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Reisetagebuch

2/12/2004   Aethiopien / Addis Abeba

Negusae Nagaes

Die Wiege der Menschheit: Besuch im Nationalmuseum

(Harald und Renata) Ralph hat hohes Fieber und liegt darnieder, wir raetseln, ob er vielleicht Malaria hat. Mittlerweile regnet es nicht mehr nachmittags. Auch heute breitet sich ueber dem Talkessel von Addis ein klarer Himmel aus, die Luft ist aufgrund des starken Windes frisch und kuehl- ein Traumwetter, eigentlich zu schade fuer einen Tag in einem Museum. Aber da wir alsbald abreisen werden, moechte ich das wichtigste Museum des Landes nicht missen.

Zwischen den Plaetzen, die sich nuechtern “Arrat Kilo”(Vier Richtungen) und “Ammist Kilo”(Fuenf Richtungen) nennen, liegt das Gelaende des Museums. Hier bluehen im Garten violette Bougainvillenstraeucher. Die hoffnungsfroh mitgenommenen Kameras muss ich am Eingang abgeben- eine Prozedur, die sich am Eingang jeder Bank, jedes Kinos wiederholt, ebenso, wie das Abtasten oder Scannen nach Waffen vor den besseren Hotels. Vor etwa 5 Jahren gab es zwei terroristische Anschlaege in Addis, u.a. in einem internationalen Hotel, die angeblich von somalischen El Kaida-Gefolgsleuten veruebt wurden. Und heute kursieren in Addis Geruechte, dass neue Anschlaege geplant seien.

Das Museum ist schwach besucht, nur eine Schulklasse kommt mir entgegen. Gleich am Eingang werden praehistorische Schaedelfunde gezeigt. Aethiopien zaehlt zu den wenigen Gebieten im oestlichen Afrika, die als die sog. “Wiege der Menschheit” bezeichnet werden. Laesst man die Kreationisten mal beiseite, religioes verblendete Leute, die die von vielen Menschenhaenden geschriebene Bibel Wort fuer Wort als massgeblich annehmen und glauben, der erste Mensch sei real von Gott aus Lehm erschaffen worden und habe keinerlei Vorfahren, so ist anerkannter Stand der Wissenschaft, dass des Menschen Vorfahren Affen waren, die hier im Bereich der heutigen Staatsgebiete Aethiopien, Kenia und Tanzania gelebt haben.

Die aeltesten Funde werden auf ein Alter von etwa 5,5, Millionen Jahren datiert. Zu dieser Zeit begann sich die Vegetation Ostafrikas zu veraendern, es wurde trockener. Ob das ein Ausloeser fuer die Weiterentwicklung einiger Affenarten war, ist heute umstritten. Ich habe noch in Jugendjahren gelernt, dass mit Wegfall des dichten Urwaldes und Zunahme der savannenartigen Landschaften, der aufrechte Gang der Affen evolutionaer vorteilhaft war, weil im Stehen eine bessere Uebersicht ueber das hohe Gras im Umfeld moeglich war. Wer also besser aufpassen konnte und sich somit besser vor Fleischfressern schuetzte, ueberlebte und pflanzte sich fort.

Heute weiss man, dass die Entwicklung von aufrechtem Gang und Gehirnentwicklung zwar zeitgleich abgelaufen ist, aber diese “Halbmenschen” auch im Regenwald gelebt haben, wie ein Fund im Gebiet des heutigen Kongo zeigt. Es erscheint naheliegend, dass der aufrechte Gang die Mehrfachnutzung der Haende ermoeglichte und diese Faehigkeit wiederum die Gehirnentwicklung foerderte. Sicher ist diese Annahme aber nicht.

Der aelteste Beleg fuer die Faehigkeit von Affenartigen auf zwei Beinen zu laufen, sind versteinerte Fussspuren, die auf ein Alter von 3,6 Millionen Jahren datiert werden.

Im Untergeschoss des Museums ist der Welt beruehmtester Fund eines Hominiden (Menschenaehnlichen) ausgestellt: “Lucy” hat der Finder Dr. Johanson das Skelett genannt, dass er 1974 in der Danakilebene bei Hadar in Ostaethiopien gefunden hat. Das Maedchen, dessen Skelett auf ein Alter von etwa 3,2 Mill. Jahre datiert wird, war nur 105 cm gross und gehoerte zur Gruppe des “Australopithecus afarensis”. Das Skelett ist das kompletteste, das weltweit je gefunden wurde. Der Name leitet sich uebrigens vom Beatles-Song “Lucy in the sky with diamonds” ab, die Einheimischen nennen sie “Dinkenesch”, was “du bist wundervoll” bedeutet.

Es dauerte noch Millionen von Jahren, bis sich der Homo Erectus entwickelte, den man heute als des Menschen direkten Vorfahren ansieht. Diese Rasse machte sich vor etwa 1,8 Mill. Jahren von hier, von Ostafrika aus, auf Wanderschaft nach Asien und Europa. Und “erst” vor 250.000 Jahren entwickelte sich der Neandertaler.

Vor etwa 43.000 Jahren trat der heutige Mensch auf den Plan, der Homo sapiens sapiens, der sog. “Moderne Mensch”, nachdem er die einzige konkurierende Rasse, den Neandertaler nach und nach verdraengt hatte. Letzterer starb erst vor etwa 27. 000 Jahren aus- allerdings nicht, ohne sich erblich mit dem Homo sapiens zu mischen. So tragen wir heute alle auch Erbgut des Neandertalers in uns.

Im ersten Obergeschoss finden sich die Insignien der kaiserlichen Macht der Negusae Nagaes (Koenig der Koenige): die Kronen der letzten Kaiser und deren Gattinnen, deren Umhaenge und Waffen. Kunstvoll-feinziselierte Goldarbeiten, Samt und Seide, Brokat und Edelsteine.

Und eine Galerie zeigt zeitgenoessische Kunst, von denen ich einige Stuecke vom Fleck weg erstehen wuerde, wenn ich koennte: Eindrucksvolle Oel- und Acrylgemaelde, die den Buergerkrieg thematisieren und das Leid der Bevoelkerung. Auch schoene Bleistift- und Tuschezeichnungen sind zu sehen, die die ausdrucksstarken Gesichter der Aethiopier darstellen.

Wenn ich es nicht besser wuesste, ich wuerde die ausgestellten Ackergeraete auf die Steinzeit datieren, aber mit den hier zu sehenden Holzpfluegen, primitiven Holzaexten und Tonwaren wird heute noch vorwiegend auf dem Lande gearbeitet.

Auf dem Rueckweg komme ich an der Minubusstation am Stand eines Zahnbuerstenverkaeufers vorbei. Allerdings sind diese Zahnreiniger nicht als solche erkennbar, weil sie aus kurzen, bleistiftdicken, gruenen Aestchen bestehen. Mit den gerade abgeschnittenen Enden faehrt sich der Benutzer ueber die Zaehne, wobei die Enden ausfransen, aufquellen und weicher werden. Aber auch diese Zahnpflege scheint vViele nicht vor braunen Zaehnen zu schuetzen.

geschrieben am 15.2. in Addis


 


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