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Reisetagebuch

2/21/2004   Aethiopien / Shashemene

Why are you sleep?

Aethiopische Wirklichkeit

(Harald) Die Nacht war ruhig. Aber schon um 6.15 Uhr sind diese laestigen Kerle wieder da: “Hey, hey, hey! Why are you sleep?” (Warum schlaefst du?) Heiligs Blechle, das geht mir auf den Wecker! Das diese Menschen derart aufdringlich und gefuehlsarm fuer andere sind, liegt ja nicht an der Armut. Den Hirten hier geht es nicht schlechter, als den sudanesischen. Hier wie dort gibt es wenig Abwechslung, Fremdes zu sehen. Aber nur in Aethiopien meint man, dies berechtige zur Belaestigung eines Fremden. Im Sudan hat uns nie jemand nachts behelligt und morgens ging man leise und mit Abstand am Zelt vorbei, um den Landesgast nicht zu stoeren. Und nur hier sind die Strassen von abertausenden Bettlern gesaeumt, Alt und Jung, Maennlein und Weiblein strecken einem die Haende entgegen. Diebstahl ist hier allgegenwaertig und das Mitgefuehl fuer den Mitmenschen, was er moechte oder braucht, geht vielen voellig ab.

Als Radreisender bist du oft auf Hilfe und Gastfreundschaft angewiesen, aber in Aethiopien findest du kostenlose Hilfe nur ausnahmsweise. Ich habe in drei Monaten nicht einmal erlebt, dass die Landbevoelkerung auch nur ein Indschera kostenlos mit mir geteilt haette. Jeder versucht, Geld aus dem Reisenden zu schlagen, Lug und Trug begegnen dir hier taeglich, niemand haelt das fuer schlimm. Es macht das eigene, schwere Los leichter, also ist es o.k.- aber: gilt das nicht auch fuer jede Nation und jeden Menschen?

Um 6.50 Uhr geht die Sonne auf, um 7.20 Uhr sitzen immer mehr Menschen ums Zelt herum. Ich muss jetzt raus aus dem Zelt und zusammenpacken. Aber ich habe schon einen Klumpen im Magen, wenn ich hoere, wie da ein Radio laeuft, sie seit ueber einer Stunde das Zelt anstarren und mir gleich gehoerig auf den Geist gehen werden, mit ihrer Bettelei.

Waschen, Zaehneputzen entfaellt also, nur schnell weg hier. Es sind jetzt ueber 20 Leute, die mich anstarren. Ich packe zusammen, ein Hund kommt. Ich gebe ihm einen halben Keks, er setzt sich zu mir. Es ist 8.30 Uhr als ich aufbreche, die Sonne waermt schon, als ich das Rad ueber den sandig-lehmigen Boden zwischen den Akazien hindurch zur Strasse schiebe, stets darauf achtend, keinen Dornenzweig zu ueberollen

Ein paar Kinder begleiten mich, betteln. Ein junger Mann, der mich beim Vorbeifahren anbettelt, grob anstoesst, um mich anzuhalten. Als ich wende, rennt er weg.

“Dana Amaschatschu”- Guten Morgen. Hier leben Oromen, keine Amharen, aber die Amtssprache versteht jeder.

Es geht stetig leicht bergab. Nach etwa 20 km erreiche ich den Eingang eines Nationalparks. Hier gibt es Grosswild wie Zebras, Antilopen u.ae. Am Eingang stolzieren Strausse, die groessten Voegel der Welt. Sie koennen einen erwachsenen Mann tragen, es gibt sogar Straussenrennen. Und sie legen die groessten Eier, gross wie Pampelmusen.

Mein Geldbeutel erlaubt keinen Besuch des Parks. Links der Strasse lasse ich den grossen Lake Langano hinter mir. Jetzt liegen im Dunstschleier Bergketten linker Hand, die Strasse windet sich, es geht auf und ab.

Zum Fruehstueck esse ich Brot und Papaya und trinke Schai. Gegenueber schieben Maenner einen voellig ueberalteten Maehdrescher aus DDR-Produktion Marke “Fortschritt” zur Strasse.

Klarer Himmel, Wind aus 10-11 Uhr. Ich bin ausgeruht. Viele Busse und 4x4s, teils voller Touristen, die ins Omo-Valley im Suedwesten fahren, um sich dort die Staemme der Mursi, Konso, Turkana u.a. anzusehen.

Ich erreiche Arsi Negele, etwa 25 km vor Shashemene. Gleich werde ich freudig begruesst mit einem sicher gutgemeinten :”F.. you!”. Ich schnappe mir den etwa 12-jaehrigen Maulhelden, aber ein “Sorry” zu dem ich ihn auffordere, ist ihm nicht zu entlocken. Stattdessen stimmt einer der jungen Maenner mit ein:”F… you.” Es ist doch immer wieder schoen, so herzlich willkommen geheissen zu werden. Anderseits ist es die nordamerikanische Hip-Hop-Musik und die Filme, die sich inflationaer dieser Redewendungen bedienen. Man stelle sich nur vor, deutsche Schlager wuerden wieder und wieder “Mutterf…” und “F… dich” verkuenden. So erscheint es wohl hier manchem einfach cool, so daherzureden. Was weder heisst, dass sie nicht wissen, das dies eine Beleidigung ist, noch, dass ich das ueber mich ergehen lasse. Der naechste durchreisende Ferendschi wuerde mir vielleicht danken, weil ihm wegen meiner Gegenwehr derartiges erspart bleibt.

Das Wetter ist traumhaft, etwa 26-28 Grad warm, es gibt genug zu essen und zu trinken. In einer kleinen Stadt fuehrt mich ein Friseur in eine Nebenstrasse in ein Lokal namens “Sisters Restaurant”, wo ich kalte Spaghetti vorgesetzt bekomme. Fuer meinen Wunsch nach warmen Spaghettis hat man hier nur unverstaendiges Kopfschuetteln uebrig: Spaghetti warm? Was fuer ein Verlangen!

Es geht weiter auf und ab, staendig werde ich angerufen, es wird gelacht, mancher Lausbub muss im Vorbeifahren unbedingt mein Gepaeck begrapschen. Ich erreiche Shashemene, eine Stadt voller Menschen, suche ein Hotel. Ganze 7 Birr kostet das Zimmer, etwa 70 Cent EU. Keine Dusche, in der Toilette sind die Waende von Kotfingern beschmiert, weil viele kein Papier mitnehmen.

Ein netter junger Kerl bedient hier die Kasse und die Musikanlage. Er verdient mal gerade 180 Birr im Monat, 18 EU und arbeitet dafuer 7 Tage die Woche 12 Stunden taeglich und wohnt in einem Verschlag im Hotel.

Weil heute Samstag ist und die Banken geschlossen haben, kann ich keine Dollars gegen Birr tauschen und natuerlich auch nicht am Sonntag.

Es gibt ein Netcafe, aber um auch nur vier Mails zu lesen, bzw. zu versenden, brauche ich eine Stunde. Ein Mann, Laborant und sein Kompagnion, Arzt, laden mich zum Essen ein, zeigen mir ihr Labor und bieten mir eine kostenlose Untersuchung an. Die Gespraeche drehen sich verdaechtig intensiv um ihren Glauben, sie reden wie Prediger.

Das Hotel ist laut und ich kann nicht schlafen, obwohl ich todmuede bin. Im Zimmer laufen daumengrosse Schaben umher, da bin ich wenigstens nicht alleine, gelle?!

geschrieben am 22.3. in Nanyuki


 

 

 

 

 


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