste umschlagen, wird man von Kindern angesprochen, die Pappschachteln gefuellt mit Kaugummis und Papiertaschentuechern, hier “Soft” genannt, vor sich hertragen. Hier sitzen die kleinen Schuhputzer, die fuer 5 Cent EU Schuhe plegen, mit viel Aufwand und Sorgfalt. Die Eltern schicken sie zum Betteln, zum Arbeiten, statt sie zur Schule zu schicken. Und da sind die Blinden, die Krueppel, die Strassenkinder, die verzweifelten Muetter mit Babys an der Brust oder im Tragetuch auf dem Ruecken, ihre bettelnden Haende in die offenen Schiebetueren der Busse strecken. Fuer eine Spende danken die aelteren Bettler im Namen von Maria, sie erbitten Gottes Segen fuer den Spendenden. An der Piazza traegt ein alter Blinder den ganzen Tag ein Maria – und Jesusbild vor sich her.

Die Busfahrer und deren Einsammler sind junge Maenner, oft viel zu forsch und verantwortungsarm. Dementsprechend demoliert sehen ihre Autos aus. Manchmal stockt einem der Atem, bei ihrer Fahrweise. Renata hatte schon in Kairo einen Unfall in einem Minibus mitgemacht. Die Einsammler stehen an den Haltestellen vor der Schiebetuere und fangen die potenziellen Fahrgaeste foermlich ein, stellen sich ihnen in den Weg. Fuer uns ist das empoerend aufdringlich, fuer die Aethiopier normal. Unterwegs schieben die Jungs ein Fenster der Schiebtuere auf und rufen ihr Fahrtziel ueber die Strasse, wobei ihr ganzer Oberkoerper aus dem Auto ragt. Die Minibusse halten ueberall und kosten je nach Fahrtziel 5-12 Cent EU. Mit den grossen Stadtbussen zu fahren, die noch billiger sind, ersparen wir uns, denn sie sind chronisch ueberladen. Die PKW-Taxis sind teurer und man hat den staendigen Stress, die Fahrtpreise auszuhandeln, die von den Fahrern erstmal uebertrieben angesetzt werden.

In Addis sieht man kaum kurze Hosen bei den Maennern, wie auf dem Land und insgesamt wenig Schemmas, dafuer viel westliche Kleidung. Ueberall droehnt einem Musik entgegen, wobei einheimische Popmusik vorwiegt, immer die gleichen Hits. Daneben hat man eine Vorliebe fuer amerikanischen Hip-Hop, dessen harter Beat der traditionellen Musik nahe kommt.

Die Stadt ist ein einziges Auf und Ab der Strassen und der Gegensaetze. Nie haben wir ein solches Nebeneinander von Luxus und Armut gesehen. Gerade dieses nahe Nebeneinander macht die Armut schier unertraeglich. Ich spuere bei allem inneren Abschotten dann immer wieder, wenn ich die krabbelnden Polios anschaue, ploetzliche Erschuetterung hochkommen, die mich an den Rand von Traenen bringen. Dann mache ich schnell wieder zu, gebe eine Spende, ein Laecheln und gehe weiter.

Ich frage mich andererseits, warum es in Aethiopien nicht laengst gelungen ist, Polio auszurotten, wie es seit vielen Jahren erklaertes Ziel der UNHO (United Health Organsisation) war und wie man es im Falle der Pest ja auch geschafft hat. Weltweit gibt es pro Jahr nur noch wenige Faelle von Polio, u.a. in Indien und Zentralafrika.

Besonders uebel anzuschauen ist auch Elephantities und Lepra. Viele Kranke gehen zu spaet zum Arzt und so muessen die Finger und Zehen dann amputiert werden. Und damit ist das Arbeiten dann unmoeglich und diesen Menschen bleibt nur noch das Betteln.

Eine andere Wahrheit ist, dass die Krueppel am meisten Geld sammeln. Habe ich in Aegypten noch geglaubt, dass die vorsaetzliche Verkrueppelung von Kindern einer archaischen Vergangenheit angehoert, so musste ich mich in Bahir Dahr eines besseren belehren lassen. Im Kinder-Transit-Heim, in dem ich Betelihem und Jerusalem abgegeben habe, wurde auch ein etwa drei bis vier Jahre alter Junge eingeliefert, dessen Vater ihm beide Augen mit einer Nadel zerstochen und die Sehnen in der Kniekehle zerschnitten hatte, wie der Kleine selber erzaehlte. Der Heimleiter, Herr Hapto sagte mir, er wuerde den Vater dafuer eigenhaendig umbringen. Wir glauben die Geschichte des Kleinen, weil eine gleichzeitige Zerstoerung beider Augen und Kniekehlen durch einen Unfall ausgeschlossen ist und der Knirps viel zu jung und verschuechtert ist, um sich soetwas auszudenken. (Homo homini lupus- der Mensch dem Menschen ein Wolf)

Nachts schlafen Tausende auf den Strassen, allein geschaetzte ueber 1000 Kinder. Manches schmutzige Buendel unter leeren Plastiksaecken wuerde man, ohne Kenntnis der Verhaeltnisse, in der Nacht fuer einen Abfallhaufen halten. Aber das sind Menschen, die direkt auf dem Buergersteig schlafen, ohne Schuhe, ohne Decke, oft krank und mager.

Armut und deren Folgen sind eine ebensolche Geissel, wie Hunger und Krieg. Wir brauchen eine Strategie dagegen, einen Plan, weltweit. Das ist eine grosse Aufgabe, die viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Aber wir muessen uns dem stellen, das angehen.

geschrieben am 1.2. in Addis


 

 

 


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