2/9/2004 Aethiopien / Addis Abeba
Hinterm Mond?
Fakten zu Aethiopien
(Harald und Renata) Was fuer ein Verkehr! Man kommt kaum ueber die Strasse, zumal die Fahrer sich Vorfahrt selbst an Zebrastreifen einraeumen (die die Polizei auch nicht von parkenden Autos raeumt). Aber diese Verkehrsdichte taeuscht. In einem Land, dass mehr als dreimal so gross wie die BRD ist, sind lediglich etwa 120.000 Fahrzeuge zugelassen (incl. Bussen, Taxen und LKWs). Es gibt nur 4.500 km Teerstrassen (BRD 630.000 km), aber trotz dieser geringen Verkehrsdichte viele Unfaelle. Auf 10.000 zugelassene Fahrzeuge kommen jaehrlich zwischen 100 und 150 Verkehrstote in Aethiopien (in BRD 3-4). Die Versorgung im Falle eines Unfalles spielt dabei natuerlich eine grosse Rolle. Bis Polizei eintrifft (die meistens kein Fahrzeug zur Verfuegung hat), oder ein Krankentransport durchgefuehrt werden kann, koennen Stunden vergehen. Von Erster Hilfe hat hier kaum jemand Ahnung und so sterben viele auf den Strassen, die in Deutschland ueberlebt haetten. In BRD haben wir pro 380 Patienten einen Arzt, in Aethiopien kommen auf einen Arzt 32.500 Patienten. Dies ist auch eine der Ursachen fuer die hohe Kindersterblichkeit: jedes sechste Kind stirbt vor dem fuenften Lebensjahr. Eine weitere Ursache liegt darin, dass die Patienten zu spaet zur Behandlung im Krankheitsfall erscheinen. Auf dem Land wendet man sich, Christentum hin oder her, erstmal an die Zauberer, an Heilkundige, die allerdings in weniger Faellen helfen koennen, als Ethno-Romantiker glauben wollen. Da werden Brandwunden gegen Fieber gesetzt- Hitze gegen Hitze quasi- und Amulette verteilt, die die Kranken selbst im modernen Krankenhaus von Alem Ketema nicht ablegen. Fast jeder traegt diese kleinen Heilsbringer an Ketten und Lederschnueren um den Hals. Aberglaube ist allerorten verbreitet. Handwerkern unterstellt man Teufelswerk, denn wie sonst ist zu erklaeren, dass sie aus einem Stueck Baum ein Moebel schaffen koennen? Und der Schmied? Wie, wenn nicht mit Hilfe boeser Maechte, kann er aus Erz ein Hufeisen oder ein Bettgestell herstellen, wie kann er das Feuer so kunstfertig beherrschen? Und der Weber, der Gerber, der Toepfer, wie koennen sie aus Rohmaterial, ohne Hilfe ueberirdischer Kraefte, Dinge entstehen lassen , die so gut sind? Und die begehrten Rinder und Land besitzen sie auch nicht, also sind sie neidisch auf die Bauern und das erzeugt doch den boesen Blick, oder? Infolgedessen sind die Handwerker aus den Doerfern verbannt, denn so koennen sie niemanden mit dem Boesen Blick belegen, der hier Buda heisst. Das Boese wird natuerlich vom Guten stets ungewollt herausgefordert, der haessliche Satan ist immer eifersuechtig auf das Schoene, weshalb auch junge fette Kaelber, schoene Menschen, Erwachsene die gerade essen und hellhaeutige Kinder besonders gefaehrdet sind (weisse Haut gilt hier als besonders schoen). Ein christlicher Moench, der Debtera, kann mit Weihwasser vom boesen Blick heilen, oder mit Amuletten, in denen Pergamentrollen mit Beschwoerungsformeln stecken- ein aethiopischer Exorzist. (ich habe mich gerade beim Schreiben zu der Dame umgedreht, der das Netcafe hier gehoert und die stets in westlicher Kleidung auftritt und sie gefragt, ob sie an den Boesen Blick glaubt. Ja, auch der Umgang mit Computern, auch der christliche Glaube und das moderne Leben in Addis aendern nichts am Aberglauben.) geschrieben am 13.2. in Addis
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