2/3/2004 Aethiopien / Addis Abeba
Karl Heinz Boehm und seine Geschichte
Treffen mit dem Ex-Schauspieler und Gruender von "Menschen fuer Menschen"/ neue Fotos und eine Streitschrift eingesetzt!
(Harald und Renata) Zunaechst: Es sind neue Bilder vom Sudan und von Aethiopien im Tagebuch zu finden (9.10. bis 15.11.) Unbedingt anschauen! (Empfehlung: 12.10.2003) Ausserdem gibt auf der Titelseite weiter unten zum Anklicken ein “Pamphlet zur Faulheit”, eine launige Stellungsnahme aus der Stimmung, die wir in Kairo im Sommer letzten Jahres wahrgenommen haben. Wir sind um 10 Uhr mit der Pressesprecherin Frau Ruf und Herrn Boehm verabredet. Das kleine Gelaende der Organisation liegt in einem Stadtviertel nahe des Flughafens. Eine weisse Tafel in einer lehmig-steinigen Nebenstrasse kuendigt an: “Menschen fuer Menschen”. Auf dem Hof stehen ein paar weisse Pick-Ups und zwei LKWs, einer wird mit Baustoffen beladen. Da in Aethiopien keine Baustoffe hergestellt werden, muessen fast alle Materialien per Schiff ueber Djibouti importiert und per LKW oder Zug nach Addis transportiert werden. Im kleinen Buerogebaeude, einem ehemaligen Privathaus, sitzen im Besprechungsraum Herr Boehm und mehrere seiner leitenden Mitarbeiter. Herr Boehm ist uns ueberhaupt nicht fremd, vielleicht weil wir uns so viel mit seiner Vita beschaeftigt und oft Fotos von ihm gesehen haben, oder durchs Fernsehen. Vielleicht aber auch, weil er uns natuerlich und humorvoll entgegentritt. Er stellt uns seine engsten Vertrauten vor, darunter Herrn Berhanu Negussie , einen Aethiopier, der 1981 sein Dolmetscher war, als er zum ersten Mal nach Aethiopien kam. Leider wusste Herr Boehm nichts von unserem Kommen und es bleibt nur Zeit fuer ein paar Fotos, denn die Besprechung muss fortgesetzt werden. Herr Boehm regt an, wir sollten nach unserer Rueckkunft im Muenchner Buero vorstellig werden, man wolle sehen, was man im Interesse der Spendenaktion noch machen koenne. Ich draenge auf den Besuch eines MfM-Projektes, denn die uns ueberlassenen, professionell gemachten Prospekte koennen den persoenlichen Eindruck nicht ersetzen. Frau Ruf hatte uns das Projekt in Harar angeboten, aber das erst fuer den 13. Februear und ueber 500 km entfernt Richtung somalischer Grenze. Am naechsten liegt die Region Merhabete, ca. 200 km im Norden. Man arrangiert einen Besuch fuer uns dort fuer uebermorgen. Die Pressekonferenz in der deutschen Botschaft ist allerdings leider kein Thema mehr. Herr Boehm ist jetzt 75 Jahre alt und mittlerweile in Aethiopien und Deutschland ein gefragter Profi der Entwicklungshilfe. Ihm wurde fuer seine Arbeit 2003 die Ehrenbuergerschaft des Staates Aethiopien vom Premierminister Meles Zenawi verliehen- da es eine solche Ernennung bis dato nicht gab, wurde fuer “Ato Karl”(Herrn Karl) extra ein Gesetz geaendert. Ich weiss heute nicht mehr, ob ich 1981 die von Frank Elstner moderierte Sendung “Wetten das...” live gesehen habe, in der KH.Boehm mit den Zuschauern wettete, dass es nicht gelingen wuerde, von diesen eine nennenswerte Spende zu erhalten. Als Wetteinsatz sagte er zu, falls er verloere, in die sog. Sahelzone zu fahren und den Menschen dort zu helfen. Es kamen 1,4 Millionen DM zusammen und Boehm entschied sich, nachdem er den Sudan und den Tschad verworfen hatte, fuer Aethiopien als Einsatzort. Eine jetzt 22-jaehrige Erfolgsstorie der Aethiopienhilfe begann. Nach und nach erweiterte MfM seine Aktivitaeten, denn die Probleme des Landes sind vielfaeltig und miteinander verzahnt. Hunger ist nur das Ende einer Kette von Ursachen, zu denen Ueberbevoelkerung, Ueberweidung, Erosion, fehlende Wasserversorgung, Strassennetze, Bildung, Krankenversorgung und Gleichberechtigung der Frauen, sowie Aids, Fruehheirat und Beschneidung gehoeren. In einem Land voller Probleme nicht zu verzweifeln, dies seelisch auszuhalten, Rueckschlaege einzustecken, ist eine grosse Aufgabe und Boehm hat dies all die Jahre, ohne je zu zweifeln, durchgestanden. Er hat eine Aethiopierin geheiratet. Frau Almaz Boehm schenkte ihm zwei Kinder, die z.Zt. in Salzburg zur Schule gehen. Boehm wurde in Darmstadt geboren, Vater Prof. Karl Boehm, ein beruehmter Komponist, Mutter Thea Linhard, eine Saengerin. Beide starben 1981. Boehm stand seit 1948 auf den Brettern die die Welt bedeuten. Sein Name ist in Deutschland untrennbar mit der “Sissi-Triologie” (1955-1957) verbunden, in der er den den jungen, oesterreichischen Kaiser und Gatten der damals 16-jaehrigen Romy Schneider spielte. 1960 stellte er in dem Horrorfilm “Peeping Tom” einen psychopathischen Moerder dar. Der Fim floppte und den bewussten Rollenwechsel verzieh ihm das Publikum nicht so recht, obwohl der Film heute von der New York Times zu den zehn besten Filmen aller Zeiten gezaehlt wird. In den 70er Jahren spielte er unter dem Querdenker-Regisseur Rainer Werner Fassbinder mehrere Filme. Ihm wurde aber zunehmend klarer, dass er dieses Wanderleben eines Schauspielers nicht fortsetzen wollte und das ihm der Preis der Anpassung an dieses Leben in der Oeffentlichkeit zu hoch war. Als Boehm den Botschafter Aethiopiens in Bonn anrief und auf die Riesenspende aus der Wette fuer dessen Land zu sprechen kam, sagte dieser, er solle ihm den Scheck schicken. Aber Boehm reiste selbst in den heissen, trockenen Osten des Landes, ins Erertal, das ihm die Regierung fuer seine “Erste Hilfe” zugeteilt hatte. Tausende von Nomaden mussten dort versorgt werden, denen die anhaltende Duerre das Vieh geraubt hatte. Innerhalb von nunmehr 20 Jahren gelang es MfM, diese Nomaden zu sesshaften Bauern umzuschulen und seit einiger Zeit werden diese jetzt Bauern gewordenen Nomaden als selbststaendig bezeichnet - ein gelunges Beispiel der vielzitierten, aber selten verwirklichten “Hilfe zur Selbsthilfe”. MfM weitete sein Einsatzgebiet aus und es folgten Millionenspenden aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz (bis heute 238 Mill. EU!) und mit deren Hilfe Projekte im Suedosten und im zentralen Hochland Aethiopiens. Insgesamt betreut MfM Gebiete von der Gesamtgroesse der Niederlande (ueber 40000 qkm) und ueber 2,6 Millionen Menschen profitieren heute davon. Es steht ausser Frage, dass ohne Boehms Initiative viele Menschen gestorben waeren und noch mehr ein elendes Leben gefuehrt haetten. Was fuer eine Aufgabe, was fuer ein Geschenk, sich dessen selbst bewusst sein zu koennen! Die Pressesprecherin, Frau Ruf, bestaetigt in einem Sechs-Augen-Gespraech, wie schwer es ist, in diesem Land zu leben und zu arbeiten und das Gleichgewicht zwischen Menschenliebe und Selbstbehauptung zu finden. Am Abend genehmigen wir uns ein gutes Essen in einem indischen Lokal, aber in der Nacht schlaegt Montezuma erneut bei mir zu. geschrieben am 9.2. in Addia Abeba
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