2/25/2004 Aethiopien / Wenago
Demissie Worassa
Eine Kaffeeplantage und ein doppelter Regenbogen
(Harald) In der Nacht rumort mein Bauch- die Salatbeilage haette ich gestern wohl besser nicht gegessen. Fliessendes Wasser gibt es auch heute morgen nicht. Die Toilette ist derart versifft, dass ich sie nicht benutzen mag. Hier steht zwar ein Plastikkorb fuer das benutzte Papier, der Anblick des Inhaltes ist aber genauso unerfreulich, wie umherliegendes Zeitungspapier, dass hier mangels anderem benutzt wird. Eine Schweinerei allemal. Ich bitte einen der 3,4, Mitarbeiter die Toilette wenigstens grob zu reinigen, frage nach 20 Minuten nach. “Yes,clean.” Aber tatsaechlich hat sich keiner die Muehe gemacht, obwohl niemand etwas zu tun hat. Meine Waesche, die ich gestern habe waschen lassen, ist nicht viel sauberer als zuvor, dafuer aber noch feucht. Hier klappt einfach nichts. Wie sich ein Land entwickeln soll, in dem die Menschen eine solche Einstellung haben, weiss ich nicht. Jedenfalls wird es, wenn ueberhaupt, sehr lange dauern. Und ob Aethiopien diese Zeit hat, wage ich zu bezweifeln. Um 8.30 Uhr breche ich auf. Es geht auf und ab, die Strasse ist wieder tadellos. Wenig Verkehr, alle 10 Minuten mal ein Auto. Es ist gruen ringsum, ueberall wachsen Papyas, Ananas, Bananen und Mangos. An der Strasse werden dreibeinige, grobe Schemel und Holzstampfer fuer das Getreide angeboten. Diese dicken Holzstempel werden in zylindrische Holztroege gestossen, um Mais und Getreide zu Mehl zu zermahlen. Im Moment ist ja Fastenzeit in Aethiopien. Drei Monate lang, von Februar bis April, wird weder Fleisch, noch Gefluegel, noch Fisch gegessen und keine Milch getrunken. Warum in einem chronisch unterversorgtem Land derart viele Fastentage sinnvoll sein sollen, muesste mir der orthodoxe Patriarch mal erklaeren. Die Aethiopier essen eh nichts anderes als Indschera, 365 Tage im Jahr, morgens mittags, abends. Die wenigen Beilagen auch noch zu limitieren, ist schlichtweg unsinnig und mir konnte auch niemand erklaeren, welcher tiefe Sinn dahinter stecken soll. Ueberall werde ich wie gewohnt angebettelt: “Give Highland (Flaschenwasser), give T-Shirt, one Birr, monery, money.” Alt und Jung haelt die Haende auf und widerholt versuchen Kinder mir das Wasser zu stehlen, waehrend die Erwachsenen ungeruehrt zuschauen. Ich erreiche Dilla gegen 10 Uhr, fruehstuecke Ruehrei mit Brot (was sonst?). Fuehle mich schwach und matt, wie immer bei Diarrhoe. Aber ich will weiter, will die unbefestigten Pisten Nordkenias nicht im Schlamm durchqueren muessen. Der Himmel ist bewoelkt, als ich das Dorf Wenago erreiche. Ich trinke einen “Softdrink”, Limonade, in einem kleinen Lokal neben der Strasse. Ein kleiner, runder Mann mit Baseballkappe gruesst mich und fragt, ob er mir Gesellschaft leisten koenne. Er betreibt hier eine Kaffeeplatage und hat sein Haus in Dilla. Und er war in Deutschland, erzaehlt von Heidelberg, Bremen, Hamburg, Hannover und von Amsterdam. Wir plaudern angeregt und er laedt mich ein, seinen Kaffe zu verkosten. Ich bin sowieso zittrig auf den Beinen, vielleicht ist es doch besser, es fuer heute gut sein zu lassen. So folge ich ihm zu seinem kleinen Betrieb, der von einzelnen, hohen Baeumen gesaeumt ist, in denen weiss-schwarze Guerezza-Affen herumturnen. Ueberall fliegen grosse Hornvoegel umher, ebenfalls schwarz-weiss, mit einem dicken Wulst auf dem Schnabel, sehen sie fast wie Tukane aus. Eidechsen huschen ueber den Beton vor dem Buero und ringsum ertoent Vogelgezwitscher mir unbekannter Spezies. Regnwolken ziehen auf, es donnert, als wir schwarzen, starken Kaffee trinken, der hier leicht gesalzen, statt gezuckert getrunken wird. Mein Gastgeber heisst Demissie Worassa, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er war sechs Jahre in Bejing, China, spricht und schreibt Chinesisch. Demissie zeigt mir stolz seinen Besitz. Der Kaffee wird saisonal geerntet. Wichtig ist der richtige Erntezeitpunkt und die schnelle Verarbeitung. Die kirschartigen, roten Strauchfruechte werden geschaelt und ihr hell-olivfarbener Kern wird gewaschen und dabei sortiert. Die schwersten Bohnen sinken schnell im Wasser ab und sind die Topqualitaet. Die Bohnen werden in der Sonne auf Metallgittern getrocknet und dann von Hand muehsam sortiert, wobei Rueckstaende und schlechte Bohnen herausgeklaubt werden. In Jutesaecke abgefuellt, lagern hier fast 300 Saecke im Wellblechschuppen, warten auf bessere Marktpreise. Demissie mixt z.Zt. die Topqualitaet unter die Minderen, weil er keinen angemessenen Preis fuer die Spitzenbohnen erzielen kann. Wenn im Juli, August geerntet wird, wird Tag und Nacht mit Hochdruck gearbeitet, weil alles schnell verarbeitet werden muss. Jetzt herrscht hier gemuetliche Ruhe. Demissie und einer seiner Neffen namens Mengistu, fuehren mich durch das Dorf Wenago. Wir kaufen auf dem Markt Mangos, Papya und kurze, pralle Bananen, wobei ein Volksauflauf meinetwegen entsteht: ”Ferendschi! Money!” Demissies Nerven sind nicht so gut wie meine und so verteilt er bald Tritte und Schlaege ringsum. Mir ist diese Grobheit unangenehm. Es beginnt zu regnen, die Wolken kommen von Sueden, das verheisst nichts Gutes. Auch unterwegs ist Demissie ganz ausser sich, weil uns so viele Kinder folgen und betteln und er wirft gezielt Steine und erzaehlt mir, dass er in seinem Betrieb rigide auch bei kleinen Vergehen vorgeht. Wir spielen in einer Regenpause Tischtennis auf dem Lehmboden. Auf dem Rueckweg sehe ich zum ersten Mal im Leben einen doppelten Regenbogen. Ich wusste nicht, dass so etwas moeglich ist. Der Bogen spannt sich kilometerweit ueber die gruenen Huegel- was fuer ein Anblick! Wir kehren in eine Schankwirtschaft ein. Hier wird Tedsch getrunken, Honigwein. Im Vergleich mit deutschem Honigwein ist das hier ein fuerchterliches Gebraeu, vor allem bitter. Ich bevorzuge aethiopischen Rosewein mit Ambo, dem oertlichen Mineralwasser. In unsere Konversation ueber Wirtschaft, Rechtsprechung und Politik binden wir auch die anderen Gaeste des Lokals mit ein. Auch die Inhaberin setzt sich zu uns. Wie auch der Hotelier gestern, bietet mir Demissie mir an, mir eine junge, schoene Frau zu suchen, was ich dankend ablehne. Aber eine zweite Flasche Rose wird gekoepft. Ich erklaere Demissie, dass ich mir etwas bessers denken kann, als eine Frau zu haben, die mich wegen meiner Heimat und Wohlhabenheit heiratet. Es ist laengst dunkel, dann faellt der Strom aus. Im Schein von Petroleumlampen und Kerzen wird viel gelacht, das Mundwerk steht nicht still. Den Nachhauseweg koennen wir ohne Taschenlampe, die Demissie unterwegs kauft, nicht finden. Wir sind schwer angeheitert und als wir im Nieselregen auf der Farm ankommen, ist gerade noch Zeit in Demissies Buero Avokadostuecke mit Brot zu essen, dann fegt man einen Lagerraum fuer Kaffeebohnen fuer mich aus und ich baue drinnen mein Innenzelt auf. Hach, herrlich, mein kleines Zuhause. Nebenan schnarchen die Mitarbeiter. geschrieben am 25.3. in Nanyuki
|