2/28/2004 Aethiopien / Agere Maryam
Harald im Pech
made in China, marsch, marsch zurueck
(Harald) Am Morgen ist die Reifenreparatur angezeigt. Ich finde das Loch ohne Wasser. Es liegt seltsamerweise Richtung Felge, dass Problem scheint das Felgenband zu sein. Die aethiopischen Monteure haben, entgegen meiner Anweisung, Schraubenzieher zum Abziehen des Mantels benutzt und dabei das Felgenband hoffnungslos gestaucht. Also runter damit- ein neues wird erst tief in Kenia zu bekommen sein. Dann pumpe ich den Mantel aus Addis auf und sehe, dass er gerissen ist- “made in China” hat gerade mal 8 Tage Reise auf guter Strasse gehalten. Also ziehe ich den Ersatzmantel auf, den mir ein Hollaender in Addis geschenkt hat. Als ich fertig bin, stelle ich fest, dass er ebenfalls gerissen ist. Jetzt weiss ich, warum der Kerl dafuer kein Geld haben wollte, dass haette er mir sagen muessen, denn als Radreisender weiss er selbst am besten, wie dumm man dasteht, wenn man mitten im Nirgendwo solch ein Problem hat. Trantuete! Und jetzt? Mein Blick faellt auf die Speichen- eine ist gebrochen! Jetzt geht aber auch alles schief. Ich kann definitiv nicht mehr weiterfahren. Na, herzlichen Glueckwunsch! Ich packe zusammen und schiebe zur Strasse, wo ich das Rad demonstrativ hinlege. Ich muss nach Agere Maryam zurueck. Der erste Transporter faehrt durch- Danke auch. Ich setze mich in den Schatten unter einen Baum und schreibe. Eine halbe Stunde spaeter nimmt mich ein LKW mit. In Agere Maryam suche ich ein Hotel, gebe meine Sache zum Waschen, um endlich die Floehe loszuwerden. Ein Mann hilft mir einen Laden zu finden, wo ich zwei Speichen, einen Spanner dafuer und einen neuen Mantel kaufen kann. Dabei stellt sich heraus, dass man mir in Addis von zwei Alternativen die schlechtere absichtlich als die bessere verkauft hat und das zum vierfachen Preis. Wenn ich den Guide jetzt in die Finger bekaeme, der mich dabei belogen und die Kommission eingesteckt hat… Fuer die Montage der Speiche braeuchte ich jedoch einen Spezialschraubenschluessel, den ich nicht dabei habe und den es hier auch nicht gibt. Na toll! Es muss ergo ohne Speiche gehen. Die uebrigen Speichen werden so justiert, dass der Ausfall ausbalanciert ist. Die Speiche ist gebrochen, weil der Monteur sie zu fest angezogen hat. Noch ein Fachmann. Der neue Mantel scheint stabiler (made in China) und sollte mich wenigstens 900 km bis Isiolo bringen. Ich gehe zum Friseur, dusche, reinige meine Matratze. Meine Waesche ist gewaschen, aber wieder mal nicht im Geringsten sauber und meine Seife bekomme ich auch nicht zurueck. Das fast neue Stueck Seife sei voellig verbraucht luegt der Mann, schwoert im Namen des Herrn. Der soll dir dafuer die Zunge verknoten. Wie mich dieser staendige Betrug nervt! Kein Einkauf, kein Auftrag ohne Diskussion, ohne Luegen und Betrug. Ich oele die Kette und hoffe, dass die Felge die Terrorstrecke von Moyale an der Grenze bis Isiolo aushaelt. Beim Friseur gibt es ein Fernseh-Video-Minikino, aber nach 5 Minuten faellt der Strom aus. Ein Mann im Hotel stellt sich als Lehrer vor, will unbedingt mit mir reden. Wir sitzen zusammen, er macht schnell plumpe Komplimente, fragt und fragt, kann aber nicht zuhoeren, schaut staendig auf die Uhr und in der Gegend herum. Ich sehe gruene Spuren auf seinen Lippen- er ist voller Tschatt und ich sage ihm, dass er wiederkommen solle, wenn er nuechtern sei. Seine Sprite zahle natuerlich ich, letztlich geht es diesen Typen auch nur darum. Aber als er mich auch noch um Geld anbettelt, sage ich nein. Staendig gewahr zu sein, dass man garnicht wirklich an mir interessiert ist, mich symphatisch findet ist, ist belastend und verfuehrt leicht zur voelligen Ablehnung oder zum Zynismus. Im Hotel flanieren mehr oder weniger ansehnliche Marketenderinnen auf und ab. Ich ueberlege, wie ich weiter Gewicht einsparen kann. Rucksack samt Decke, Moskitonetz, Buechsenoeffner, zweites Messer, Fahrradstaender, 2. Innenmantel- das sparte etwa 6-7 Kilo ein. Min hiesiger Guide heisst Salomon ist Schreiner und hat lange in Nairobi und Daressalam gelebt. Er hat vor drei Jahren seine Frau verloren, als deren Chef sie ueberfahren hat. Er hat den Unfall mitangesehen und leidet darunter, ist seitdem alleine. Seine Tochter lebt bei seinen Eltern in Nazret. Die ununterbrochenen, nie enden wollenden Beileidsbekundungen seiner Nachbarn in Gambela mochte er nicht mehr hoeren: Tschuk-Tschuk! – ein mit der Zunge geschnalzter Laut, der soviel wie: schade, oh-je, schlimm! bedeutet. Er hat seine eigene Erklaerung, warum Aethiopien so rueckstaendig ist. Das Land sei halt nie kolonialisiert worden, wie Kenia und Tanzania. Von dieser Zeit profitieren die Staaten bis heute; alles hat sein Fuer und Wider. Ich kaufe Ambo-Mineralwasser zum Zaehneputzen. Ein neuerlicher Stromausfall macht der Laermkulisse im Hotel ein Ende. Die Toilette des Hotels ist selbst fuer meine ekelgeschulten Nerven unertraeglich, denn es ist zwischen den neben dem Loch umherliegenden Kothaufen kein Platz fuer die Fuesse. geschrieben am 26.3. in Nanyuki
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